In der Plattenbausiedlung Südstadt wird eine Kirche gebaut

Gemeindezentrum der Mutter Theresa (Projekt)
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In nahezu jeder Kreisstadt Tschechiens gibt es Kirchen, die auf eine lange Geschichte zurückblicken können. Die größte Prager Plattenbausiedlung, die Südstadt ("Jizni Mesto") ist mit ihren fast 90.000 Einwohnern mit einer solchen Kreisstadt vergleichbar, es fehlt hier jedoch nicht nur eine Kirche, sondern überhaupt ein würdevoller Raum, in dem beispielsweise größere Konzertveranstaltungen stattfinden könnten. Um dies nachzuholen, wird in der Südstadt ein Gemeindezentrum gebaut, das - wie seine Initiatoren sagen - eine geistliche Dimension in die Siedlung mitbringen soll. Mehr über das Projekt erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Thomas Oellermann.

Ein ungewöhnlicher Blick bot sich am Samstag, dem 27. August, in den Abendstunden den Vorbeigehenden am Rande des so genannten Zentralparks in der Prager Südstadt. Dort unweit der Endhaltestelle der Metro-Linie C "Haje", deren Ausgang direkt zwischen den langen Reihen grauer Plattenbaublöcke mündet, fand ein kleines Fest statt. Auf dem Podium, aber auch im Publikum konnte man nicht nur kirchliche Würdenträger, sondern auch Politiker und sogar einige bekannte Persönlichkeiten der tschechischen Musikszene sehen. Sie waren alle gekommen, um an der Grundsteinlegung des Gemeindezentrums der Mutter Theresa teilzunehmen. Der vom Prager Erzbistum initiierte Festakt zog die Aufmerksamkeit, nicht nur der Gläubigen aus der Umgebung, sondern auch vieler einfach nur neugieriger Bewohner der Siedlung an, die mehr über das Projekt erfahren wollten. Auf den Grundstein klopfte als erster Kulturminister Vitezslav Jandak, der erst seit einigen Tagen im Amt ist:

"Ich werde nicht an vielen Premieren teilnehmen, aber diese Premiere wollte ich mir nicht entgehen lassen."

Der Minister brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass mit dem Gemeindezentrum das geistliche und kulturelle Geschehen in den Ort zurückgebracht wird. Für die Errichtung des Gemeindezentrums setzt sich u. a. der populäre tschechische Texter, Publizist und Unternehmer Michal Horacek ein, der in Haje mit dabei war:

"Ich sprach in der letzten Zeit mit meinen Bekannten mehrmals darüber, dass in einer Prager Plattenbausiedlung eine Kirche erbaut wird. Ich muss zugeben, dass fast alle sehr erstaunt waren und sagten: Eine Kirche in einer Siedlung? Heutzutage? Ich staune auch, aber aus einem anderen Grund. Ich sage mir, erst heute baut man in einem Ort, wo 86.000 Menschen leben, eine Kirche? Erst heute, 15 Jahre nachdem wir uns als Gesellschaft entschieden hatten, in die so zu sagen normale Welt zurückzukehren, knüpfen wir an das Allernormalste überhaupt, an unser tausendjähriges Erbe an? Mir gefällt daran, dass es sich nicht nur um eine Kirche, sondern um ein Zentrum für die hiesige Gemeinschaft handeln wird."

In einem ähnlichen Sinne äußerte sich auch die Bürgermeisterin von Prag 11 Marta Sorfova:

"Ein Problem dieses Ortes, das hoffentlich immer kleiner wird, ist die Anonymität der Siedlung. Dies wird durch den gewaltigen Umfang der Häuser verursacht. Die Leute kennen sich gegenseitig kaum und oft finden sie nicht rechtzeitig den Weg zueinander. Ich wäre froh, wenn das Gemeindezentrum ihnen die Möglichkeit bieten würde, diesen Weg wieder zu finden. Es ist meiner Meinung nach gut, dass es sich dabei nicht nur um einen Sakralbau handeln wird, denn ich halte es für wichtig, dass verschiedene Möglichkeiten genutzt werden sollen, um etwas Bereicherndes zu teilen. Ich hoffe, dass es auch mehrere ähnliche Stellen in der Südstadt geben wird. Aus diesen Gründen begrüße ich die Errichtung des Zentrums."

Aber nicht alle Bewohner der Siedlung sind von dem geplanten Bau begeistert. Während der Grundsteinlegung protestierten einige Menschen dagegen, dass ein neuer Betonbau entsteht und sie brachten die Befürchtung zum Ausdruck, dass er sich später in etwas Kommerzielles verwandeln könnte. Die Bürgermeisterin dazu:

"Es wird die Aufgabe von uns Kommunalpolitikern sein, die Rolle des Zentrums zu erläutern. Denn wir stehen den Bewohnern am nächsten, sie wenden sich an uns mit den verschiedensten Fragen bzw. Beschwerden. Sobald das Gemeindezentrum eröffnet wird, können wir den Bürgern auch bestimmte Tipps geben, was sie dort veranstalten könnten und was ihnen auch Freude bringen würde."

Sängerin Eva Pilarova sorgte bei der Grundsteinlegung für die musikalische Begleitung. Wie kann man sich das Gemeindezentrum vorstellen? Hierzu befragte ich die Architektin Vitezslava Rothbauerova, die das Projekt entwarf:

"Es ist ein kreisförmiger Bau von einem 50 Meter-Durchschnitt. Der Bau wurde so entworfen, dass es da mehrere Eingänge gibt und dass die einzelnen Teile getrennt funktionieren können, ohne dabei miteinander verbunden zu sein. Diese Räumlichkeiten können aber auch im Inneren miteinander verbunden werden, sodass das Haus dann von außen geschlossen werden kann. Man kann dort dann auch eine größere Veranstaltung organisieren, wobei die Räumlichkeiten variabel genutzt werden."

Den wichtigsten Raum wird der Architektin zufolge eine Kapelle darstellen. Dieser liturgische Raum wird nicht variabel sein. Im Haus wird es des Weiteren einen Mehrzwecksaal geben, der selbständig genutzt werden kann. Es wird außerdem möglich sein, bei Bedarf die Kapelle um diesen Saal zu erweitern. Im Zentrum werden ein Klub für Mütter mit Kindern, weitere Klubräume sowie die notwendigen Nebenräumlichkeiten zur Verfügung stehen, wenn dort z. B. Theatervorstellungen veranstaltet werden. Die Architektin entwarf auch ein Cafe mit Konditorei und eine Bibliothek.

"Das Gebäude wird einen Turm mit Glocken haben, aber sonst ist der Bau sehr einfach. Er wurde als ein in einem Park stehendes Objekt entworfen. Es kann kaum mit den riesengroßen Häusern in der Umgebung konkurrieren. Der Platz bot die Möglichkeit, es als einen autonomen Bau zu entwerfen."

Einer der Gründe für den Bau des Zentrums war die bei weitem nicht ausreichende Kapazität der Räumlichkeiten, die die katholische Pfarrei im Stadtteil Chodov zur Verfügung hatte. Vorübergehend musste sie einen ehemaligen Kindergarten mieten. Karel Koci wirkt dort als Pfarrer erst seit Juli 2005:

"Ich hoffe, dass es kein verrückter Schritt war, als ich mit dem Lieferanten der Firma Metrostav am 1. Juli einen Vertrag über den Bau des Zentrums unterzeichnete. Probleme tauchen natürlich auch auf. Jeder Bau hat seine Gegner, auch hier gibt es einige. Sie stört vor allem die Tatsache, dass hier überhaupt noch gebaut wird. Es geht ihnen darum, dass mit dem Bau ein Stück Grünfläche verschwindet. Ich meine, dass das Zentrum künftig auch Menschen anlocken wird, die misstrauisch waren oder dagegen Einwände hatten."

Karel Koci sagt, das Klopfen auf den Grundstein sei nun kein leerer Schritt gewesen, schließlich wird mit dem Bau Mitte September angefangen.

Kardinal Vlk leitete die kleine Feier bei der Grundsteinlegung. Er sagte, er sei durch die Teilnahme vieler Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erfreut gewesen: