DDR für Filmliebhaber – 4. deutschsprachiges Filmfestival „Der Film“
Zum vierten Mal in Folge veranstalteten in diesem Jahr das Goethe-Institut, das Österreichische Kulturforum und die Schweizer Botschaft das Festival deutschsprachiger Filme mit dem Titel „Der Film“. Vom 1. bis zum 11. Oktober konnte das Publikum in Prag und Brünn seinen kinointeressierten Geist mit 25 Filmen aus deutschsprachiger Produktion füttern. Der diesjährige Schwerpunkt – die DDR – wurde passend zum Jahrestag des Mauerfalls gewählt. Wie dieses Thema von den tschechischen Zuschauern aufgenommen wurde, und was es sonst noch interessantes zu sehen gab, wird im heutigen Kultursalon berichtet.
Der Fokus des diesjährigen Festivals deutschsprachiger Filme „Der Film“ wird bereits im Trailer deutlich erkennbar.
DDR-Bürger liefern sich in ihrem 20 PS starken Trabant eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei durch die engen Gässchen der Prager Innenstadt. Endlich, sie erreichen die Tore der deutschen Botschaft. Der Trabi wird stehen gelassen. Sie klettern über den meterhohen Zaun. Doch auf der anderen Seite befindet sich anstatt weiterer Flüchtlinge eine Gruppe japanischer Touristen. Sie lauschen gespannt dem Reiseleiter, der gerade die Geschichte der Botschaftsflüchtlinge vor 20 Jahren erzählt. Just in diesem Augenblick landen die Neuankömmlinge auf der grünen Wiese des Botschaftsgeländes. Die Japaner begrüßen sie mit Beifall.
Verwirrt? So etwas nennt man Geschichte hautnah.
„Durch unseren Trailer haben wir junge Leute ein bisschen dazu gebracht, eine Parallele zwischen der DDR und der Tschechoslowakei zu suchen.“
So Klára Konečná, die Programmleiterin und Initiatorin des Festivals „Der Film“. Wie der Trailer zeigt, wurde der DDR-Fokus anlässlich des 20. Jahrestag des Endes der kommunistischen Ära gewählt. Konečnás Anliegen ist es, den Zuschauern eine Retrospektive der DDR-Geschichte zu zeigen und dadurch gleichzeitig zu verdeutlichen wie viele Ähnlichkeiten es zum Regime der Tschechoslowakei gab. Wie gut dieses Programm vom Publikum angenommen wurde, zeigt nicht nur die Anzahl der Tickets, die über den Ladentisch gingen - etwa 200 Stück pro Vorstellung. Klára Konečná:
„Wir haben den Dokumentarfilm ´Gesicht zur Wand´ über die DDR-Flüchtlinge gezeigt und zwei Schulvorführungen organisiert, bei denen alle Plätze des großen Saals ausverkauft waren. Ich habe lange nicht so eine lebendige Diskussion zwischen den Schülern und dem Filmemacher erlebt. Also ich glaube schon, dass es die jungen Leute reizt mehr über die deutsche Geschichte zu erfahren.“Die Studentin Agatha bestätigt diese Aussage:
„Ich denke es gibt einige Tschechen, die sich für Deutschland interessieren, denn es ist auch unsere Geschichte.“
Und Tatsächlich. Die Dokumentation „Gesicht zur Wand“ von Stefan Weinert handelt nicht nur von Menschen, die versuchten aus der DDR zu flüchten, sondern sie zeigt auch die extreme Überwachung der Bevölkerung und die Brutalität der Staatssicherheit. Eine Brutalität, die nicht nur in der DDR herrschte, sondern auch in der Tschechoslowakei und den anderen Staaten des Ostblocks. Zwar zeigt „Gesicht zur Wand“ auf sachlich-neutrale Art die Schicksale einzelner Bürger. Dennoch sind ihre Geschichten bewegend.„Ich habe diesen Film sehr gemocht, denn ich interessiere mich für die Geschichte der DDR. Ich habe Freunde aus Ostberlin und ich bin selbst in einem vergleichbaren System geboren. Aber ich muss sagen, dass der Film auch sehr traurig war. Wirklich traurig.“
Erzählt Jan. Wie ihm ging es vielen Zuschauern des Festivals. In Deutschland jedoch waren die Meinungen gespaltener, wie Regisseur Stefan Weinert berichtet. Auf der einen Seite hätten ihn die Leute beschimpft, weil er ihnen ihre DDR kaputt gemacht habe, und auf der anderen Seite bedankten sich viele dafür, dass er ihre Geschichte aufzeige.
„Mein Hauptanliegen war es den Betroffenen eine Plattform zu geben, denn die Stasi Leute sind in der Regel sehr gut organisiert“,
so Weinert. Doch das Thema DDR wurde während des Festivals nicht nur in Form von historischen Dokumentationen in den Vordergrund gerückt. Die Veranstalter griffen in diesem Jahr auch ganz bewusst zum Staubwedel und holten alte DEFA-Streifen aus den hinteren Ecken des Regals hervor. Also Filme der Produktionsgesellschaft der DDR. Obwohl die DEFA, wie sollte es auch anders sein, stark ideologisch geprägt war und deren Filme keiner Zensur entkamen, gab es trotzdem den einen oder anderen Regisseur, der es geschafft hat, kritische Positionen in seinen Film mit einfließen zu lassen. Frank Beyer war einer von ihnen. Im Klassiker „Spur der Steine“ mit Manfred Krug in der Hauptrolle veranschaulichte Beyer 1966 für damalige Verhältnisse unerhört deutlich die Doppelmoral des sozialistischen Systems.„Also ich muss sagen, ich fand den Film sehr gut und ich denke, es war sehr mutig von dem Regisseur damals. Ich wusste nicht, dass es überhaupt möglich war so einen Film zu drehen.“
Erzählt Agatha, die sich auch noch die anderen DEFA-Verfilmungen, wie „Solo Sunny“ und „Die Legende von Paul und Paula“ anschaute. Das Festival sei für sie die einzige Möglichkeit sich solche Filme anzusehen. Und deshalb müsse sie diese Chance nutzen. Und dennoch, die Mehrzahl der Festivalbesucher ist wohl eher wegen der aktuellen deutschen Filme gekommen. So auch Katherina:„Ich interessiere mich für deutsche Filme, aber ich weis nicht so viel über die Neusten. Ich bin überrascht was zurzeit in Deutschland geschieht und welche Filme entstehen. Und deshalb bin ich gekommen.“
Zum Auftakt des Filmfestivals wurde die neueste Produktion der Oscargekrönten Regisseurin Caroline Link gezeigt – „Im Winter ein Jahr“.„Im Winter ein Jahr“ ist ein psychologisch fein gestricktes Drama, indem Tod, Trauer, aber auch selbst geschaffene Enge und der Wille zum Ausbruch die Protagonisten zu extremen Gefühlen treibt. Caroline Link kennt diese Umstände auch aus ihrem privaten Leben.
„Mein Vater ist auch vor ein paar Jahren gestorben. Es war auch ein großer Einschnitt im Leben meiner Familie – die Begegnung mit dem Tod das erste Mal aus dieser Nähe. Und deshalb bin ich auch auf diesen Stoff, der sich mit der Trauer beschäftigt, so sehr angesprungen.“Auch wenn in Deutschland die Kinosäle bei „Im Winter ein Jahr“ nicht immer so gefüllt waren, wie es sich die Regisseurin gerne gewünscht hätte – in Tschechien kann sie mit der Resonanz der Festivalbesucher mehr als zufrieden sein. Die blauen Sessel des großen Saals im Kino Světozor waren zu jeder Vorstellung komplett besetzt. So freut sich auch die Organisatorin Klára Konečná über die steigende Popularität des Filmfestivals und verspricht:
„Auf jeden Fall wird es weiter gehen. Nächstes Jahr ist es der 5. Jahrgang und wir überlegen uns schon, wie wir unser kleines Jubiläum feiern. Vielleicht werden wir dann auch durch noch mehr tschechische Städte ziehen.“