Bikes, Backöfen und Sprechanlagen: Tschechiens beste Exporteure

Foto: Archiv J4

Tschechien ist eine Exportnation, die Ausfuhren von Waren und – im kleineren Umfang – von Dienstleistungen sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. 2014 lag der Gesamtwert des Exports bei umgerechnet 117 Milliarden Euro. Mit der Wahl zum tschechischen Exporteur des Jahres sollen nicht die ganz großen Firmen und Konzerne gefördert werden, sondern die mittleren und kleinen. Im Folgenden nun die Porträts von drei Unternehmen, die in diesem Jahr beim Wettbewerb gesiegt haben.

Martin Guráš  (Foto: Archiv von Martin Guráš)
Drei Firmen, drei unterschiedliche Geschichten. Bike Fun International stellt Fahrräder und Fahrradteile her. Die GmbH aus dem mährischen Kopřivnice, wo beispielsweise der Autohersteller Tatra sitzt, siegte in der Kategorie „Erfolgreichster Klient von CzechTrade“. Martin Guráš ist Verkaufsleiter von Bike Fun International:

„Unsere Firma ist schon 15 Jahre lang auf dem Markt. Die Eigner sind Investoren aus den Niederlanden, wir sind also ein tschechisch-niederländisches Unternehmen. Wir beschäftigen uns mit dem ganzen Prozess der Entwicklung von Fahrrädern, bis hin zur Fertigung und dem Verkauf.“

Bike Fun International hat auch zwei eigene Marken auf dem Markt, es sind vor allem Mountainbikes und Trekkingräder mit den Namen Superior und Rock Machine. Dazu fertigt der tschechische Hersteller mit 330 Beschäftigten für andere Firmen beispielsweise Stadträder und Elektrofahrräder. Insgesamt 192.000 Drahtesel in der Saison 2014/15 lautete diesen Sommer die Bilanz. Die Fahrräder gingen überwiegend in den Export, über die Hälfte der Produktion war für die Niederlande bestimmt. Erst auf Platz zwei firmierte Tschechien und auf den dritten Rang kam Deutschland. Wie Martin Guráš schildert, habe man vor etwa vier Jahren weiter expandieren wollen. Deswegen suchte das Unternehmen den Kontakt zur staatlichen Exportagentur CzechTrade.

Foto: Ivana Vonderková
„Zu dem Zeitpunkt war Skandinavien für uns der interessanteste Markt. Wir waren dort nicht genügend etabliert, hatten zu wenige Vertriebspartner. Zusammen mit CzechTrade haben wir eine Liste potenzieller Kunden erstellt. Nach den ersten Verhandlungen haben wir mit ihnen Kontakte aufgebaut, die letztlich in konkreten Aufträgen mündeten. Die Aufträge aus Skandinavien stellen heute sechs Prozent unseres Umsatzes dar“, so Guráš.

Vertriebspartner oder Handelsvertreter? Vor dieser Frage stand man auch beim Fahrradhersteller in Kopřivnice. Aber mit klarer Lösung:

Bike Fun International  (Foto: Archiv Bike Fun International)
„Für unsere eigenen Marken haben wir Vertriebspartner in jedem Land. Und zwar mindestens jeweils einen für Superior und einen anderen für Rock Machine in allen 30 Ländern, in die wir liefern. Eigene Handelsvertreter dort zu haben, wäre sicher der schwierigere Weg gewesen. Die Nutzung von Vertriebspartnern ist einfacher und effektiver, weil diese bereits die Märkte kennen, über ein eigenes Vertriebsnetz verfügen und ihre Kontakte haben.“

Bike Fun International ist mittlerweile der größte Fahrradhersteller in Tschechien. Ziel für das kommende Jahr sind 230.000 Räder.

Talfahrt des Rubels: Die Kunden stornierten

Jan Černík  (Foto: Archiv von Jan Černík)
Auch die Firma J 4 hat sich neue Märkte erschlossen, allerdings auf eigene Faust. Denn der Hersteller von Tunnelöfen und Lieferant kompletter Bäckerei- und Konditoreilinien wurde durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im europäischen Osten dazu gezwungen. Das Familienunternehmen besteht seit 1994 und ist im ostböhmischen Předměřice nad Labem beheimatet. Jan Černík, stellvertretender Verkaufsleiter von J 4:

„Zu Beginn hat die Firma Backöfen repariert, dann begannen wir auch mit der Herstellung eigener Öfen, aber im Grunde nur für Tschechien und die Slowakei. Danach kam die Erweiterung nach Russland und Belarus. Bis zu 50 Prozent unserer Produktion ging in diese Länder, und zwar noch bis vor drei, vier Jahren. Dazu haben wir weitere Exportländer erschlossen wie vor allem Spanien, aber auch Ägypten, Kuwait und Pakistan.“

Backofen von J4  (Foto: Archiv J4)
Doch die Talfahrt des russischen Rubel wurde zu einer Herausforderung für die Firma mit 70 Angestellten.

„Die Kunden haben auch bereits unterschriebene Verträge, einfach alles storniert, weil sie einfach nicht mehr genügend Geld hatten“, so Jan Černík.

Vertreter der Firma sind allgemein bei Lebensmittelmessen präsent, dort tat sich dann ein neuer Markt auf: Nord- und Südamerika.

„Wir haben einen starken Händler gefunden, der bereits Praxis in der Branche hatte und den auch die Vertreter großer Bäckereien kannten, wie zum Beispiel einer der beiden größten Toastbrothersteller in Brasilien. Damit hat sich uns der Markt in Südamerika geöffnet. Ähnlich war das auch in Nordamerika. Dort haben wir einen Händler gefunden, der mittlerweile dort schon vier große Backlinien verkauft hat.“

Foto: Archiv J4
Bei der Pflege der Kundschaft setzen die Backofenbauer auf individuelle Betreuung, denn die Anlagen sind schließlich langjährige Investitionen. Der stellvertretende Verkaufsleiter:

„Wenn wir so vorgehen, dass die Kunden selbst liebevoll ihre Anlagen pflegen, dann halten diese bis zu 30 Jahre, mit einigen kleineren Reparaturen. Die Kunden würdigen auch, wenn wir dort nur hinfliegen, um zu fragen, wie es mit der Anlage funktioniert. Wir machen dann eine unter Umständen einwöchige Tour, selbst wenn wir wissen, dass die Kunden in den nächsten zehn Jahren nichts Weiteres kaufen werden. Wir fragen dann, wie es mit der Produktion klappt, ob die Qualität mit der Anlage besser geworden ist, wie es der Firma allgemein geht.“

Für die Erschließung des lateinamerikanischen Marktes erhielt die Firma J 4 den sogenannten Territorialpreis.

Innerhalb von zwei Jahren die ganze Welt

Šimon Antropius  (Foto: YouTube Kanal Blue Events)
Beim Titel „Globaler Exporteur“ geht es um nichts anderes als die Zahl der Staaten. Dazu zählt jedes Exportland, in das Waren im Wert von mindestens 100.000 Kronen (3700 Euro) im Jahr geliefert werden. Sieger in diesem Jahr ist das Prager Unternehmen 2N Telekommunikace mit 140 Abnehmerländern. Šimon Antropius ist Marketingdirektor der Aktiengesellschaft:

„Wir sind eine rein tschechische Firma und halten uns bereits 20 Jahre am Markt. Wir haben knapp 200 Angestellte. Begonnen haben wir mit Gateways. In den vergangenen fünf, sechs Jahren aber fertigen wir vor allem Gegensprechanlagen, Türsicherungen und Sprechanlagen in Aufzügen. 85 Prozent unserer Produktion gehen in den Export, wobei alles in Tschechien hergestellt wird.“

Foto: Offizielle Facebook-Seite von 2N Telekommunikace
Begonnen hat auch 2N Telekommunikace auf dem heimischen Markt und in der Slowakei. Als nächstes kam die Erschließung des westlichen Europas von Spanien bis Deutschland.

„Aus Europa haben wir dann den direkten Sprung in die ganze Welt gewagt. Das heißt, ein Team hat sich zum Beispiel Asien vorgenommen, ein anderes Australien und Neuseeland, ein weiteres Team, das von Spanien und Mexiko aus operiert hat, kümmerte sich um ganz Lateinamerika. Für die USA, Kanada und Mexiko haben wir eine Tochtergesellschaft in Amerika aufgebaut. Wir haben dann in kurzer Zeit – in zwei, drei Jahren – stark expandiert. Dazu konnten wir auch zum Beispiel einen technischen Berater aus Russland unter Vertrag nehmen, einen Spanisch und Portugiesisch sprechenden Techniker und einen Kollegen aus Vietnam für den asiatischen Markt, der zusätzlich zur Landessprache auch fließend Chinesisch, Englisch und Tschechisch spricht“, so Antropius.

Foto: Offizielle Facebook-Seite von 2N Telekommunikace
Doch den Kontakt in 140 Länder zu pflegen, sei durchaus eine diffizile Angelegenheit, sagt Šimon Antropius. Aber man verkaufe die Produkte im Ausland nur indirekt:

„Wir haben also nicht vielleicht 150.000 Kontakte in einem Land, sondern die – sagen wir – fünf Top-Lieferer in unserem Bereich sowie einige Personen, die Schulungen und Weiteres machen und mit denen wir kooperieren.“

Dir Firma aus dem vierten Prager Stadtbezirk hat sich schon seit einigen Jahren weltweit aufgestellt. Nach neuen Märkten wird nicht mehr gesucht, betont der Marketingdirektor von 2N Telekommunikace:

„Wir nehmen keine weiteren Länder hinzu, sondern erhöhen den Verkauf in bestimmten Regionen – wie zum Beispiel im Nahen Osten. Wir beschäftigen uns als damit, wie wir beispielsweise in Israel das Dreifache absetzen können oder in Saudi-Arabien zwei- bis dreimal so viel.“


Bei der Wahl zu den besten Exportfirmen Tschechiens wurden im Übrigen auch Preise in den klassischen Kategorien vergeben: Bei den kleinen Unternehmen siegte der Turbinen- und Dampfturbinenhersteller PBS Energo aus Velká Biteš auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, bei den mittleren gewann der Ingenieursbetrieb Enkom aus Brno / Brünn, der unter anderem die komplette Technik für Elektrizitätswerke projektiert.

Autor: Till Janzer
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