Stuntmen statt Blut - Prager Stadtbezirk stellt Fenstersturz von 1419 nach
Vor 590 Jahren kam es in Prag zum ersten von drei Fensterstürzen. Die Ratsherren der Stadt wurden von den Hussiten aus dem Fenster des Neustädter Rathauses geworfen und ermordet. Es war der Auftakt zum ersten Hussiten-Krieg. An dieses geschichtliche Ereignis hat am Freitag vergangener Woche der zweite Prager Stadtbezirk in einem Historienspiel vor dem Neustädter Rathaus erinnert.
„Es sind viele Bewohner des zweiten Prager Bezirks hier, aber auch eine ganze Reihe von Besuchern, die einfach gerade am Karlsplatz vorbeigekommen sind oder aus der Presse von der Aktion erfahren haben. Unser Stadtbezirk unterstützt die Rekonstruktion des ersten Prager Fenstersturzes. Wir neuzeitlichen Ratsleute hätten sogar selbst an den Sprüngen aus den Fenstern teilgenommen, die Veranstalter haben uns das aber ausgeredet, weil wir angeblich nicht ausreichend versichert sind. Deswegen werden für uns Stuntmen einspringen.“
Selbst an ausländische Besucher hat man gedacht – auch auf Englisch erzählt der Conferencier des Abends die Geschichte des ersten Prager Fenstersturzes. Worum es ging? Hintergrund war ein kirchlicher Streit um die Einnahme der Hostien beim Abendmahl. Anhänger des böhmischen Reformators Jan Hus zelebrierten eine andere Form, als die katholische Kirche erlaubte, und waren dafür verhaftet worden. Der Hussit Jan Želivský zieht vor das Neustädter Rathaus, um bei den katholischen Ratsleuten die Freilassung der Kameraden zu fordern. Doch dann fliegt aus dem Rathaus ein Stein. Jan Želivskýs Leute stürmen das Gebäude. Insgesamt zwölf Prager Ratsleute werden dann aus dem ersten Stock geworfen und landen vor dem Rathaus. Die anwesende Menge johlt und spießt die unbeliebten Katholiken auf.In der Rekonstruktion der Ereignisse 590 Jahre später fließt natürlich kein Blut. Die rund 500, vielleicht 1000 Zuschauer freuen sich aber über das Schauspiel, das ihnen geboten wird.
„Es hat uns sehr gefallen, das haben sie gut hinbekommen und mit viel Humor. Prima!“, sagt Radka, die mit ihrem Sohn das Spektakel verfolgt hat.
Rudolf ist aus einem Prager Randbezirk an den Karlsplatz gekommen. Er fühlt sich nicht nur unterhalten, sondern nimmt noch mehr von der Veranstaltung mit:
„Es war eine richtige Ferienveranstaltung. Es war ungefähr so, wie ich mir das gedacht hatte. Man beginnt dann nachzudenken, wie schwierig doch die tschechische Geschichte war, man findet auch immer Anknüpfungspunkte in der heutigen Zeit. Es war ein angenehmer Nachmittag.“