„Der kleine Maulwurf“ oder ein tschechisch-deutscher Kulturtransfer
Prag-Touristen kennen ihn ganz sicher: den kleinen Maulwurf. Maulwurf-T-Shirts, Maulwurf-Tassen, -Kuscheltiere, -Kugelschreiber, -Kochschürzen und so weiter füllen mittlerweile jeden gut sortierten Prager Souvenirladen. Kein Wunder, ist der kleine Maulwurf, der auf Tschechisch Krtek heißt, doch tschechisches Kulturgut. Aber man muss nicht extra nach Tschechien reisen, um den kleinen Maulwurf kennen zu lernen. Seine Karriere begann die Zeichentrickfigur bereits vor über 50 Jahren im Fernsehen. Seit weit über 30 Jahren ist er auch im deutschen Fernsehen regelmäßig zu sehen. Aber wissen seine kleinen und großen Fans in Deutschland auch, dass der kleine Maulwurf aus dem Nachbarland Tschechien kommt? Patrick Gschwend hat auf deutschen Spielplätzen nachgefragt.
„Kennst du den?“ „Nein.“ „Echt nicht?“ „Nein.“ „Was ist denn das für ein Tier?“ „Ein Pinguin.“ „Ein Pinguin? Wie kommst du denn darauf?“ „Weil der so wie ein Pinguin aussieht.“
Eine ebenso überraschende wie einsame Meinung über den tschechischen Zeichentrick-Exportschlager mit dem Namen Krtek. In Tschechien kennt den niedlichen, schwarzen Kerl mit dem grauen Latz und der roten Nase jedes Kind. Aber auch in Deutschland wissen die meisten Kinder wer und was Krtek ist. Denn Krtek ist ganz einfach das tschechische Wort für: „Maulwurf.“
Nachname: Maulwurf. Vorname: Der kleine. Oder wie heißt der Zeichentrick-Wühler?
„Ich weiß gar nicht. Ich weiß gar keinen Namen von dem.“ „Ja. Das ist dieser Mauli oder wie der hieß.“
Auch wenn sich diverse inoffizielle Namen für den kleinen Maulwurf eingebürgert haben: Mauli, Pauli oder Grabowski. Krteks deutscher Künstlername ist und bleibt schlicht „Der kleine Maulwurf“. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen in freier Wildbahn zeigt sich der Zeichentrick-Krtek regelmäßig seinen Fans. Und das in über 80 Ländern auf der ganzen Welt. Im deutschen Fernsehen ist der kleine Maulwurf schon seit weit über 30 Jahren ein fester Bestandteil einer der beliebtesten TV-Sendungen für Kinder. Somit kennen ihn in Deutschland nicht nur kleine sondern auch große Kinder:
„Ich kenne ihn vom Sehen aus Zeichentrickfilmen. Ist das aus der Sendung mit der Maus?“ „Bei der Sendung mit der Maus hab ich den kennen gelernt, als ich klein war.“ „Der ist süß!“
Als Teil der Sendung mit der Maus ist der kleine Maulwurk - oder Krtek - Teil des deutschen Fernsehalltags geworden. Zusammen mit seinen Freunden, dem Hasen, dem Igel, der Maus und all den anderen Tieren aus Wald und Wiesen rettet Krtek schon seit 1972 auch im deutschen Fernsehen seine kleine Welt – und macht Kinder vor den Bildschirmen glücklich. Man kann noch echte Überraschung ernten, wenn man seine Interviewpartner über die Herkunft des schwarzen Wühlers aufklärt.
„Weißt du wo der herkommt? Oder wo der erfunden und gezeichnet worden ist?“ „Nein.“ „In Tschechien.“ „Nein, das wusste ich nicht. Das heißt der gehört gar nicht richtig zur Sendung mit der Maus sondern kam von Extern?“
Richtig! Krtek kam von Extern. Extern heißt in dem Fall: Tschechoslowakei. Geboren wurde er 1957. Sein Papa, respektive Erfinder und Zeichner, ist Zdeněk Miler, heute schon fast 90 Jahre alt. In 62 Folgen tauchte Krtek bis heute in TV-Sendern auf der ganzen Welt auf. 2002 machte Krtek sogar einen Ausflug ins Kino mit einer Zusammenstellung alter Fernsehauftritte. Aber zugegeben: Allein vom Zuschauen beziehungsweise Zuhören kommt man nur schwer darauf, dass der kleine Maulwurf Tscheche ist, denn sprechen, geschweige denn Tschechisch sprechen, tut er nicht. Aber das war nicht immer so. In der ersten Folge aus dem Jahre 1957 „Wie der Maulwurf zu seiner Hose kam“ sprach Krtek noch. Der Kurzfilm über die Herstellung und Verarbeitung von Flachs gewann auf dem Filmfestival in Venedig sogar den Silbernen Löwen. Trotzdem nahm Zdeněk Miler seinem Zeichentrick-Maulwurf die Fähigkeit zu sprechen und ermöglichte ihm damit den Siegeszug um die Welt. Krtek brabbelt seitdem internationale Babysprache und wird überall verstanden.
„Das habe ich als Kind geliebt, dass der nicht gesprochen hat, sondern dass der eigentlich… Oder spricht der Tschechisch? Als Kind hab ich das nämlich nicht verstanden. Ich habe gedacht, dass ist eine Fantasie-Sprache oder Geräusch-Sprache halt. Das fand ich aber super.“
Zwar kam der kleine Maulwurf aus dem kommunistischen Ausland. Der Zugang zu seinen jungen Fans war aber nicht ideologisch geprägt. Er übernahm als Gut-Maulwurf eher die Aufgabe die Kinder zu Gut-Menschen zu erziehen. Das funktionierte im Osten wie im Westen. Und das funktioniert auch heute, 20 Jahre nach der Wende immer noch. Die Umfrage in Deutschland beweist es:
„Eines weiß ich noch. Der wollte immer seinen Freunden helfen, die immer Probleme hatten.“
„Wann haben wir das letzte Mal geguckt. Kam da nicht was mit der Schwalbe und dem Maulwurf? Was war denn da los?“ „Da kam ‚Der kleine Maulwurf braucht Hilfe’. Und eigentlich brauchte doch dann der Vogel Hilfe.“ „Und wer hat dem Vogel geholfen?“ „Der kleine Maulwurf.“ „Was hat der gemacht?“ „Der hat seine Verletzung behandelt und ihn in sein Bett gelegt.“ „Genau. Und das hast du gut gefunden, oder?!“ „Ja. Das war eine richtig gute Tat.“
Seinen Tunnel aus der kommunistischen Tschechoslowakei musste sich Krtek nicht selbst buddeln. Der Westdeutsche Rundfunk co-produzierte die beliebte Zeichentrickserie, die dann im Rahmen der „Sendung mit der Maus“ über die westdeutschen Fernsehschirme flimmerte, und bis heute flimmert. Kein Wunder also, dass Krtek auch in Deutschland noch viele kleine und große Fans hat, oder doch?
„Ich durfte das nie gucken. Ich bin nämlich zur Waldorf-Schule gegangen, und da guckt man kein Fernsehen.“
Noch ist Zeit, das nachzuholen. Und diejenigen, die Krtek noch aus der eigenen Kindheit kennen, bekommen vielleicht die Gelegenheit, gemeinsam mit ihrem Nachwuchs einen der beliebtesten tschechischen Fernsehexporte neu zu entdecken.
„Also ich denke ich werde wieder die Sendung mit der Maus gucken, wenn meine Tochter, die jetzt erst dreieinhalb ist, selber die Sendung mit der Maus guckt. Und ich bin schon gespannt, ob es den Maulwurf dann immer noch gibt.“
Die Chancen stehen gut.