Bitte absteigen: Radfahren in Tschechien
Radfahren wird heute als umweltfreundliche Fortbewegungsart mehr und mehr unterstützt. Auch in Tschechien fordern Verbände und Initiativen, die Bedingungen für Radfahrer zu verbessern. Die Politiker reagieren jedoch in einzelnen Städten und Regionen sehr unterschiedlich.
"Es ist ein sehr progressives Dokument, das die Unterstützung des Radverkehrs in allen Bereichen in Betracht nimmt. Es enthält zahlreiche Empfehlungen für die Erhöhung von Sicherheit, Komfort und Attraktivität des Fahrradfahrens. Ein Problem aber besteht darin, dass es sich um eine landesweite Strategie handelt, die in den Regionen aber nur sehr lau umgesetzt wird. Ich kann das an einem kuriosen Beispiel zeigen: Ein Freund hat mir die Zeitung Herald Tribune gezeigt, und dort stand: ´Unter den europäischen Staaten haben Dänemark und Tschechien die progressivsten Strategien für die Förderung des Radverkehrs´. Der Gegensatz in dieser Meldung ist offensichtlich: Die Dänen sind eine Großmacht im Radfahren, während wir erst am Anfang stehen. Trotzdem haben wir aus der Sicht der Konzepte gleichwertige Dokumente."
Die Radfahrerinitiativen kritisieren vor allem die Verkehrspolitik der Hauptstadt Prag. Separate Radspuren gibt es auf den Strassen fast keine, und wenn man mit dem Rad durch das Zentrum fahren will, muss man sich zwischen den Autos durchschlängeln. Und wo es doch einen Radweg gibt - z.B. in bestimmten Abschnitten des Moldauufers - gibt es oft unangenehmes Straßenpflaster. Neu asphaltierte Radwege werden zwar gebaut, aber nur am Stadtrand, wo sie an erster Stelle für Ausflüge und Erholungsfahrten dienen. Deshalb beträgt der Anteil der Prager, die mit dem Rad zur Schule oder zur Arbeit fahren, nicht mehr als ein halbes Prozent. Pavel Polak, Berater des Prager Oberbürgermeisters, räumt ein, dass die Stadt bisher vor allem den Autofahrern entgegen kam. Das Ergebnis: Die tschechische Hauptstadt hat mit Blick auf die Zahl der PKWs im Verhältnis zur Bevölkerung den ersten Platz in Europa erobert. Der Magistrat will nun das Fahrrad ins städtische Verkehrsnetz eingliedern, verspricht Polak.
"Die meisten Maßnahmen haben vor ungefähr vier Jahren begonnen. Es handelt sich um scheinbare Kleinigkeiten, die jedoch den Radfahrern das Leben leichter machen. Wir haben beispielsweise die empfohlenen Radwege in allen Stadtplänen eingezeichnet. In diesem Jahr kommt eine echte Neuigkeit, die die Verbände schon lange fordern: Die Polizei hat von uns eine umfangreiche Liste der Einbahnstrassen erhalten, in denen wir den Radverkehr in beiden Richtungen freigeben wollen. Diese Praxis ist in vielen Städten Europas ganz üblich und es gibt keinen Grund, sie nicht auch in Prag einzuführen. Mit ihrer Umsetzung möchten wir noch in diesem Jahr beginnen. Meiner Schätzung nach können sich die Radfahrer jährlich auf die Öffnung von zehn bis dreißig Einbahnstrassen im Stadtzentrum freuen."Es gibt aber auch Städte in der Tschechischen Republik, in denen bereits bessere Bedingungen für Radfahrer herrschen. Dies sind vor allem Pardubice und Hradec Kralove, die in der ostböhmischen Ebene liegen. Beide Städte verfügen über ein dichtes Radwegenetz; die Fahrradspuren sind meistens von den Autostraßen getrennt. Die Radwege verbinden das Stadtzentrum nicht nur mit den Vorstädten, sondern auch mit den Gemeinden im Umland. Ähnlich ist die Lage in Olomouc / Olmütz. Die Stadt hat das Fahrrad bereits seit fünf Jahren in die reguläre Verkehrsplanung einbezogen und passt auch die Stadtplanung dem Fahrradverkehr an. Trotzdem sinkt der Anteil des Radverkehrs: in Hradec Kralove / Königgrätz .B. von zwölf Prozent im Jahre 2004 auf fast die Hälfte im Jahr 2006. Die Leute steigen auf Autos und öffentliche Verkehrsmittel um, weil die Radwege nicht optimal gebaut werden, meint Michal Krivohlavek. Er weist zum Beispiel auf das zu häufig benutzte Schild "Radfahrer absteigen" hin:
"In zahlreichen Fällen zeigt dieses Schild die Unwilligkeit, den Radfahrern entgegen zu kommen. Manchmal würde ich sogar sagen, dass der Projektleiter den Ort nur vom Papier kennt. Als Beispiel kann ich eine enge Spur in einem Tunnel in der Prager Vorstadt anführen. Man sollte das Rad ungefähr 100 Meter weit schieben. Natürlich hält sich niemand an diese Vorschrift, denn auf dem Rad kommen zwei Leute aneinander vorbei, aber wenn sie schieben, dann passt das nicht mehr. An anderen Stellen endet der Radweg plötzlich und der Radfahrer findet sich auf der Gegenfahrbahn der Strasse wieder. Das ist die Konsequenz der Bemühung, möglichst viele Radweg-Kilometer aufzuweisen, aber die Struktur des öffentlichen Straßenraums nicht zu ändern."
Anders gesagt: ein Radweg entsteht nur dort, wo er den Autoverkehr nicht beschränkt. In Tschechien gibt es keine Vorfahrt für Radfahrer, wenn ein Radweg die Strasse kreuzt. Auch das vor einem Jahr verabschiedete Verkehrsgesetz hat diese Praxis nicht geändert. Die Vorschriften blockieren auch die Entstehung separater Radspuren auf den Straßen, denn beide müssen eine bestimmte Breite haben. Deshalb befindet sich die Mehrheit der Radwege auf den Gehsteigen, was sowohl Radfahrer als auch Fußgänger behindert. Trotz aller Schwierigkeiten sind die Radfahrerinitiativen vorsichtig optimistisch. So auch abschließend der Berater des Prager Bürgermeisters, Pavel Polak.