Der folgenschwere Fenstersturz 1618

Fenstersturz 1618
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Der Prager Fenstersturz gilt als Startschuss für den Dreißigjährigen Krieg. Vor genau 400 Jahren löste er eine der größten Katastrophen der europäischen Geschichte aus.

Fenstersturz 1618
Heutzutage ist das Fenster im oberen Stockwerk des Alten Königspalastes auf der Prager Burg ein Ziel für Touristen. Vor allem deshalb, da gerade dort eines der tragischsten Kapitel der europäischen Geschichte seinen Anfang nahm. Am 23. Mai 1618 warfen Vertreter der böhmischen Protestanten zwei kaiserliche Statthalter und einen Kanzleisekretär aus diesem Fenster von der Burg heraus. Das sei keine spontane Handlung gewesen, sondern von langer Hand geplant, wie der Historiker Eduard Maur von der Prager Karlsuniversität erläutert:

„Der Fenstersturz wurde höchstwahrscheinlich von einer radikalen Gruppe aus führenden Persönlichkeiten der böhmischen Ständeopposition geplant. Die Aktion sollte auch weitere Mitglieder der Stände zu einem offenen Kampf gegen den amtierenden Herrscher hinreißen.“

Eduard Maur  (Foto: ČT24)
Der Konflikt zwischen den böhmischen Ständen und dem Kaiser schwelte seit 1526, damals bestiegen die Habsburger erstmals den böhmischen Thron.

„Der Kaiser bemühte sich um eine Verfestigung seiner Macht. Zu diesem Streben gehörte auch die konfessionelle Unifizierung des Landes. Dagegen wollten die Stände eine möglichst starke Macht und ein Gegengewicht zum Herrscher erringen. In der letzten Phase profilierte sich der Kampf eindeutig als Glaubenskrieg.“

Der Glaubenskonflikt zwischen den protestantischen Böhmen und den katholischen Habsburgern lasse sich aber nicht von den machtpolitischen Ränkespielen trennen, betont der Historiker. Die offene Auflehnung, die später als der Zweite Prager Fenstersturz in die Geschichte einging, löste einen verheerenden Krieg aus:

„Unmittelbar nach dem Fenstersturz fangen die Stände an, das Heer zu versammeln. Dies sollte eher als eine Form des Drucks auf den Kaiser dienen. Ferdinand II. reagierte aber schon bald darauf. Es entbrannte der Konflikt, der als der böhmische Ständeaufstand bekannt ist. Er endete zwei Jahre später, im November 1620, mit der Niederlage der Stände in der Schlacht am Weißen Berg. Da war diese lokale Angelegenheit aber schon zu einem europaweiten Konflikt angewachsen.“

Westfälischer Friede
Der Krieg schien damals unausweichlich. Europa war in zwei unversöhnliche Lager geteilt.

„Einerseits standen die katholischen Länder mit dem Papst und den spanischen Habsburgern an der Spitze, andererseits die nichtkatholischen Länder. Dies hatten die böhmischen Stände einkalkuliert, als sie in ihren Kampf traten. Man muss aber betonen: Wäre es nicht zum böhmischen Ständeaufstand gekommen, wäre der Dreißigjährige Krieg höchstwahrscheinlich an einem anderen Ort ausgebrochen.“

Der Dreißigjährige Krieg endete schließlich mit einem Kompromiss, da beide Seiten nach diesem bis dahin beispiellosen Krieg am Ende ihrer Kräfte waren. Der Westfälische Friede von 1648 schuf ein Machtsystem in Europa, das bis zur Französischen Revolution Bestand hatte. Im Deutschen Reich mussten die Habsburger als Kaiser einen Teil ihrer Macht an die Landesfürsten abgeben. Diese wiederum konnten in ihren Ländern ihren Glauben durchsetzen, ob nun katholisch oder lutherisch. Im Unterschied dazu wurde die Macht des Herrschers in der Habsburger Monarchie eindeutig verfestigt. Das galt auch für die böhmischen Länder.

„Die Stände haben an ihrer Macht verloren. Zudem wurden alle nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften verboten. Das war der Beginn der Rekatholisierung, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vollendet war.“