Designierter EU-Kommissar Kuzvart tritt unvermittelt von Kandidatur zurück

Milos Kuzvart und Vladimir Spidla

Es war zweifellos ein politischer Knalleffekt. Noch dazu einer, der weit über die tschechischen Grenzen hinaus wahrgenommen wurde - vor allem in Brüssel. Während einer Sitzung der sozialdemokratischen Abgeordnetenfraktion am Freitag früh hatte Milos Kuzvart, zu diesem Zeitpunkt noch designierter EU-Kommissar - seine Parteifreunde darüber informiert, er wolle doch nicht für das Amt zur Verfügung stehen. Grund: Er sehe sich von der tschechischen Regierung nicht ausreichend unterstützt. Einzelheiten von Gerald Schubert:

Milos Kuzvart und Vladimir Spidla
Vor allem dem christdemokratischen Außenminister Cyril Svoboda hatte Kuzvart mangelnde Unterstützung vorgeworfen. Svoboda jedoch weist die Anschuldigungen entschieden zurück:

"Mir erscheint das als kleingeistiges Stellvertreterargument. Die Vorstellung, dass irgendein Politiker oder etwa auch ein Unternehmer nur deshalb zurücktritt, weil irgendjemand ihm nicht seinen Segen gibt, ist einfach lächerlich."

Harte Worte des Außenministers in einer stürmischen Situation. Dass der sozialdemokratische Parteichef, Premierminister Vladimir Spidla, unmittelbar nach Kuzvarts Rückzieher einen Schwächeanfall erlitt und ins Krankenhaus abtransportiert wurde, das unterstrich noch die Krisendramaturgie der freitäglichen Ereignisse. Spidla ist mittlerweile wieder wohlauf, politisch herrscht in Prag jedoch vorerst Ratlosigkeit. Jan Zahradil, Schattenaußenminister der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei, meint: "Mit einem Wort gesagt: Es ist einfach ein Schande!" Und auch der sozialdemokratische Arbeitsminister Zdenek Skromach zeigt wenig Verständnis für seinen Parteifreund Kuzvart:

Milos Kuzvart - rechts  (Foto: CTK)
"Das ist sein persönliches Versagen, und ich glaube, dass die Angelegenheit für die Sozialdemokratie, aber auch für die Tschechische Republik insgesamt, sehr unangenehm ist. Ich denke, Kuzvart sollte jetzt zeigen, dass er ein ganzer Kerl ist, und von der Funktion, die er innehat, und die gut bezahlt ist, ebenfalls zurücktreten."

Die Funktion, von der Arbeitsminister Skromach spricht, ist die des einfachen Abgeordneten im tschechischen Parlament. Kuzvart jedoch winkt vorläufig ab: Sein Abgeordnetenmandat möchte er behalten.

Das, was die Politiker quer durch die Parteien so erbost, ist vor allem Art und Zeitpunkt von Kuzvarts plötzlichem Entschluss. Denn erst vor ein paar Tagen war dieser bei Kommissionspräsident Romano Prodi vorstellig geworden, um Koordinierungsgespräche zu führen. In Brüssel hatte man bereits fest mit Kuzvart gerechnet. Nun muss man in Prag im Eiltempo einen neuen Kommissar nominieren. Für die nun in Bedrängnis geratene Regierung keine leichte Aufgabe. Petr Mares, Vizepremier und Vorsitzender der liberalen Freiheitsunion:

"Wir müssen jetzt jemanden finden, der diesen - verzeihen Sie mir den Ausdruck - kompletten Reinfall in Brüssel wieder glätten kann. Und dabei sollten wir nicht an Parteizugehörigkeiten kleben, sondern eine wirklich fähige Person mit internationalen Erfahrungen suchen."

Mit einem neuen designierten EU-Kommissar rechnet man spätestens nächste Woche.

Wir bleiben vorerst beim Thema und bringen nun weitere Reaktionen und Kommentare, die Kuzvarts Rücktritt ausgelöst hat. Dagmar Keberlova hat das Wort.

Die Stellungsnahme der Delegation der Europäischen Kommission in Prag ist sachlich. Pressesprecherin Katharina von Schnurbein:

"Herr Präsident Prodi bedauert die Entscheidung, aber er respektiert sie. Romano Prodi wird unmittelbar in den nächsten Tagen mit Premier Spidla in Kontakt treten um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Kommission erwartet so bald wie möglich einen neuen Vorschlag von der Tschechischen Republik."

Die Reaktionen von tschechischer Seite sind viel kritischer. Beginnen wir beim Politologen Bohumil Dolezal, den wir hierzu befragt haben:

"Mich hat es sehr überrascht. Es ist ziemlich beschämend, nicht nur für diese Regierung, sondern für ganz Tschechien. Der Fall wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn es sich nicht einmal mehr um ein Versagen der Regierung handeln würde. Herr Kuzvart hat sich ungewöhnlich verhalten, wird nichtsdestotrotz weiter im Parlament sitzen und der Regierung Schwierigkeiten bereiten. Auch wenn die Sozialdemokraten ihn für sein Verhalten ausschließen wollten, würden sie die Mehrheit verlieren. Dieser Vorfall wird zu noch größerer Instabilität der bereits instabilen tschechischen Regierung führen."

Vladimir Spidla  (Foto: CTK)
In der EU sei dies bestimmt ein sonderbarer Fall. An einen ähnlichen - auch wenn es ihn bereits gegeben haben sollte - würde sich niemand erinnern. Jeder weitere tschechische Kommissar würde sicher besser sein als Kuzvart, meint Politologe Dolezal. Obwohl man sich ernsthaft fragen müsse, was von dieser Regierung in Zukunft noch zu erwarten sei. Kritisch der Regierung gegenüber zeigt sich auch ein weiterer Kommentar, diesmal eines Journalisten. Martin Komarek in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes meint, dass der zurückgetretene Kuzvart es so doch besser gemacht hat, als wenn er versucht hätte zu beweisen, dass er diesem Posten gewachsen sei. Die Regierung hätte mit der verfehlten Wahl allerdings gezeigt, dass sie im Bereich der Außenpolitik nur wenig kompetent ist. Jetzt werden die Parteien einen Dialog führen, den sie vor gut ein oder zwei Jahren führen hätten sollen, da sie genau wussten, dass diese Entscheidung zu treffen sein wird. Martin Zverina in der Zeitung Lidove Noviny sieht wiederum ein Problem darin, dass die Regierung nur sehr kurze Zeit hat, um einen neuen Kommissar auszuwählen und nur sehr wenig geeignete Kandidaten. Der diesmal gewählte Kommissar müsse sofort einsetzbar sein, und dürfe keine Zeit mehr mit dem Einstudieren der Fachterminologie verbringen. Egal wie der neue Kommissar arbeiten wird, alle seine Fehler werden auf die Rechnung von Premier Spidla gehen, meint Zverina und schließt mit einer Erinnerung an die im Juni bevorstehenden Wahlen fürs Europäische Parlament. Premier Spilda sollte anfangen, zu beten, dass diese für ihn nicht zu einer Niederlage würden.