Bilaterale Beziehungen im Hochschulbereich: Karls-Universität in Prag erhält Buchspende aus Deutschland

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Guten Tag und herzlich willkommen zum Forum Gesellschaft. Silja Schulheis hat Ihnen vor 14 Tagen an dieser Stelle eine Universität im nordböhmischen Usti nad Labem/Aussig vorgestellt. Und auch heute bleiben wir bei den Universitäten. Genauer gesagt, wir schauen uns gemeinsam an, wie sich deutsch-tschechischen Beziehungen sich im Hochschulbereich gestalten können. Hierzu begrüßt Sie herzlich Katrin Sliva.

Wir alle erinnern uns nur allzu gut an die Bilder der Hochwasserkatastrophe, die Prag im vergangenen August erfasste. Die Schäden waren immens. Unter den "Leidtragenden" waren viele kulturelle Einrichtungen der Stadt. Mitarbeiter von Bibliotheken mussten dabei zusehen, wie etliche Archivalien, Bücher und Dokumente, die von unschätzbarem historischen Wert waren, vom Wasser aufgeweicht oder fortgespült wurden.

Besonders hohe Schäden sind auch der Bibliothek der Fakultät für Mathematik und Physik an der Karls-Universität in Prag entstanden. Sie beliefen sich auf rund 4,6 Millionen Euro. Vor zwei Wochen nun konnte sich der Dekan der Fakultät, Ivan Netuka, über ein wenig Linderung freuen. In welcher Form sagt uns Professor Netuka selbst:

"Unsere Kollegen aus Deutschland haben mit großer Beunruhigung verfolgt, dass die Bibliothek unserer Fakultät vom Hochwasser zerstört wurde. Sie haben davon aus den Medien, aber auch von Freuden erfahren. Uns verbindet eine langjährige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Mathematik. Besagte Kollegen wollten effektiv helfen. Einer Auflistung von Büchern, die durch das Hochwasser unbrauchbar geworden waren, haben sie entnommen, was wir besonders dringend benötigen, um anschließend in den Universitäten, Forschungsinstituten sowie der Deutschen Mathematikervereinigung zwei große Sammlungen zu organisieren: eine an der Humboldt-Universität in Berlin, die andere an den Universitäten in Freiburg und Heidelberg. "

Die Bücher und Zeitschriften sind vor einem knappen Monat in Prag eingetroffen. Bisher lagern sie in provisorischen Räumlichkeiten, da das ehemalige Bibliotheksgebäude im Stadtteil Karlin künftig nicht mehr als solches genutzt werden soll. Ein neues "Zuhause" für die nagelneuen Bände ist zwar in Sicht, aber noch nicht bezugsfertig. Die Hilfeleistung umfasst etwa 2500 Mathematik-Lehrbücher und 97 Ausgaben von Fachzeitschriften. Als besonders bemerkenswert bezeichnete Ivan Netuka, Dekan der Karls-Universität, auch ein Geschenk des Springer-Verlags - nicht zu verwechseln mit dem Axel-Springer-Verlag-, der 374 Bücher mit einem Gesamtwert von einer Million tschechischer Kronen gespendet hat. Herr Netuka betont:

"In unserer Bibliothek sind nach dem Hochwasser nur etwa zehntausend Bände erhalten geblieben. Zwei Drittel des Bibliotheksbestandes haben wir durch das Hochwasser verloren. Der Verlust war also unwahrscheinlich hoch. Ohne die Hilfe von unseren ausländischen Kollegen wären wir nicht in der Lage gewesen, diese Bücher zu ersetzen. Für uns bedeutet diese Hilfe sehr viel: Sie ist wichtig für unsere Studenten und für die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Ich betrachte sie aber auch als Ausdruck der Freundschaft, die uns verbindet."

Michael Ruzicka von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war einer der Initiatoren dieser Bücher-Hilfsaktion. Wie er ihre Bedeutung einschätzt verrät er uns nun:

"In der Mathematik sind Bücher und Zeitschriften das entscheidende Arbeitsmittel. Wenn man die nicht hat, kann man nicht arbeiten und wenn zwei Drittel einer Bibliothek zerstört sind, dann ist das eine Riesenkatastrophe. Deshalb auch diese große Hilfsbereitschaft. Ich glaube, dass das eine ganz große Bedeutung hat, weil dies wirklich ein Ausdruck - nicht nur der Hilfsbereitschaft in Form einer Spende von Büchern und Zeitschriften ist -, sondern auch Ausdruck der langjährigen Freundschaft zwischen den Mathematikern und auch zwischen den Universitäten ist, und zwar nicht nur bezogen auf die Vergangenheit sondern auch in Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit."

Wie es grundsätzlich um die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Universitäten bestellt ist?

"Viele Universitäten haben Freundschaft- und Kooperationsverträge, z.B. Berlin, Heidelberg, Freiburg und das wird sowohl auf Universitätsebene mit Leben erfüllt als auch durch viele persönliche Kontakte, die teilweise seit Jahrzehnten bestehen."

Nicht nur die Fakultät für Mathematik und Physik unterhält intensive Kontakte zu deutschen Universitäten: Fast alle Universitäten des Landes nehmen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt an universitären Austauschprogrammen teil, in deren Rahmen Studierenden und Lehrenden das Leben, Lehren und Lernen in einem Gastland ermöglicht wird, und zwar bereits vor dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union, über den die Tschechen Ende dieser Woche in einem Referendum abstimmen werden.