Das Festival "Der Film" geht in die 3. Runde
Filmfestivals gibt es viele. Dort bekommt man meistens nur Hollywoodblockbuster zu sehen – die wahre Kunst spielt sich woanders ab. In Prag hat es ein junges Team von Organisatoren geschafft, ein ganz anderes Filmfestival auf die Beine zu stellen. Und das mit großem Erfolg. Monique Leistner weiss mehr.
„Das Goethe Institut Prag, die Schweizer Botschaft und das Österreichische Kulturforum Prag haben eine Lücke in den nationalen Kinematografien gesehen. In Prag gibt es wirklich eine sehr breite Filmlandschaft. Ein französisches Festival, es gibt ein asiatisches Festival und viele internationale Festivals und wir haben diesen Bedarf gesehen, an einer komplexen Vorstellung von deutschsprachigen Filmen. Deswegen haben wir uns als Partner die beiden etablierten Kinos Svetozor und Aero ausgesucht und daraufhin ist dieses Festival entstanden.“
Dass dieses Festivalkonzept Erfolg hat, beweisen auch seine Zuschauerzahlen. Waren es im ersten Jahr noch 1000 Zuschauer in den Kinosesseln, kamen im Jahr darauf schon rund 4000 Menschen, die sich die deutschsprachigen Produktionen ansahen.„In erster Linie sprechen wir natürlich Deutschlerner an, weil wir denken, dass es eine schöne Ergänzung zum Sprachunterricht sein könnte. Unser Zielpublikum sind Deutschinteressierte, aber natürlich auch deutsche Minderheiten, oder in Prag lebende Deutsche. Wir merken, dass es doch eine ganze Menge gibt, die an Film interessiert ist.“
Um all diese Interessenten nicht zu enttäuschen fährt die Festivalcrew jedes Jahr auf die bekanntesten nationalen und internationalen Filmfestivals, um eine Filmauswahl zu treffen. Während sie dort die neuesten Streifen sehen, überlegen sie schon, was ihrem Festivalpublikum daheim gefallen könnte. Dabei ist Kreativität gefragt.
„Das Programm ist dieses Jahr zum ersten Mal in Sektionen gegliedert. Die eine Sektion heisst Paragraf. Diese Abkürzung beinhaltet natürlich die Abkürzung der RAF. Die weiteren Sektionen sind Die Doku, Das Debüt, Der Film Spezi und Die Ikone 68. Wir haben gedacht, dass wir uns schon dramaturgisch abgrenzen sollten, dass es das Festival verdient, ein strukturiertes Programm anzubieten.“
Und dieses Programm hat es in sich. Auch wenn die Filme sehr verschieden sind, so melden sich doch darin immer wieder die gleichen Brennpunkte zu Wort: Gender, Integration, Migration und die Rote Armee Fraktion. Mit ihr startet auch das diesjährige „Der Film“-Festival. Mit „Der Baader Meinhof Komplex“ am 1. Oktober im Kino Svetozor. Darin erzählt der bekannte Filmproduzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger den Kampf von Andreas Baader, Ulrike Meinhoff und Gudrun Ensslin – die Rote Armee Fraktion- gegen alles, was sie als „neuen Faschismus“. betrachten. Sie verübten blutige Anschläge auf prominente Vertreter der damaligen Politik und Wirtschaft, die Deutschland jahrelang in Schrecken hielten.
Schüsse fallen in dem mehr als 2-stündigen Werk sehr viele. Sie fliegen den deutschen Star-Darstellern Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Bruno Ganz und Alexandra Maria Lara um die Ohren. Manchen von ihnen reissen sie auch zu Boden. Auch wenn die Bilder blutig sind, der Umgangston rau, findet Bernd Eichinger dennoch einen sensiblen Weg, um sich diesem Thema der deutschen Geschichte zu nähern. So legt er auch einen Hauptfokus auf den Leiter des Kriminalamtes; gespielt von Bruno Ganz, der die Gruppe auf der einen Seite zwar verurteilt, aber gleichzeitig auch ihre Motivation versteht.
Weniger turbulenter geht es in „Kirschblüten“ zu, einem Film von Doris Dörie aus der Sektion Der Film Spezi. Aber genauso ernst. Denn es geht um Tod, Abschied und verpasste Lebenschancen. Der unheilbar an Krebs erkrankte Rudi hat sich dem Alltagstrott hingegeben. Seine Frau, folgt dem Rat des Arztes und verheimlicht ihm die Diagnose: Stattdessen will sie mit ihm eine letzte Reise machen – in ihr Traumland Japan. Aber Rudi, der Veränderungen scheut, zieht die Ostsee vor.Dort stirbt seine Frau Trudi. Da beschliesst Rudi, nach Japan zu reisen, um den grössten Wunsch Trudis nachzuholen. Es gelingt im dort, sich der Traumwelt seiner Frau, ihr und letztendlich auch sich selbst zu begegnen. Solche Filme sind es, die Klára Konečná und ihr Team begeistern.
„Es ist immer wieder interessant, wenn wir bei der Filmauswahl bemerken, welch schwere und sozialpolitische Themen sich die junge Regisseure aussuchen, um sie filmisch zu bearbeiten. Das ist sehr erstaunlich.“
Der Film „Wolke9“ ist solch ein schweres Thema. Hier erzählt der Erfolgsregisseur Andrea Dresens, der schon „Sommer vorm Balkon“ gedreht hat, eine Liebesgeschichte. Allerdings spielt die sich nicht - wie sonst im Film üblich – zwischen zu hübschen jungen Menschen ab. Sie erzählt von der 69-jährigen Inge, die sich Hals über Kopf in den 76-Jährigen Karl verliebt. Sie lebt ihre Gefühle entgegen allen Erwartungen, die an sie gestellt werden aus und beendet sogar ihre 30-jährige Ehe.Andreas Dresen bricht in seinem neuen Film ein Tabu. Er thematisiert Liebe und Sex im Alter – ein Thema, das heute im öffentlichen Bewusstsein keinen Platz mehr findet. Er gibt den Zuschauern einen distanzierten und respektvollen Einblick in die Realität. Die Hauptdarstellerin Ursula Werner wird auch zu Gast sein, wenn der Film am 4. Oktober im Kino Svetozor zu sehen ist.
Die Veranstalter hoffen auch in diesem Jahr wieder auf gut gefüllte Kinosäle. Auch wenn der Erfolg des Festivals in den letzten Jahren für sich spricht, bleibt Organisatorin Klára Konečná auf dem Boden. Sie hat noch viele Wünsche für ihr Projekt.
„Ich wünsche mir natürlich, dass sich das Festival etabliert, das es ein fester Bestandteil der Filmszene wird. Und dass wir natürlich immer mehrere Filme bringen, die dann auch ihren Platz in der tschechischen Distribution finden, damit die nicht nur einmalig hier gezeigt werden, sondern auch weiter bestehen.“