Der Prager Stromovka-Park und seine verborgenen historischen Schätze
Die Sommerzeit ist auch die Zeit der Gärten und Parks. Manche Parks sind dabei ebenso bekannt wie die Städte selbst. Was für New York der Central Park, für London der Hyde Park und in Paris die Tulerien sind, das ist in Prag der Königliche Wildpark, der heute unter dem Namen Stromovka bekannt ist. Im Vergleich zu den Parkanlagen anderer Städte, hat die Stromovka - trotz ihrer idealen Nähe zum Zentrum der Stadt - ihren beschaulichen Charakter bewahrt. Die Eigenheit des Parks liegt vor allem in seiner einzigartigen Geschichte.
Auf den ersten Blick ist die Stromovka, der so genannte Baumgarten, ein Park wie jeder andere. Wer außer dem uralten Baumbestand, den zahlreichen Blumen und Wiesen und fast zahmen Eichhörnchen mehr über die einzigartige Geschichte erfahren will, der muss genau hinsehen. Bereits beim Eingang stoßen aufmerksame Besucher auf Urgestein, bestätigt die von der Stadt Prag beauftragte Expertin Vaclava Cermakova:
"Wenn wir von der Straße am Messegelände in die Stromovka kommen, liegt links der einzige und letzte erhaltene Teil der ursprünglichen Umrandungsmauer, mit der etwa im Jahr 1268 der Premyslidenkönig Otakar II. den Wildpark einzäunen ließ. Seine Grenze verlief seither unterschiedlich, doch Gott sei Dank beträgt die Fläche des Parks bis heute etwa 90 Hektar."
Vom 13. Jahrhundert an wurde die Stromovka als exklusives Jagdgehege und zu Vergnügungszwecken der Herrschenden genutzt. Doch erst Kaiser Rudolf II. widmete sich, seit seinem Umzug von Wien nach Prag im Jahr 1582, dem Park auf intensive Weise.
Bis heute sichtbares Zeichen sind die zahlreichen Seen und Teiche, die der kunstliebende und den neuen Wissenschaften aufgeschlossene Kaiser eigens anlegen ließ. Hinter einem kleinen Portal, über dem das Emblem Rudolfs II. - ein großes "R" mit Kaiserkrone - angebracht ist, verbirgt sich ein in Europa einzigartiges technisches Bauwerk: der Rudolf-Stollen. Tomas Kaiser vom Forstamt Prag erklärt dessen Beschaffenheit:
"Das Profil hier am Eingang ist bereits gemauert, das Gewölbe ist aus Ziegel und Stein. Es ist nicht das ursprüngliche Material, aber weitere Teile des Stollens sind aus dem Fels gehauen und dort ist das Profil des Tunnels nur aus dem Fels geschlagen worden."
Zwölf Jahre lang, von 1584 bis 1593, wurde der Stollen von den Baumeistern Lazarus Ercker und Jiri Oederer mit Hilfe von Bergarbeitern und der Bergbautechnik aus Kuttenberg, dem heutigen Kutna Hora, angelegt. Der über ein Kilometer lange und in 30 Meter Tiefe führende Kanal lässt bis heute Moldauwasser unter dem Stadtviertel Letna hindurch in die Seen des Stromovka-Parks fließen und nutzt dabei das über zehn Meter hohe Gefälle. Der vormals von Booten befahrbare Stollen ist heute für die Öffentlichkeit unzugänglich, wie Tomas Kaiser erklärt:
"Derzeit gibt es keine Möglichkeit zur Besichtigung und beide Seiten der Steige mussten beseitigt werden. Daher ist es derzeit nur möglich, durch den Kanal selbst zu gehen - und das auch nur in Gummistiefeln."
In dem kleinen Häuschen neben dem Eingang zum Stollen verbirgt sich eine Wasseranlage, die bereits über 80 Jahre alt ist und seit einem Monat wieder seine Funktion ausübt, wie Tomas Kaiser berichtet:
"In der Ersten Republik wurde hier eine Turbine installiert, die das Wasser aus der Moldau befördert. Anschließend wurde an die Turbine eine Pumpe angeschlossen, die das Wasser in den Wasserspeicher im oberen Teil des Stromovka-Parks pumpte und von dort aus das Wasser in die Springbrunnen und die Beregnungsanlagen verteilte."
Wer seinen Spaziergang in jenen oberen Teil des Stromovka-Parks fortsetzt, trifft unweigerlich auf das malerische Lustschloss, das sich über dem Park erhebt. Dieses am Ende des 15. Jahrhunderts unter dem Jagellonenkönig Vladislav erbaute Jagdschloss birgt in seinem Inneren einen besonderen Schatz der Geschichte. Seit 1949 ist hier die Zeitschriftenabteilung der Bibliothek des Nationalmuseums untergebracht. Wer möchte, kann einmal die Woche entweder in der ältesten erhaltenen Zeitung von Prag aus dem Jahr 1659 blättern oder sich in heutigen Zeitschriften und Zeitungen über das aktuelle Geschehen informieren. Der Leiter der Bibliothek, Martin Sekera, erzählt, dass die Sammlung vom Hochwasser im Jahr 2002 zum Glück verschont geblieben ist. Auf die Frage, ob bei den katastrophalen Verwüstungen des Jahrhunderthochwassers verborgene Schätze hoch geschwemmt wurden, bedauert Frau Cermakova:
"Ich glaube nicht, dass das Hochwasser verborgene Schätze ans Tageslicht gebracht hat. Im Gegenteil, das Hochwasser hat vieles zerstört, und wir mussten alles Mögliche entfernen. Und wenn die sterben, die sich noch erinnern können und mit denen ich hin und wieder im Park spreche, dann wird niemand mehr wissen, dass an der Stelle der ehemaligen Gartenbelieferungsstelle zwei Verstecke gegen Flugangriffe waren."
Bei schönem Wetter lohnt es sich, den Spaziergang noch bis zum hinteren Ende auszudehnen und ein Blick auf die letzten Reste der kaiserlichen Mühle zu werfen. Kaiser Rudolf II. hatte 1589 Ulriko Aostalli beauftragt, die Mühle zu einer weiträumigen Anlage mit Grotte und Teich, Steinschleiferei und Glashütte auszubauen. Heute ist die erhalten gebliebene Grotte inmitten einer Wohnanlage verborgen.
Wer die Stromovka über den westlichen Teil, den Ausgang Richtung Gotthardtkirche in Bubenec verlässt, bekommt auf der fast verwitterten Tafel, die am Tor zum Park angebracht ist, einen letzten "versteckten" Hinweis. Die Inschrift aus dem 19. Jahrhundert lobt in deutscher Sprache den gebildeten Burggrafen Jan Rudolf Chotek, der 1804 den Stromovka-Park und seine verborgenen Schätze allen Besuchern öffnete.
Fotos: Autorin