Das programmierte Verkehrschaos

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Grossstädte und der Verkehr, ein besonderes und oft unseliges Thema. Das gilt auch für Prag. Dazu der folgende Kommentar von Alexander Schneller.

Immer wieder ist an diesem Sender vom Prager Verkehr die Rede. Und dieser Verkehr hats wiklich in sich. Seit der Wende ist die Zahl der Automobile zum Beispiel um ein Vielfaches gestiegen. Zu gewissen Tageszeiten kommt es deshalb zu veritablen Staus, die die Nerven aller am Verkehr Beteiligten heillos strapazieren. Auch als Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel wird man nicht immer froh, denn Busse und Strassenbahnen bleiben dann jeweils ebenso im Verkehrschaos stecken. Einzig die Metro kennt solche Probleme nicht, und als Fussgänger ist man vor allem im Zentrum der Stadt eh am schnellsten. Trotzdem kann man sagen, dass alles in allem vor allem der öffentliche Verkehr gut bis sehr gut funktioniert. Wenn alles normal läuft, wenn alle Trams und Busse ihren üblichen Routen folgen und pünktlich sind. Und genau hier liegt der Hund begraben. In den letzten zwei bis drei Jahren kommt es immer häufiger zum sogenannten "gelben Verkehr", über den wir an dieser Stelle auch schon berichtet haben. Das heisst, die Strassenbahnen zum Beispiel verkehren nicht auf den normalen Routen, sondern auf einer "dočasná trasa", einer "zeitweilig veränderten Trasse". Was einfach und nüchtern klingt, kann sich zu einer wahren Katastrofe entwickeln. Wenn diese vorübergehende Änderung nur ein paar Tage oder vielleicht auch dreivier Wochen dauert, dann ist das nicht weiter problematisch. Wir Prager sind geduldige Leute und auch lernfähig, und bald schon haben wir herausgefunden, wie wir trotz aller Umstellungen doch noch vor Mitternacht nach Hause kommen.

Nun gibt es viele ehrenwerte Gründe, weshalb es zu Trassenänderungen kommt, kommen muss. Da sind zunächst die Folgen unvorhersehbarer Ereignisse wie zum Beispiel im letzten Jahr das Hochwasser, das die U-Bahn lahmlegte und so den oberirdischen Verkehr heillos belastete. Dann ist Prag seit Jahren eine einzige Baustelle, denn man muss ja die Unterlassungssünden des früheren Regimes wieder gut machen. Und so kommt es zu Behinderungen im Verkehrsfluss, vor allem wenn Tunnels oder Brücken saniert oder gar neu gebaut werden müssen. Genau diese Situation enerviert zur Zeit sowohl den Privat- wie auch den offentlichen Verkehr. An einer neuralgischen Stelle im Übergang vom Stadtzentrum nach Vinohrady und Žižkov ist für die Seifertstrasse die Zufahrt sowohl für Autos wie für Strassenbahnen gesperrt. Denn man baut dort zwei neue Eisenbahnbrücken. Für die Strassenbahn gilt die Sperre bis zum 20.Dezember, für die Autos allerdings bis Ende nächstes Jahr. Zwar gibt es Ersatzbusse, fahren abenteuerliche Strassenbahnnummern "gelbe" Routen, dennoch aber ergiessen sich jetzt unübersehbare Massen von Automobilen in bisher ruhige Zonen. Endlose Schlangen hupender Karossen und deren fluchender Lenker verstopfen alle Wege und produzieren eine auspuffgeschwängerte Luft, in der man zu ersticken droht. Die neuen Brücken sollen dereinst den Verkehr entlasten, heisst es. Schön und gut. Eine Frage aber sei erlaubt: War es nötig, mit der Bauerei in der Vorweihnachtszeit zu beginnen? In einer Zeit, in der das Verkehrsaufkommen sowieso über dem Durchschnitt liegt? Ja, heisst es vom zuständigen Amt kategorisch. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns weiterhin durchs organisierte Verkehrschaos zu kämpfen.