Brožková und Špotáková retten tschechische Ehre mit Gold und Silber

Barbora Špotáková (Foto: ČTK)

Von der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin haben die 22 Teilnehmer aus Tschechien nur eine einzige Medaille mit nach Hause gebracht. In der Randsportart Orientierungslauf haben das halb so viele Tschechinnen und Tschechen auch geschafft – nur ihre WM-Medaille glänzte golden anstatt silbern. Eine Nachbetrachtung aus tschechischer Sicht auf zwei Titelkämpfe, denen jetzt ein dritter folgt: die WM im Drachenboot-Rennsport in Račice bei Prag.

Trainer Václav Fišer  (Foto: ČTK)
Es liegt in der Natur der Sache, aber besonders im Naturell des Sports: Vor großen internationalen Meisterschaften werden Ziele formuliert, an denen sich nationale Sportverbände, Mannschaften oder Einzelsportler zu messen haben. Vor der 12. Weltmeisterschaft der Leichtathleten, die am Sonntag in Berlin zu Ende gegangen ist, hatte also auch der tschechische Verband sein Ziel. Cheftrainer Václav Fišer hat es, wie von uns berichtet, vor gut zwei Wochen so formuliert:

„Ich bin mit jeder Medaille zufrieden, die wir erkämpfen werden. Schließlich reden wir von einer Weltmeisterschaft, bei der die Konkurrenz unglaublich stark ist. Wenn wir aber zwei Medaillen gewinnen sollten, dann wäre ich sehr zufrieden.“

Das war und konnte Fišer aber nicht. Heraus sprangen lediglich eine Silbermedaille und drei weitere Platzierungen unter den Top Ten. Die schlechteste Ausbeute seit der WM 1995 und zu wenig, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Nach 16 Jahren und zehn WM-Titeln zog Fišer daher die Konsequenzen: Er trat von seinem Amt zurück.

„Ich bin auch schon zu alt“, sagte der 62-Jährige, der sich einen besseren Abgang gewünscht hätte. Aber auch einige Athleten sind in die Jahre gekommen – und enttäuschten. Allen voran der Olympiasieger und Weltrekordler im Zehnkampf, Roman Šebrle, der als WM-Titelverteidiger angereist war. Der 34-Jährige aber bot eine blasse Vorstellung, nach der er den Glanz einer weiteren Medaille auch nicht erwarten durfte. Im Gegenteil: Der elfte Rang ist seine schlechteste Platzierung seit Jahren. Auch Diskuswerferin Věra Cechlová enttäuschte – statt des Endkampfes und der erhofften Medaille war für die 30-Jährige schon nach der Qualifikation Endstation.

Hürdensprinter Petr Svoboda  (Foto: ČTK)
Die Lichtblicke unter den tschechischen WM-Teilnehmern lieferten die Vertreter der jüngeren Generation. Insbesondere Hürdensprinter Petr Svoboda, der im 110-Meter-Finale als Sechster einkam, war mit sich und seiner Zeit zufrieden:

„Ich dachte, dass ich eine schlechtere Zeit als 13,38 Sekunden haben werde. So aber habe ich meine zweitbeste Leistung gezeigt, und das in einem WM-Finale, in dem seit sehr langer Zeit endlich wieder ein tschechischer Sprinter stand. Von daher hoffe ich, dass das Ansporn für unsere Sprinter ist, denn ich bin nicht die Ausnahme.“

Die derzeitige Ausnahmeerscheinung in der tschechischen Leichtathletik aber ist Speerwurf-Weltrekordlerin Barbora Špotáková. In den vergangenen beiden Jahren gewann sie WM-Gold in Osaka und olympisches Gold in Peking, und auch aus Berlin nahm sie eine Medaille mit nach Hause. Dass sie diesmal nur silbern glänzte, hat ihre Freude nicht getrübt – jedoch mit dieser Einschränkung:

„Ich glaubte schon daran, noch einige Meter weiter werfen zu können. Das lag bestimmt auch daran, dass die Anlaufbahn im Berliner Olympiastadion ein wenig weich ist und man so den Abwurf sehr lange verzögern musste. Daran sind letztlich auch die beiden Werferinnen gescheitert, die einen sehr schnellen Armzug haben – Marie Abakumowa und Christina Obergföll“,

Barbora Špotáková  (Foto: ČTK)
so Barbora Špotáková. Für die tschechische Weltrekordlerin lief also diesmal nicht alles nach Wunsch. Einer aber zollte dennoch Lob: der populäre Altmeister in ihrer Disziplin, der Brite Steve Backley:

„Das Hauptproblem lag meiner Meinung darin, dass Barbora ihren Anlauf vor dem Abwurf verzögert hat. Sicher, man kann langsam anlaufen, vor dem Abwurf aber muss man beschleunigen. Ansonsten aber hat Barbora eine gute kämpferische Leistung geboten und gezeigt, dass sie eine echte Wettkämpferin ist. Schon jetzt hat sie eine Vitrine voller Medaillen, und darunter sind auch die allerwichtigsten.“

Ehre, wem Ehre gebührt. In diesem Fall aber müssen wir die Latte noch etwas höher legen und noch auf den Mann schauen, der die Leichtathletik-Fans in den WM-Tagen von Berlin buchstäblich verzaubert hat – der Jamaikaner Usain Bolt. Nicht nur, dass der 23-Jährige über 100 und 200 Meter in 9,58 beziehungsweise 19,19 Sekunden zwei neue fantastische Weltrekorde aufstellte, sondern auch sein Laufstil war eine Augenweide. Scheinbar spielerisch und raumgreifend düste der Fast-Zwei-Meter-Mann über die Tartanbahn. Beste Voraussetzungen, um als schnellster Mann der Welt in noch größere Dimensionen vorzustoßen, meint der Inhaber des tschechischen 100-Meter-Rekordes, Ivan Šlehobr:

„Als ich das 100-Meter-Finale gesehen habe, konnte ich beobachten, dass Bolt die letzten zehn bis 15 Meter nicht mehr voll durchlief. Und die Rückenwind-Unterstützung lag auch nur bei 0,9 Meter pro Sekunde. Zulässig aber sind zwei Meter pro Sekunde. Mit einem solchen Rückenwind kann man noch bis zu acht Zehntel herausholen. Wenn er dann auch noch die gesamte Strecke voll durchläuft, dann könnte er den Weltrekord schon bald auf 9,4 Sekunden schrauben.“


Dana Brožková  (Foto: ČTK)
In der Leichtathletik hat die Tschechische Republik also einen herben Rückschlag erlitten. In der Randsportart Orientierungslauf aber mischen tschechische Athleten weiter kräftig an der Weltspitze mit. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der 28-jährigen Dana Brožková, die vergangene Woche bei der Weltmeisterschaft im ungarischen Miskolc ihren zweiten WM-Titel in Folge gewann. Den errang sie auf der von ihr ungeliebten Kurzstrecke, so dass ihre Freude umso größer war:

„Ich bin hocherfreut. Das Rennen selbst war ziemlich schwer. Zum Beginn des Laufes musste man sich sehr auf die Landkarte konzentrieren, man durfte nichts überstürzen. Mehrere Favoritinnen haben das nicht beherzigt und so viele Fehler gemacht. Den zweiten Teil der Strecke konnte man dann schneller angehen.“

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft im benachbarten Deutschland, die WM im Orientierungslauf im mitteleuropäischen Ungarn, die Tschechische Republik aber ohne weltoffene Titelkämpfe? Mitnichten! Auch hierzulande können die Sportfans noch in dieser Woche einen ganz speziellen Leckerbissen erleben – die 9. Weltmeisterschaft im Drachenboot-Rennsport. Sie wird von Mittwoch bis Sonntag auf dem Rennkanal in Račice, zirka 40 Kilometer nördlich von Prag ausgetragen. Am Start werden nicht weniger als 3000 Kanuten aus 25 Ländern erwartet, die auf vier Distanzen miteinander wetteifern werden – über 200, 500, 1000 und 2000 Meter. Wenn Sie sich nicht entscheiden können, welche dieser Disziplinen Sie sich anschauen sollen, dann haben wir abschließend noch einen kleinen Tipp, und zwar vom Cheftrainer des tschechischen Drachenboot-Nationalteams, Petr Procházka:

„Diejenigen, die ein Drachenboot-Rennen noch nicht gesehen haben, möchte ich vor allem zum WM-Wettbewerb über 2000 Meter einladen. Diese Konkurrenz wird auf einer 500-Meter-Strecke ausgetragen, auf der die Boote folglich dreimal wenden müssen. Es gibt jede Menge Überholmanöver als auch Kollisionen zu sehen, so dass die Zuschauer auf den Rängen voll auf ihre Kosten kommen. Das Rennen gewinnt das Boot mit der schnellsten Zeit, denn es wird in Zeitintervallen gestartet. Die Zuschauer bekommen auf jeden Fall eine attraktive Show geboten.“

Autor: Lothar Martin
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