„Nie im Ghetto der Sakristei gelebt“ – Kardinal Vlk beerdigt
Am Samstag haben sich mehrere Tausend Menschen im Prager Veitsdom vom verstorbenen Kardinal Miloslav Vlk verabschiedet. Nach dem Trauergottesdienst wurde der kirchliche Würdenträger in der Gruft der Erzbischöfe beigesetzt.
Den Gottesdienst zelebrierte Vlks Nachfolger im Amt, Kardinal Dominik Duka. Er machte vor allem auf Vlks Bemühungen um die Erneuerung der Kirche nach der Wende von 1989 aufmerksam sowie auf dessen Verdienste um den Aufbau des kirchlichen Schulwesens und der Caritas.
Neben Vertretern der tschechischen Diözesen kamen auch mehrere kirchliche Würdenträger aus dem Ausland zum Trauergottesdienst. Unter ihnen der in Böhmen geborene Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Nach dem Gottesdienst wurde Kardinal Vlk in der Gruft der Erzbischöfe beigesetzt. Im Namen der Freunde des Verstorbenen hielt Kulturminister Daniel Herman (Christdemokraten) eine kurze Ansprache. Als Vlk nach der Wende von 1989 zum Bischof von České Budějovice / Budweis ernannt wurde, arbeitete Herman als dessen Sekretär. Nach dem Gottesdienst sagte der Kulturminister in einem Gespräch gegenüber Radio Prag:
„Kardinal Vlk war eine der größten Persönlichkeiten, die ich kennengelernt habe. Die Anfänge in Budweis waren natürlich schwer, weil kurz nach der Wende die Gesellschaft auf die Atmosphäre der Freiheit überhaupt nicht vorbereitet war. Der Raum der Freiheit hat sich im November 1989 eröffnet, und es gab die große Chance, diesen Raum zu füllen. Dies hat der Kardinal immer getan, sowohl in Budweis, als später auch in Prag. Er hat die Kirche in die Freiheit geführt. Darin bestand seine Rolle.“Kardinal Vlk hat zudem große Verdienste um die tschechisch-deutsche Zusammenarbeit. Wie sehen Sie seine Rolle in diesem Bereich?
„Die tschechisch-deutsche Versöhnung war eine der Prioritäten des Kardinals. Er hat viel Konkretes gemacht. Als erster Bischof von Budweis hatte er beispielsweise den ehemaligen deutschsprachigen Bewohnern der Diözese ein Schreiben geschickt, und er hat an vielen gemeinsamen Feierlichkeiten wie Wallfahrten teilgenommen. Für die tschechisch-deutschen Beziehungen hat er unheimlich viel getan. “
Hat er sich auch als emeritierter Erzbischof weiter engagiert und zu wichtigen Fragen der Kirche und Politik ausgesprochen?„Ja, das kann ich bestätigen. Sein Engagement war weiterhin sehr vielfältig. Er war Mitglied verschiedener päpstlicher Institutionen und hat sich im ökumenischen Dialog zwischen den Kirchen aber auch im interreligiösen Dialog stark engagiert.“
Sie standen Kardinal Vlk sehr nahe. War er doch nicht ein wenig enttäuscht von der Stimmung in der tschechischen Gesellschaft?
„Kardinal Vlk war ein Mann der Realität und hat immer seinen Finger am Puls der Zeit gehabt. Er hat nie in einem virtuellen Ghetto einer Sakristei gelebt. Darum hat er das normale Leben verstanden. Von einer Enttäuschung würde ich nicht sprechen, das wäre übertrieben. Aber seine Vorstellungen sahen bestimmt anders aus, als es die Wirklichkeit tat.“
Kam sein Verständnis für die Realität davon, dass er unter anderem als Fensterputzer gearbeitet hat?„Ja, schon. Er hat sieben oder acht Jahre lang als Fensterputzer in Prag gearbeitet. Das hat ihm geholfen, die Alltagssorgen kennenzulernen. Für ihn war es eine ,Hochschule des Lebens‘.“
Zu den Trauergästen gehörte auch der Vizepräsident der Böhmisch-Mährischen Gesellschaft für Psychologie, Jaroslav Šturma. Er sagte, er habe Kardinal Vlk 40 Jahre lang gekannt – und ihn für seine klare Haltung geschätzt.
„Er versuchte konsequent das zu erreichen, was er für wahr hielt. Das betrifft sowohl die Ansprüche an sich selbst, als auch auf an die Gesellschaft. Sein Wunsch war es, die Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Kommunismus innerlich zu erneuern, ihr wieder eine ,europäische Seele‘ zu verleihen. Dies war in den Zeiten nach der Wende nicht so einfach.“
Šturma war einer der Letzten, die den schwer kranken Miloslav Vlk besucht hatten.