Den Widerstand gelenkt: Rolle des Rundfunks am 21. August 1968 und der Gedenkakt am Mittwoch

Der sowjetische Einmarsch in die Tschechoslowakei im August 1968

Vor 56 Jahren sind die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschiert. Die Invasion bedeutete das Ende für den Reformkurs, der als Prager Frühling in die Geschichte eingegangen ist. Der Tschechoslowakische Rundfunk spielte damals eine zentrale Rolle, um die Menschen im Land über den wahren Hintergrund des Einmarschs zu informieren. Seit der politischen Wende wird mit einem Gedenkakt genau daran erinnert. Am jetzigen Mittwoch nahmen auch Staatspräsident Petr Pavel und Premier Petr Fiala daran teil.

„Teure Freunde, in der ČSSR gibt es keine Konterrevolution. Die Interessen des Sozialismus wurden in unserem Lande durch nichts gefährdet, sodass es keinen Grund zur Intervention gibt. Wir sind ein schwacher Sender und wissen nicht, wie weit unsere Stimme hörbar ist.“

Das Gebäude des Tschechoslowakischen Rundfunks im August 1968 | Foto: APF Tschechischer Rundfunk

Dies strahlte der Tschechoslowakische Rundfunk am 21. August 1968 über einen Sender in Plzeň / Pilsen aus. Obwohl das Hauptgebäude in Prag bereits von Sowjettruppen besetzt war, gelang es mutigen Redakteuren und Technikern, weiter unabhängig über das Geschehen im Land zu informieren – über geheime Sender im Untergrund und in mehreren Sprachen. Eine zentrale Botschaft lautete: Die Truppen sind nicht auf Bitten der tschechoslowakischen Regierung ins Land gekommen, sondern es handelt sich um eine Besetzung. Und die andere: Ruhe bewahren, nicht die Soldaten angreifen!

Wenn der Rundfunk am Tag des Einmarschs nicht weiter unabhängig informiert hätte, wer weiß, zu welcher Katastrophe es gekommen wäre. So aber erfuhren die Bürger des Landes die wahren Hintergründe. Auf Beschluss des Kremls besetzten damals die Truppen von vier Warschauer-Pakt-Staaten die Tschechoslowakei, um den dortigen Reformkurs des Prager Frühlings zu beenden. Und die Menschen kamen zum Hauptgebäude des Tschechoslowakischen Rundfunks in Prag, um dieses vor den Invasoren zu beschützen. Einige bezahlten das mit ihrem Leben.

Petr Pavel | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Da der Rundfunk in diesen Tagen eine wichtige Rolle spielte, wird dort am 21. August immer bei einem Gedenkakt an 1968 erinnert. Meist nehmen auch hochgestellte Politiker teil. Am Mittwoch legten unter anderem Staatspräsident Petr Pavel, Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) und die Vorsitzenden beider Parlamentskammern Kränze neben dem Eingang zum Rundfunkgebäude nieder.

In seiner Rede ging Premier Fiala auf die Rolle des Rundfunks für den Widerstand ein – und darauf, wie sehr sich die Führung in Moskau verrechnet hatte:

„Sie hatte darauf vertraut, dass die tschechoslowakische Gesellschaft gespalten sein und ein großer Teil der Menschen die Soldaten begrüßen werde. Stattdessen trafen sie auf Bürger, die heldenhaft und unverzagt waren. Sie zeigten den Okkupanten ganz klar ihre moralische Überlegenheit.“

Petr Fiala | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Allerdings waren die Waffen des Kremls stärker, und die Tschechoslowakei wurde von den Sowjettruppen für mehr als 20 Jahre besetzt. War also der Widerstand überflüssig? Diese Frage stellte am Mittwoch der Senatsvorsitzende Miloš Vystrčil (Bürgerdemokraten). Mit seiner Antwort, in der er auch auf den heutigen Kampf der Ukraine gegen die russischen Besatzer anspielte, erntete er Applaus.

„Kein Heldentum ist überflüssig. Dabei ist es egal, ob es um russische oder sowjetische Panzer geht, denen man sich entgegenstellt. Denn der Kampf ist gerecht. Wir dürfen uns nie erniedrigen oder einschüchtern lassen. So wie wir das am 21. August 1968 bewiesen haben“, so Vystrčil.

Miloš Vystrčil | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Staatspräsident Pavel schlug ebenfalls den Bogen zur heutigen Politik des Kremls. In seiner Rede betonte er, dass sich das heutige Russland in der Tradition der Sowjetunion sehe und weiterhin Stalin verehre. Genauso verhalte es sich mit der Außenpolitik des Kremls:

„Das dürfen wir nicht ignorieren. Denn die Sicherheitslage und die Entwicklungen in der internationalen Politik zeigen uns deutlich, dass Parallelen zur Vergangenheit bestehen. Deswegen sollten wir vorsichtig sein und uns nicht die Vorstellung aufzwingen lassen, dass es uns mit Russland besser gehen würde. Das wäre nicht der Fall.“

Über die Rolle des Tschechoslowakischen Rundfunks während des Prager Frühlings ist hierzulande auch ein Film entstanden, der derzeit in den Kinos läuft. Er heißt „Vlny“ (Wellen) und beruht auf wahren Begebenheiten und Personen. Mehr dazu hören Sie in unserer Sendung am Samstag.