In den tschechisch-deutschen Beziehungen ist Normalität eingetreten
Am Freitag haben wie Sie über die zweitägige Deutschland-Visite des Vorsitzenden des tschechischen Abgeordnetenhauses, Lubomir Zaoralek, der nach seiner Rückkehr der deutschen Redaktion von Radio Prag ein Exklusivinterview gewährte. In diesem Zusammenhang haben wir auch Frau Petra Ernstberger, Leiterin der Deutsch-Tschechischen Parlamentariergruppe im Bundestag, die im Berliner Sitz der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Podiumsdiskussion mit Lubomir Zaoralek und dem Staatsminister a.D.,Christoph Zöpel moderierte, befragt. Mehr über dieses Treffen von Jitka Mladkova im folgenden Beitrag:
"In ganz großen Teilen war es genau das, dass wir nämlich einen Prozess versuchen müssen, in den wir beide - sowohl Tschechien wie auch Deutschland - eingebunden sind, für unsere eigenen Staaten, aber auch im Sinne eines europäischen Gedankens, zu gestalten."
Zaoraleks Vortrag war, wie Frau Ernstberger bestätigte, in großen Teilen zukunftsorientiert, in anderen Teilen kam die Diskussion auch auf das vom Bund der Vertriebenen angestrebte "Zentrum gegen Vertreibungen" zu sprechen. In diesem Zusammenhang fragten wir Frau Ernstberger, wie man mit der Vergangenheit umgehen solle, besonders mit so einer, aus der bis heute immer noch Wunden spürbar sind:
"Wir müssen schon Vergangenheit aufarbeiten. Es ist eine Aufgabe für alle Völker, und das betrifft genauso Deutschland wie auch Tschechien. Die Vergangenheit kann einen immer schnell einholen was auch in Deutschland zeigen die Bemerkungen des CDU-Abgeordneten Hohmann und die Entlassung eines Brigadegenerals. Mit der Vergangenheit muss man sich auseinandersetzen, man muss über sie diskutieren können. Diese Vergangenheit darf aber nicht die Arbeit, die eben zukunftorientiert ist, behindern oder sogar ausbremsen, so dass diese nicht fortschreiten kann. Also man muss sich öffnen können. Dazu hilft auch das Wissen über Vergangenheit."
Lubomir Zaoralek lehnte die Errichtung des Zentrums gegen Vertreibungen ab und ebenso, wie er im Gespräch für Radio Prag sagte, die Äußerungen der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, in einem FAZ-Artikel. Zaoralek reagierte ebenfalls auf negative Einschätzungen des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes:
"Ich habe gesagt, dass ihm (Benes) im Einklang damit, wie er in unserem Land wahrgenommen wird, immer eine Ehrenposition gebühren wird - als einem Menschen, der genauso wie De Gaulle, Churchill oder die Königin Wilhelmina gegen Hitlerdeutschland bzw. gegen den Faschismus in Europa auftrat und sich um dessen Niederlage in einem schicksalhaften Kampf verdient machte."
Lubomir Zaoralek rief bei dieser Gelegenheit die deutsche Seite auf, diese offizielle Position der Tschechischen Republik zu Präsident Benes zu respektieren. Die Chefin der Deutsch-Tschechischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Petra Ernstberger, fragten wir noch, welchen Stand ihrer Meinung nach die tschechisch-deutschen Beziehungen erreicht haben:
"Im Großen und Ganzen ist ein sehr sehr hohes Maß an Normalität eingetreten wie es zwischen den anderen Staaten, die auch bilateral zusammenarbeiten, herrscht. Man unterhält sich auch über Themen, die gemeinsame Außenpolitik oder Entwicklungen in Europa eben sind, und man befaßt sich nicht nur mit den Problemen aus der Vergangenheit. Da gibt es einen guten Ansatz - die tschechisch-deutsche Erklärung von 1991 gilt als eine Basis, auf der wir beide arbeiten können und diese besagt ja, wir sollen die Zukunft in Angriff nehmen. Ich denke, das ist die Verpflichtung und die Aufgabe, denen wir auch gerecht werden müssen, und die Schritte dazu, denke ich, gehen in die richtige Richtung."