Der Krieg im Irak und die tschechischen Medien
Liebe Hörerinnen und Hörer, so wie zum Ausklang jeder Woche, haben wir auch heute für Sie wieder das wichtigste und interessanteste aus den Kommentaren der tschechischen Medien zusammengefasst. Zu einer weiteren Folge von Im Spiegel der Medien begrüssen Sie recht herzlich Dagmar Keberlová und Robert Schuster.
Erstmals seit 1989 sind nämlich die meisten von ihnen durch eigene Korrespondenten oder zumindest freie Mitarbeiter auch direkt vor Ort des Geschehens präsent und versuchen somit authentisch von den aktuellen Entwicklungen zu berichten. An forderster Front steht dabei das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen CT, dessen Reporter Michal Kubal täglich in mindestens zwei oder drei Live-Schaltungen aus Bagdad berichtet. Er ist somit einer der wenigen ausländischen Journalisten, die auch nach dem Beginn der massiven Luftangriffe in der irakischen Metropole verblieben sind. Die übrigen tschechischen Journalisten, die gegenwärtig aus der Region berichten, befinden sich entweder in Kuweit, wo die tschechischen Spezialztruppen für den Kampf mit chemischen und biologischen Waffen stationiert sind, oder in den kurdischen Gebieten des Nord-Irak.
Während also die Reporter vor Ort berichten, widmen sich deren Kollegen in den Kommentarabteilungen der tschechischen Zeitungen Analysen, nicht nur bezüglich der Folgen dieses Krieges, sondern auch der Positionen Tschechiens.Ein Blick darauf werfen gleich zwei Kommentare, aus denen wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer nun auszugsweise zitieren wollen. Der erste stammte aus der Feder von Petr Fischer, dem Chefkommentator der Tageszeitung Lidove noviny. In seinem Beitrag mit dem Titel Die besonnenen Krieger bezieht Fischer Stellung zur relativ hohen Ablehnung des Kriegs unter der tschechischen Bevölkerung.
"US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld weiss vielleicht gar nicht, wie stark er sich täuschte, die neuen Mitglieder der NATO - einschliesslich Tschechiens - als neues Europa zu bezeichen, das im Gegensatz zu den Deutschen und Franzosen den amerikanischen Präventivschlag gegen den Irak versteht. Mindestens aber die Tschechische Republik sieht dabei ziemlich alt aus. Mehr als zwei Drittel der Tschechen sind nicht nur gegen den Irak-Krieg, sondern auch gegen die Doktrin Präsident Bushs, die auch bei anderen Ländern eine ähnliche Vorgangsweise vorsieht. Die Gründe dafür sind jedoch nicht in einer Art "Volkspazifismus" zu suchen, sondern darin, dass die Motive der Amerikaner die Tschechen nicht überzeugt haben - vor allem aber deswegen, weil sie nicht im Einklang mit den traditionellen europäischen rechtlichen und moralischen Schemen sind."
Eine andere Meinung vertritt Zbynek PetráÄek in der Wochenzeitschrift Respekt. Sein Kommentar trägt den Titel Prag wartet auf den Sieger.
"Vergangenen Donnerstag hat der wirkliche Krieg begonnen und damit für die Tschechische Republik auch ein grosses Problem. Auf wessen Seite steht Prag nun eigentlich? Sind wir nun Amerikas Verbündete, oder sind wir es nicht? Die Standpunkte der einzelnen Politiker sind so widersprüchlich, wie wenn alle verrückt geworden wären. Die tschechische Einheit, die in Kuweit stationeirt ist, wird sich strikt an ihr Mandat halten. Sollte Saddam in den nächsten Tagen Giftgas einsetzen, wird sich zeigen, dass die Amerikaner Recht hatten und die Tschechen sie dabei unterstützten. Dann werden wir zu den Siegern gehören. Kommt es aber nicht zum Erntsfall, stehen die Tschechen ebenfalls gut da, denn schliesslich waren sie von Beginn an in ihrer Unterstützung für die Amerikaner zurückhaltend."
Ein weiteres grosses Thema dieser Tage ist natürlich die Gestalt der künftigen Weltordung. Martin Fendrych macht sich im Wochenmagazin Tyden Gedanken über die Rolle der UNO nach dem Ende des Konflikts. Sein Kommentar trägt den Titel "Die unfähige UNO, das untätige Europa"
"Die UNO wurde in den letzten Monaten, nicht zum letztenmal, regelrecht ihrer Kleider entledigt. Zurückgeblieben ist ein entscheidungsunfähiger, zahnloser Verein, der sich lediglich auf solche Selbstverständlichkeiten einigen kann, wie z.B. die Lösung von humanitären Katastrophen. Bei wirklichen Krisen muss die UNO allerdings passen. Kein Wunder, schliesslich ist der UNO-Sicherheitsrat nachwievor nach einer Logik zusammengesetzt, die längst nicht mehr den Gesetzen der heutigen Welt entspricht."
In seinem Kommentar übt aber Fendrych auch Kritik am Standpunkt der meisten europäischen Staaten, an der Spitze mit Deutschland und Frankreich, wenn er abschliessend hinzufügt:
"Es reicht nicht einfach nur Nein zu sagen. Chirac und Schröder hätten einen realisierbaren Vorschlag präsentieren sollen. Beide hätten versuchen sollen, die Initiative nicht aus der Hand zu geben und zu zeigen, dass ihre Vorschläge weiser und besser sind, als die des geradlinigen, und von seiner Wahrheit tief überzeugten George Bush. Europa ist somit wieder einmal gescheitert, es schaffte nicht der Welt zu vermitteln, dass es den Frieden will, sondern musste die eigene Unfähigkeit eingestehen."
Verehrte Hörerinnen und Hörer, damit sind wir wieder einmal am Ende unserer heutigen Sendung angelangt. Für Ihre Aufmekrsamkeit bedanken und auf ein Wiederhören freuen sich Dagmar Keberlová und Robert Schuster.