Bildungsministerin Kuchtova schmeißt das Handtuch - Gründe für den ersten Rücktritt in der Regierung

Grünenvorsitzender Martin Bursik mit Dana Kuchtova (Foto: CTK)

Sie war nicht das erste Kabinettsmitglied, das in den letzten Wochen öffentlich unter Druck geriet, doch als erstes gab sie nun ihren Rücktritt bekannt. Die Rede ist von Bildungsministerin Dana Kuchtova von den Grünen.

Bildungsministerin Dana Kuchtova  (Foto: CTK)
Mehr als acht Monate nach der Ernennung der Mitte-Rechts-Regierung von Premierminister Mirek Topolanek wird es in ihrer personellen Zusammensetzung erstmals zu einer Änderung kommen. Bildungsministerin Dana Kuchtova von den Grünen zog die Konsequenzen aus der anhaltenden Kritik im Zusammenhang mit Versäumnissen in ihrem Ressort beim Zugang zu Fördergeldern der Europäischen Union und erklärte ihren Rücktritt. Somit ist sie nicht nur die erste Ministerin, die die Regierung verlässt, sondern auch die erste Politikerin der Grünen.

Die Chefin des Bildungsressorts war nicht das einzige Regierungsmitglied, das in den letzten Wochen öffentlich unter Druck geraten ist und mit Rücktrittsforderungen konfrontiert wurde. Ähnliches widerfuhr Christdemokraten-Parteichef und Vizepremier Jiri Cunek. Ihm wurde vorgeworfen, noch in seiner Zeit als Bürgermeister der ostmährischen Stadt Vsetin / Wesetin Schmiergeld entgegen genommen zu haben. Die Ermittlungen gegen ihn zogen sich über Wochen hin, wurden aber Mitte August eingestellt.

Während im Fall Cunek der mehrere Monate dauernde Druck - auch innerhalb der Regierungskoalition - zu keinem Rücktritt führte, hat die grüne Bildungsministerin relativ rasch auf ihr Amt verzichtet. Lassen sich diese beiden Fälle vergleichen? Dazu meint der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

"Ich denke, dass sich dabei nur ein Aspekt vergleichen lässt: In beiden Fällen wurde die Entlassung auch unter dem Eindruck des weiteren Zusammenhalts der Koalitionsregierung beurteilt. Im Fall Jiri Cunek stand eindeutig der Fortbestand der Regierung auf dem Spiel, bei Dana Kuchtová ging es dagegen nur um eine momentane Destabilisierung der Grünen - die Koalition als solche war nicht gefährdet. Ansonsten sind beide Fälle aus letzter Zeit sehr unterschiedlich. Der Korruptionsvorwurf gegen Jiri Cunek ist auf eine sehr unelegante Weise vom Tisch geschoben worden. Das hat zwar keinen guten Eindruck hinterlassen, aber im Prinzip hing der ganze Vorwurf nicht mit dem Wirken Cuneks als Minister zusammen und der Schaden liegt vor allem im moralischen Bereich. Anders bei Kuchtova - hier ist der Zugang zu Fördergeldern aus den Mitteln der Europäischen Union gefährdet, was angesichts der angespannten Haushaltslage im Bildungsministerium zu großen Einbußen führen könnte. Das wurde weitaus kritischer beurteilt worden als der Vorwurf der Bestechlichkeit im Rathaus von Vsetin."

Grünenvorsitzender Martin Bursik mit Dana Kuchtova  (Foto: CTK)
Unterschiedlich war in diesen beiden Fällen auch die Haltung der Hausparteien der beiden Minister. Während die Christdemokraten eindeutig hinter Cunek standen und auch einen möglichen Bruch der Koalitionsregierung in Kauf nahmen, verhielten sich die Grünen ganz anders. Sie hätten ja ebenfalls sagen können: Wir stehen hinter Dana Kuchtova und verbinden mit dieser Frage unseren Verbleib in der Koalition. Das ist jedoch nicht geschehen und kritische Stimmen aus den einzelnen Regionalverbänden, die jetzt einen Verbleib der Ministerin im Amt verlangen, werden wohl an der Entscheidung nichts mehr ändern. Hätten die Grünen bei einer harten Haltung ihre Ministerin retten können? Dazu Zdenek Zboril:

"Auf den ersten Blick sieht es wirklich so aus, weil das logisch und geradlinig scheint. Aber es gehört schon seit Jahren zum Wesen der tschechischen Politik und vor allem der jeweils amtierenden Regierungschefs, dass sie bei Verhandlungen mit anderen Parteien nicht versuchen, diese als ein Ganzes zu sehen, sondern bemüht sind lediglich mit bestimmten Parteivertretern zu sprechen und Abmachungen zu treffen. Auf diese Weise ist es schon oft gelungen, die Existenz der Regierung zumindest für eine gewisse Zeit zu sichern. Auch hier bei Kuchtova hat ja ein nicht unwichtiger Teil der Grünen den Auszug aus der Koalition gefordert, sollte die Ministerin zum Rücktritt gedrängt werden. Der Regierungschef hat das aber bewusst umgangen und den Bruch riskiert. Ich denke aber sogar, dass auch der Abgang der Grünen nicht gleich das Ende der Regierung bedeutet hätte, denn das Kabinett muss jetzt bereits auch schon für alle Gesetze Unterstützung bei der Opposition suchen - in der politischen Praxis würde sich also nicht viel Wesentliches ändern. Wenn Topolanek strategisch überlegen würde, könnte er die Gelegenheit nutzen. Er könnte die frei gewordenen Ressorts mit parteilosen Experten besetzen und über die wichtigsten Gesetze dann im Parlament von Fall zu Fall mit allen Parteien verhandeln."

Jiri Cunek
Mit dem Abgang von Dana KuchtovA verlässt auch gleichzeitig eine Ministerin die Regierung, die zu den politischen Schwergewichten und zur ersten politischen Garnitur der Grünen gehört. Wie wird das die Partei verkraften? Gibt es in der zweiten oder dritten Reihe ausreichend Persönlichkeiten, die als gleichwertiger Ersatz herangezogen werden können? In der jüngeren tschechischen Geschichte ist schon einmal der Fall eingetreten, dass eine bis dahin einflussreiche Regierungspartei ins Straucheln geriet, nur weil sich nach und nach alle ihre wichtigen Führungspersönlichkeiten aus dem tagespolitischen Geschäft zurückzogen.

Die Rede ist von der liberal-konservativen Demokratischen Bürgerallianz (ODA), die in den 90er Jahren großen politischen Einfluss hatte, dann aber auch nicht zuletzt wegen eines Finanzskandals von der Fläche verschwunden ist und heute ein Dasein als Splitterpartei fristet. Gibt es ein vergleichbares Risiko auch bei den tschechischen Grünen? Der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril hat dazu eine klare Meinung:

"Ich denke, dass den Grünen nicht nur ein ähnliches Risiko droht, sondern vielleicht noch ein weitaus größeres. Mit der Partei der Grünen haben in den letzten Monaten viele Bürger große Erwartungen verknüpft, die mit ihrem Wahlerfolg und dem Einzug ins Parlament teilweise erfüllt worden sind. In den Monaten der langwierigen Regierungsbildung hat die Partei allen Verlockungen widerstanden und ist auch allen politischen Fallen aus dem Weg gegangen. Ihre erste Krise erlebt sie paradoxerweise jetzt, nachdem sie an der Regierung beteiligt ist. Die Partei stellt das nun vor die Notwendigkeit, eine strategische Entscheidung zu treffen. Die ersten Vorboten einer solchen Debatte sind schon aufgetaucht, wie etwa die jüngsten öffentlichen Aussagen einiger innerparteilicher Widersacher der gegenwärtigen Führung gezeigt haben. Längerfristig geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Grünen. Wie man es drehen und wenden mag - Frau Kuchtova war innerparteilich eine sehr wichtige Politikerin, die es zudem in der Vergangenheit schaffte, mehrere Konflikte zu schlichten. Die Lücke, die sie nun in der Regierung hinterlässt, kann sicherlich geschlossen werden, aber es fragt sich, ob das nicht innerparteiliche Konsequenzen nach sich ziehen und das Wiederaufkeimen von Flügelkämpfen zu Folge haben wird. Man darf nicht vergessen, dass die Grünen eine Partei von Individualisten sind. Sie haben eine starke Neigung, nicht in erster Linie auf die Loyalität gegenüber der Partei aufzubauen, sondern sich eher auf die eigenen Fähigkeiten zu verlassen. Das ist bei den Grünen sehr ausgeprägt und verbreitet."