Deutsche Botschaft ´89: Auch Tschechen erlebten Prager Flüchtlingsdrama hautnah mit
Die Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland wurde schon Ende August 1989 geschlossen. Die DDR-Flüchtlinge überstiegen den Zaun, um ins Areal der Botschaft zu gelangen. Offiziellen Zutritt zur Botschaft hatte niemand, auch die Medien nicht – bis auf wenige Ausnahmen. Zu den Ausnahmen gehörten die Vertreter des ARD-Studios in Prag und ein tschechischer Fotograf, dessen Dienste die Botschaft in Anspruch nahm.
Fotograf Josef Ptáček ist auch heute noch ergriffen vom Freiheitswillen der damaligen DDR-Bürger. Er war damals kein Journalist, sondern ein Regimegegner, der mit seinem Fotoapparat festhalten wollte, was rings um die Botschaft passierte, sagt Ptáček. Eines Tages, so Ptáček, habe sich das Botschaftstor geöffnet, der Botschaftsmitarbeiter Hans-Joachim Weber habe ihn hereingerufen und ihm diese Bitte vorgetragen:
„Wir brauchen dringend jemanden, der alle in die Botschaft geflüchteten Personen fotografiert. Wir brauchen von ihnen Passfotos.“
Ptáček sagte zu und hat dadurch mehrere Tage im Drei-Schicht-System gearbeitet: Tagsüber fotografierte er die Ausreisewilligen in der Botschaft, in der Nacht entwickelte er die Filme und am Morgen brachte er die Fotos zur Botschaft. Warum aber der ganze Aufwand? Den Grund nennt Pavel Roštlapil, der damals, wie er selbst sagte, als Aufnahmeleiter für das Prager ARD-Studio gearbeitet hat:
„Sie wissen wahrscheinlich, dass den DDR-Bürgern ihre Staatsbürgerschaft noch hier entzogen wurde, und zwar im Keller der damaligen DDR-Botschaft. Das haben wir gefilmt, durch das Kellerfenster!“
Als Mitarbeiter des ARD-Studios war Roštlapil gut informiert. Aber sicher nicht nur deshalb. Seinerzeit durfte ja nicht jeder x-beliebige Tscheche für den westlichen Fernseh- und Hörfunk arbeiten. Dennoch, auch Roštlapil war überrascht, wie unsicher die Vertreter der Macht in der damaligen ČSSR auf die für sie ungewöhnliche Situation vor der deutschen Botschaft reagierten:
„Ich habe eine deutsche Frau und einen deutschen Mann gesehen, die sich den vier Polizisten vor der Botschaft genähert haben. Als die beiden den Polizisten sehr nahe kamen, haben sich zwei der Polizisten plötzlich weggedreht und in die Luft gestarrt. Die beiden Deutschen konnten ungehindert passieren.“
Auch Fotograf Ptáček wusste zunächst nicht, ob er wegen seiner Tätigkeit von den Polizisten Repressalien zu befürchten habe. Nach und nach aber legte sich bei ihm die Angst – auch weil er mit eigenen Augen sah, zu welchen Opfern die DDR-Flüchtlinge bereit waren, um die Freiheit zu erlangen:„Die Leute gingen so weit, dass sie die Schlüssel ihrer DDR-Wohnungen aus der Tasche holten und sie beschriftet an die Bäume im Garten der Botschaft banden. In den meisten Fällen geschah das, um anderen zu ermöglichen, die von ihnen zurückgelassenen Wohnungen im Falle ihrer Ausreise zu nutzen.“