Bürger zeigen Unmut: Tausende demonstrieren gegen Regierung und Korruption im Land

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Höhere Steuern und Lebenshaltungskosten auf der einen, stagnierende Löhne und Sozialaufbau auf der anderen Seite. Das harte Sparprogramm der Regierung Nečas stößt in der tschechischen Bevölkerung auf immer größeren Widerstand. Erst recht vor dem Hintergrund, dass dauernde Enthüllungen über Korruption, Wirtschaftskriminalität und Geldverschwendung in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft das Vertrauen der Menschen in ihre gewählten Volksvertreter merklich schwinden lassen. Am Donnerstag zeigte sich der wachsende Unmut bei mehreren Protesten erstmals auch auf der Straße.

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Den Rücktritt der Regierung und von Staatspräsident Klaus forderten am Donnerstagabend in Prag rund 2000 Demonstranten auf dem Wenzelsplatz. Auch in anderen tschechischen Großstädten gingen die Menschen aus Verärgerung über die Politik der Regierung und die für sie unzufriedene soziale Situation auf die Straße: In Ostrava / Ostrau und in Hradec Králové / Königgrätz waren es über 1000 Leute, in Brno / Brünn sogar an die 4000 Demonstranten. Die Protestkundgebungen wurden initiiert von der Bürgerbewegung „Holešovská výzva“ (Aufruf von Holešov), die der Regierung in ihrem gleichnamigen Aufruf schon vor einigen Wochen geraten hatte, bis Ende Februar zurückzutreten. Andernfalls komme es zu landesweiten Protesten, heißt es in dem Aufruf. Am Donnerstag ist die erste Protestwelle tatsächlich angerollt, und der Sprecher der Bürgerbewegung, Jaroslav Popelka, warnte die Politelite erneut:

Michal Schuster  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Ich appelliere an unsere Machthaber, löst die Situation im Guten. Und zwar schnell, bevor die Unzufriedenheit wächst und in gewaltige Unruhen umschlägt. Unruhen, bei denen womöglich Autos zerstört werden und Schaufensterscheiben zu Bruch gehen.“

„Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, in der jeder das Recht hat, seine Meinung zu äußern“, formulierte Regierungssprecher Michal Schuster eine erste Antwort der Regierung.

Von diesem Recht machten die Demonstranten dann auch Gebrauch. In Tschechien könnte es jedem besser gehen, wenn verhindert würde, dass man uns die Reichtümer des Landes vor der Nase stiehlt, sagte eine Bürgerin bei der Protestkundgebung in Prag. Ein junger Demonstrant pflichtete ihr bei, als er bemerkte, dass die Korruption um sich greife und viele selbstsüchtige Politiker nur darauf bedacht seien, sich die Taschen voll zu stopfen, womit sie alle anderen freien Bürger des Landes bestehlen würden.

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Auch aus den ständig durchgeführten Meinungsumfragen ist zuletzt hervorgegangen, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst und das Vertrauen in die Politiker auf einem neuen Tiefpunkt angelangt ist. So hat die am 12. März veröffentlichte Umfrage der Agentur Stem ergeben, dass nur noch 14 Prozent der Tschechen mit der politischen Situation im Land zufrieden sind. Dagegen äußerten 47 Prozent der Befragten, dass sie mit der politischen Situation höchst unzufrieden sind, und weitere 39 Prozent erklärten, sie seien eher unzufrieden. Zum Vergleich: Im Oktober 2010, also kurz nach den Parlamentswahlen, zeigten sich noch 29 Prozent der Bürger mit der nationalen Politik zufrieden.

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Es sind aber bei weitem nicht nur junge Leute, die in dem auf Einsparungen, soziale Reformen und geringe Investitionen getrimmten Strickmuster des Kabinetts Nečas eine wenig rosige Perspektive sehen. Nein, auch viele ältere Menschen sind enttäuscht über die Entwicklung, die die Demokratie in Tschechien seit der politischen Wende von 1989 genommen hat. Zu ihnen gehört die 70-jährige Rentnerin Oldřiška Kočařová aus Ostrava-Poruba:



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„1989 gab es im Land eine richtig wunderbare Euphorie. Die Leute erwarteten eine Entwicklung, die eigentlich nur aufwärts gehen konnte. Und wo sind wir mittlerweile gelandet? Im Sumpf. Und jetzt treten die eigenen Leute auf uns, das ist doch schrecklich.“

Viele Bürger sind aber nicht nur mit der Regierung, sondern auch mit der allzu leisen Opposition unzufrieden. Deshalb sehen nicht wenige bereits in Neuwahlen und der Inthronisierung einer Expertenregierung den einzig Erfolg versprechenden Ausweg aus der Misere.