Deutschland will „Genschers Balkon“ in Prag kaufen

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Es ging in die Geschichtsbücher ein: das Palais Lobkowicz auf der Prager Kleinseite. Vor genau 20 Jahren flüchteten Tausende DDR-Bürger in die Botschaft der Bundesrepublik und erreichten auf diesem Weg ihre Ausreise in den Westen. Nun will Deutschland das geschichtsträchtige Gebäude kaufen, in dem es bisher nur zur Miete residiert. Der tschechische Staat als Eigentümer zeigt sich gesprächbereit.

Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der bundesdeutschen Botschaft in Prag,  30. September 1989  (Foto: ČTK)
Am 30. September 1989 verkündete der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der deutschen Botschaft den rund 4000 DDR-Bürgern, der Weg in den Westen sei für sie frei. 20 Jahre später rücken der so genannte „Genscher-Balkon“ und das Botschaftsgebäude auf der Prager Kleinseite erneut in den Mittelpunkt des Interesses. Und das nicht nur wegen der Vorbereitungen zum bevorstehenden 20. Jahrestag der Rede von Hans-Dietrich Genscher. Deutschland will nämlich das Gebäude nun kaufen, wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, am Montag in Berlin sagte:

„Hintergrund ist, dass es sich um eine wirklich sehr prominente Adresse in Prag handelt. Die berühmte Szene auf dem Balkon der Prager Residenz ist inzwischen fester Bestandteil unserer Geschichte. Das ist ein weiterer Grund, warum wir glauben, dass es angemessen wäre, wenn wir als Bundesrepublik Deutschland dieses Gebäude unser Eigentum nennen könnten.“

Und diesem Ziel sei man nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen, so Außenamts-Sprecher Plötner:

„Bereits Mitte der 90er-Jahre ist die Idee entstanden, dieses historische Objekt in Bundesbesitz zu überführen. Wir sind seit diesem Zeitpunkt regierungsintern, aber auch vor allen Dingen mit der tschechischen Seite in intensiven Gesprächen. Diese haben sich jetzt dergestalt verdichtet, dass wir übereingekommen sind, mit dem tschechischen Außenministerium gemeinsam einen Gutachter zu benennen, der den Wert des Gebäudes bemisst.“

Das Palais Lobkowicz heute  (Foto: ČTK)
Der Sprecher des tschechischen Außenministeriums, Milan Řepka, bestätigt dies gegenüber Radio Prag:

„Wir wissen vom Interesse Deutschlands; allerdings sind bisher noch keine Vereinbarungen getroffen worden. Derzeit laufen Expertengespräche zwischen den beiden Außenministerien.“

Als wahrscheinlichste Variante zeichnet sich derzeit ein Gebäudetausch ab:

„Im Gespräch als mögliches Tauschobjekt ist der ehemalige Standort der amerikanischen Botschaft in der Neustädtischen Kirchstraße in Berlin. Dieses Gebäude steht seit dem Umzug der amerikanischen Kollegen an den Pariser Platz leer. Das wäre ein mögliches Objekt, das im Gegenzug in tschechisches Eigentum übergehen würde“, erläutert Jens Plötner.

Sollte der Tausch zu Stande kommen, könnte die Tschechische Botschaft von der renovierungsbedürftigen ehemaligen Vertretung der ČSSR in der DDR an der Wilhelmstraße in die Seitenstraße der prestigeträchtigen Allee „Unter den Linden“ umziehen. Und Deutschland könnte spätestens den 25. Jahrestag der Genscher-Rede im eigenen Haus feiern.