Der Kampf gegen Korruption in Tschechiens Kommunalpolitik

Die heutige Ausgabe unserer Sendereihe "Schauplatz" widmet sich einem Phänomen, das schon seit vielen Jahren zu den wunden Punkten des tschechischen Verwaltungswesens gehört, nämlich der Korruption. Am Mikrophon begrüßen Sie dazu Dagmar Keberlova und Robert Schuster.

Seit einigen Wochen gehört Korruption wieder einmal zu jenen Themen, welche die öffentlichen Debatten und auch die Medienberichterstattung in Tschechien beherrschen.

Den Stein ins Rollen brachte ein Fernsehbericht, in dem Reporter mit versteckter Kamera die Bestechlichkeit des Vizebürgermeisters eines Stadtteils der westböhmischen Metropole Plzen / Pilsen festhielten. Der Politiker, der kurz nach Veröffentlichung des Berichts sein Mandat niederlegte, versprach dort einer Reporterin vor laufender Kamera, ihr für 50 000 Kronen (umgerechnet knapp 1600 Euro) eine staatliche Wohnung zu beschaffen, auf die man in großen Städten, wie zum Beispiel Pilsen, oft mehr als fünf Jahre warten muss.

Nach Bekanntwerden dieses Falls wurde die Vergabepraxis für Wohnungen auch in anderen tschechischen Kommunen unter die Lupe genommen, wobei auch dort in einigen Fällen gravierende Mängel festgestellt wurden. Mittlerweile wird im ganzen Land bereits gegen sechs Bürgermeister ermittelt, denen entweder direkt Bestechlichkeit oder die Missachtung geltender Regeln für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorgeworfen werden.

Dass die Korruption zu den größten Problemen Tschechiens gehört, ist schon seit Jahren bekannt. Laut der weltweit tätigen regierungsunabhängigen Vereinigung Transparency International rangiert Tschechien auf einem Verzeichnis von 130 Staaten im oberen Mittelfeld - nämlich auf Rang 54. Auch die in den vergangenen Jahren regelmäßig veröffentlichten Forstschrittsberichte der Europäischen Kommission wiesen stets auf dieses Phänomen hin. Die Regierung ergriff nicht zuletzt erst anhand dieses äußeren Drucks konkrete Maßnahmen, die jedoch in erster Linie die staatliche Verwaltung betrafen und den Bereich der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung eher unbeachtet ließen.

Warum wurde eigentlich den Kommunen im Zusammenhang mit Korruption so lange so wenig Aufmerksamkeit geschenkt? Das fragten wir den Publizisten Petr Holub, der sich in seinen Artikeln schon seit vielen Jahren mit dem Problem der Korruption befasst:

"Ja, es stimmt, dass es lange gedauert hat, bis man begonnen hat, auch gegen die Korruption auf kommunaler Ebene vorzugehen. Interessant ist, dass man schon vor Jahren, als die große Verwaltungsreform in Angriff genommen wurde, Strukturen schaffen wollte, die die Korruption nicht begünstigen. Geschehen ist aber in dieser Hinsicht nichts. Die ersten großen Fälle, wo es starken Korruptionsverdacht gab, betrafen die Rathäuser in Prag und Brünn. Sie tauchten vor drei Jahren auf, ohne aber irgendwelche Konsequenzen nach sich zu ziehen. Das jetzige verstärkte Engagement der Regierung in Sachen Korruptionsbekämpfung ist aber auch ich im Zusammenhang mit dem Bestreben der Sozialdemokraten als stärkste Regierungspartei zu sehen, den Wählern in dieser Angelegenheit konkrete Erfolge vorzulegen. Denn schließlich ist der Kampf gegen die Schattenwirtschaft seit Jahren eines der wichtigsten politischen Themen des Landes. Mittlerweile konnte die Arbeit der Polizei und der Staatsanwälte intensiviert werden und brachte bereits erste positive Ergebnisse."

Am Beginn dieser jüngsten Anti-Korruptions-Offensive der tschechischen Behörden stand zweifellos ein Zeitungsinterview mit der tschechischen Generalstaatsanwältin Marie Benesova, die darin ein recht düsteres Bild über die Korruption auf kommunaler Ebene malte. Ihren Worten zufolge gedeihe gegenwärtig Korruption in keinem anderen Bereich besser als eben in den Gemeinden. Frau Benesova meinte sogar, einige Bürgermeister oder Gemeinderäte würden sich im Rahmen ihrer Aufgabenbereiche wie Regenten aufführen und in manchen Fällen frei über die Gemeindekasse verfügen.

Petr Holub macht für diese Situation noch einen weiteren, strukturellen, Grund verantwortlich, wie er im Folgenden gegenüber Radio Prag erläutert:

"Ich denke, dass es noch eine weitere wichtige Ursache gibt, warum die Korruption auf kommunaler Ebene in Tschechien ein so großes Problem darstellt und auch in Zukunft darstellen wird: nämlich die geringe Transparenz im System der tschechischen Selbstverwaltung. Tschechien ist eines der wenigen Länder in Europa, wo die Bürgermeister und Ratsmitglieder nicht direkt von den Wählern, sondern von den Gemeindevertretungen bestellt werden. Während aber die Gemeindeparlamente öffentlich tagen, verlaufen die Sitzungen der Gemeinderäte hinter verschlossenen Türen, also ohne öffentliche Kontrolle. Dieses System ist mit anderen Worten einer der Hauptgründe, warum das Ausmaß an Korruption in Tschechien nicht geringer, sondern mindestens gleich groß ist, wie in den übrigen neuen EU-Staaten."

Petr Holub hat es bereits kurz angesprochen: nämlich, dass Korruption nicht nur für Tschechien ein Problem darstellt, sondern auch in den übrigen postkommunistischen Ländern relativ stark verbreitet ist. Seinen Worten zufolge gebe es jedoch bislang keine wissenschaftlichen Studien, die es erlauben würden, die Korruptionsanfälligkeit der postkommunistischen Länder zu vergleichen. So gelte bisher als einzige Messlatte in dieser Hinsicht die jährlich von Transparency International veröffentlichte Liste.

Auf diesem Verzeichnis belegten unter den neuen EU-Mitgliedsländern aus Mittel- und Osteuropa die Slowenen mit Rang 29 die beste Platzierung. Besser als die Tschechen schnitten auch noch die Esten mit Platz 33, die Ungarn mit Rang 40 und die Litauer mit Platz 41 ab.

Kann die Mitgliedschaft dieser früheren kommunistischen Länder in der Europäischen Union dabei helfen, die Korruption abzubauen? Welche Rolle könnten dabei die Befürchtungen der Kommunen spielen, sie könnten auf Grund geringer Transparenz in ihrer Finanzgebarung den Zugang zu verschiedenen EU-Geldern verwehrt bekommen? Hören Sie dazu die Meinung von Petr Holub:

"Der Druck von Seiten der Europäischen Union ist ganz offenkundig, aber ich glaube nicht, dass das irgendwelche direkten Folgen auf die tschechische politische Szene hätte. Jetzt werden gerade Gesetze vorbereitet, die die jahrelangen Forderungen der EU-Kommission berücksichtigen sollen. Dazu gehören ein neues Unvereinbarkeitsgesetz oder neue Richtlinien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Bislang waren aber alle Anti-Korruptions-Gesetze, auch die neu verabschiedeten, eher zahnlos, und es ist noch nicht passiert, dass diese Gesetze das Aufkommen von Korruption völlig ausgeschlossen hätten."

Die tschechische Regierung hat in diesen Tagen weitere Initiativen ergriffen, um den Kampf gegen die Korruption zu verstärken. Neben den bereits vor einem Jahr ins Spiel gebrachten getarnten Ermittlern, den so genannten Provokateuren, sollten künftig insbesondere Beamte und Verwaltungsangestellte regelmäßige Eigentumsnachweise vorlegen müssen. Eine weitere Maßnahme, um der Korruption das ihr häufig immer noch anhaftende Image zu nehmen, lediglich ein Kavaliersdelikt zu sein, ist der neuerdings ebenfalls verfolgte Grundsatz: "Wer von Korruptionsfällen weiß, diese aber nicht anzeigt, macht sich selber strafbar".

Was kann man von den vorgesehenen Maßnahmen der Regierung erwarten? Abschließend kommt noch einmal der Publizist Petr Holub zu Wort:

"Ich bin in dieser Frage kein großer Optimist. Die bestehenden Gesetze sind sehr schwach. Solange kein härteres Unvereinbarkeitsgesetz verabschiedet wird, wird sich wohl nicht viel zum Besseren wenden. Positiv ist auf jeden Fall, dass es gegenwärtig einen starken politischen Willen gibt, das Problem der Korruption offensiv anzugehen. Aber all jene Maßnahmen werden das Aufkommen von Korruption höchstens eindämmen, diese aber nicht grundsätzlich beseitigen können. Es ist ermunternd, dass sich die Öffentlichkeit für dieses Thema zu interessieren beginnt, denn in der Vergangenheit wurde in vielen dieser Fälle gar nicht erst der Versuch unternommen, etwas zu verbergen. Man hat sich ganz einfach darauf verlassen, dass die Öffentlichkeit diese Missstände tolerieren würde. Würde also künftig nicht mehr automatisch dieses kollektive Wegschauen gepflegt werden, könnte sich etwas grundlegend ändern. Aber ich denke nicht, dass es in den kommenden zwei Jahren zu diesem Umschwung kommen wird."