Der Präsident, das rätselhafte Wesen – Zeman provoziert mit Vulgärsprache

Miloš Zeman (Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Wie vulgär darf ein Staatspräsident sein? Und warum greift der erste Mann im Staat in einem Radiointerview wiederholt zu den ordinärsten Ausdrücken, gleich zu welchem Thema er sich äußert? Diese Fragen stellt sich die politische Öffentlichkeit in Tschechien derzeit. Keine Woche nach dem missglückten Staatsfeiertag und dem Flug mit der Privatmaschine eines Industriellen sorgt Miloš Zeman für die nächsten Schlagzeilen. Die Verteidiger des meinungs- und ausdrucksfreudigen Präsidenten werden langsam rar.

Miloš Zeman  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Ein Interview vom Amtssitz in Schloss Lány hat den Skandal ausgelöst. Fast eine Stunde lang sprach Moderator Jan Pokorný am Sonntagabend mit Miloš Zeman. Die präsidialen Auslassungen – unter anderem zum umstrittenen Beamtengesetz und zur Lage in Russland – gingen live und ungeschnitten auf Sendung. Fernsehstationen und Zeitungen entschlossen sich danach, einige Aussagen lieber zu zensieren. Dies betraf zum Beispiel die Erklärungen Zemans, weshalb die russischen Aktivistinnen von Pussy Riot in seinen Augen keine politischen Verfolgten, sondern eine pornografische Gruppierung seien. Die Mitglieder bezeichnete er als "Nutten", und gleich mehrmals wiederholte der Präsident ein äußerst derbes tschechisches Wort für die Vagina.
Petr Fiala  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Seit seinem Amtsantritt inszeniert sich Zeman bewusst als unerschrockener Kommentator der Tagespolitik. Dass ihr Präsident kein Blatt vor den Mund nimmt, sind die Tschechen gewohnt. Dieses Mal erntete er jedoch Kritik aus allen Richtungen – auch von Politikern, die selbst keine größten Ansprüche an Political Correctness stellen.

Er habe das anfangs gar nicht glauben können, dass der Präsident solche Worte benutze, und es mache ihn traurig,

meinte der Vorsitzende der Bürgerdemokraten, Petr Fiala. Premier Bohuslav Sobotka zeigte sich besorgt um Zemans Einfluss auf die Jugend und das Bild Tschechiens im Ausland. Hana Marvanová war lange Jahre Parlamentsabgeordnete.

„So tief ist er in seinen Reden zuvor nie gesunken. Er hat auch in den 1990er Jahren schon sehr expressiv gesprochen. Das bewegte sich an der Grenze zu dem, was angemessen ist, vor allem über seine politischen Gegner. Aber dass er solch ausgesprochen vulgäre Wörter benutzt hat, die ich nicht einmal im privaten Kreis wiederholen würde, das gab es nicht. Falls es eine Taktik war, so war sie sehr schlecht. In den 1990er Jahren hatte Miloš Zeman noch ein gewisses Niveau, inzwischen hat er es verloren.“

Jan Veleba  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Im öffentlichen Diskurs findet sich kaum jemand, der Zeman verteidigt. Viele sehen das Amt des Präsidenten massiv beschädigt. Lediglich Jan Veleba, der Vorsitzende der Zeman nahestehenden Partei der Bürgerrechte (SPO), die nicht im Parlament vertreten ist, schlug sich im Tschechischen Fernsehen auf die Seite des Parteifreunds. Es handle sich um einen Befreiungsschlag, weil Zeman seit vergangener Woche übermäßig in der Kritik stehe.

„Der Präsident ist schon seit zwei Wochen das Opfer einer medialen Hetzkampagne, man kann das nicht anders nennen. Zum Beispiel hat die Zeitung Lidové Noviny nach der Reise des Präsidenten nach China mit der Schlagzeile ‚Die Rückkehr des nützlichen Idioten‘ getitelt. Und das war ein Artikel über den Präsidenten der Tschechischen Republik.“



Karel Schwarzenberg  (Foto: Miloslav Hamřík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der konsternierte Interviewer des tschechischen Rundfunks wollte am Sonntag vom Präsidenten wissen, warum dieser sich wiederholt der Vulgärsprache bedient habe. Die rätselhafte Antwort: „Ich habe mich von Herrn Schwarzenberg inspirieren lassen. Das Wort ‚Scheiße‘ benutzt der in jedem zweiten Satz. Und weil die Prager Kaffeehausgänger Herrn Schwarzenberg so gerne haben, wollte ich mich bei ihnen einschmeicheln.“

Der angegriffene Karel Schwarzenberg nahm die Angriffe mit Humor. Der Vorsitzende der Top 09 ließ verlauten, dass er die politischen Aussagen des Präsidenten nach wie vor für wesentlich schlimmer halte. Falls Zeman mit seinen vulgären Worten lediglich von den Inhalten ablenken wollte, so dürfte ihm dies gelungen sein.