Das Bellen der Wildnis - Schlittenhunderennen in Ostböhmen

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Schlittenhunderennen werden in Tschechien immer beliebter. Diese Sportart konnte sich so richtig erst nach der Wende durchsetzen. Aber die tschechischen Sportler haben schnell ihre Kollegen aus dem westlichen Europa eingeholt und heute sind sie respektierte Teilnehmer verschiedener Rennen. Und auch als Veranstalter der Rennen sind sie anerkannt. Beweis dafür sind nicht nur das anspruchsvollste Schlittenhunderennen Mitteleuropas, der Šediváčkův Long im Adlergebirge, aber auch kleinere Veranstaltungen. Radio Prag war in Ostböhmen unterwegs auf der Fährte Rennhunde.

Pavel Kučera
Das Schlittenhunderennen Šediváčkův Long fand in diesem Jahr schon zum vierzehnten Mal statt. Begonnen hat alles im Jahr 1997. Daran erinnert sich der Gründer und Hauptorganisator dieser Veranstaltung, Pavel Kučera:

„Vor 15 Jahren waren wir im Adlergebirge, um hier zu fahren. Uns schien der Ort Deštné als ideales Terrain für ein Rennen. Wir sind dann im Sommer zur Bürgermeisterin gefahren und sie sagte: ´Tun Sie das!´ Dann haben wir das Rennen erstmals veranstaltet. Ich selbst bin aus dem Böhmerwald, dort habe ich früher auch Rennen organisiert. Aber wegen des Nationalparks gibt es dort viele Beschränkungen. Zudem liegt nicht so viel Schnee wie hier. Im Adlergebirge ist es viel besser und deswegen machen wir es hier.“

Pavel Kučera hat den Wettkampf im Adlergebirge nach einem seiner Hunde benannt. Einen Tag vor dem ersten Rennen waren ihm zwei Hunde entlaufen. Einer von ihnen – Šedivák – wurde dabei von jemandem erschossen. Im Andenken an das unglückliche Tier heißt die Veranstaltung nun Šediváčkův Long.

Schlittenhunderennen sind in Tschechien ein ziemlich neuer Sport, der sich erst nach der Wende durchgesetzt hat. In der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei war er eigentlich unbekannt, sagt Václav Jůza, einer der Gespannfahrer:

„Über Schlittenhunde wusste ich damals nichts. Ich kannte sie nur aus den Romanen von Jack London. Dass es Huskys oder Malamute gibt, davon hatte ich keine Ahnung.“

Der Husky beziehungsweise Siberian Husky ist der kleinste, aber schnellste Schlittenhund. Der Malamute, der auch Alaskan Malamute heißt, ist hingegen besonders kräftig. Rennorganisator Kučera weiß aber, dass die allerersten Schlittenhunde doch bereits zu kommunistischen Zeiten ins Land kamen:

„Die ersten nordischen Hunde wurden erst 1982 und 1983 hierher gebracht. Zuvor versuchte man es mit dem tschechischen Berghund nach Londons Vorbild. Erst nach der Wende, als man wieder an Europa angeschlossen war, konnten sich aber Schlittenhunderennen richtig durchsetzen.“

„Ruf der Wildnis“ und „Wolfsblut“ – das sind die Bücher von Jack London, die auch Pavel Kučera beeinflusst haben. Er nimmt übrigens auch selbst am Šediváčkův Long teil. Obwohl Schlittenhunderennen hierzulande keine große Tradition haben, haben tschechische Musher, also tschechische Gespannfahrer sehr schnell aufgeholt. Das bestätigt auch Pavel Kučeras Frau Andrea:

„Die tschechischen Musher haben einen sehr guten Ruf in ganz Europa. Sie fahren mit bei den Erstplatzierungen in ganz Europa.“

Andrea Kučerová stammt aus dem bayerischen Passau, auch sie ist Gespannfahrerin. Dass Tschechen auch im Vergleich zu den anderen Ländern bestehen können, gibt mit Bescheidenheit auch Václav Jůza zu.

„Ich habe ein Mal in den Alpen ein extremes Rennen gewonnen. Man muss aus einem Tal auf 2500 Meter hoch fahren. Nach unten zurück bin ich dann praktisch im freien Fall über ein Lawinenfeld, dadurch war ich der Schnellste. Wir sind aber hier alle Freunde. Eigentlich geht es nicht darum, etwas gewinnen. Es geht darum, mit den Hunden Spaß zu haben.“

Spaß haben die Teilnehmer zwar, doch die Teilnahme ist auch harte Arbeit. Die Rennfahrer müssen in vier Tagen 222 Kilometer zurücklegen. Eine Nacht müssen sie dabei im Freien übernachten.

„Dieses Rennen ist sehr anspruchsvoll. Es gilt in Musherkreisen als das schwerste Langstreckenrennen in Mitteleuropa“, so Andrea Kučerová.

Die Teilnehmer kommen aus ganz Europa. Neben Tschechien sind sie aus Polen, der Slowakei, aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, oder auch aus Italien oder den Niederlanden. Das Rennen ist offen für alle, die die entsprechenden Hunde und Lust auf einen Wettkampf haben. Andrea Kučerová.

„Das Rennen wird in unterschiedlichen Kategorien gefahren. Das beginnt mit einem Menschen auf Skiern mit ein bis zwei Hunden. Diese Kategorie nennt man Skijöring. Und die Teams bilden dann einen Menschen, den Musher, auf dem Schlitten. Eingespannt kann er haben bis zu vier Hunden. Fünf bis acht Hunde ist die nächste Kategorie. Und von neun Hunden aufwärts ist die offene Kategorie. Wir haben hier am Start sogar ein Team mit 14 Hunden. Zudem wird auch nach der Hunderasse unterschieden.“

Obwohl das Rennen anspruchsvoll ist, sind Frauen keine Ausnahme. Es gibt tschechische und ausländische Teilnehmerinnen. Wie zum Beispiel Christine Reincke aus Deutschland, die bei Rennen in ganz Europa punktet.

„Ich denke, auch die weiblichen Musherinnen setzen sich allmählich durch. Bei kurzen Distanzen ist die Teilnahme von Frauen üblich, in letzter Zeit werden es aber auch bei den längeren Distanzen immer mehr.“

Neben großen Veranstaltungen wie dem Šediváčkův Long gibt es auch kleinere. Wie zum Beispiel das Rennen in Janovičky bei Broumov in Ostböhmen. Hier trifft man auf Leute, die bei dem Rennen auch die schönen Aussichten in die Landschaft genießen wollen. Zum Beispiel Jindřich Zelenka. Deswegen mag er keine Sprintrennen:

„Das macht mir keinen Spass. Man ist dann nur zehn Minuten im Wald unterwegs. Man trainiert nur für diesen kurzen Augenblick. Ich bin früher gerne herumgewandert, deswegen genieße ich gerne die Landschaft auf den längeren Strecken.“

Das Rennen in Janovičky geht über 32 Kilometer, dafür brauchen die Besten dann etwa anderthalb Stunden. Auch dieser eher unbekannte Wettbewerb zieht Rennfahrer aus dem Ausland an. Maciej Tomaszewski kommt aus der Nähe von Warschau.

„Hier in Janovičky bin ich zum ersten Mal. Aber ich fahre auch zu anderen tschechischen Rennen. Zum Beispiel in Děčín. Die Strecke hier war schön, schöne Aussichten, gutes Wetter und die Strecke ist gut präpariert, super.“

Die Zahl der Schlittenhunderennen in Tschechien wächst von Jahr zu Jahr und die Rennen werden immer beliebter.

Fotos: www.czechlongtrail.com

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