Dialog und Lego-Ecke – Lange Nacht der Kirchen

Foto: Martina Schneibergová

Am vergangen Freitag waren in Tschechien mehr als 1600 Gotteshäuser und Gebetsräume für Besucher geöffnet. Zum insgesamt elften Mal fand die „Lange Nacht der Kirchen“ statt. In der Prager Erzdiözese schlossen sich 13 Religionsgemeinschaften mit mehr als 350 Sakralgebäuden dem Projekt an.

Foto: Martina Schneibergová

Jan Valeš  (Foto: Martina Schneibergová)
Konzerte, Führungen, Turmbesteigungen, Ausstellungen, Diskussionen, Filmvorstellungen, aber nicht nur das. Auch an einem vietnamesischen Gastro-Workshop konnten die Besucher teilnehmen, und zwar in den Räumlichkeiten der evangelischen Brüderkirche im Stadtteil Smíchov. Das Gebetshaus der Brüderkirche wurde 1903 errichtet. Jan Valeš ist dort Prediger und begrüßte jeden Besucher einzeln am Eingang. Kurz nach Start zur „Langen Nacht der Kirchen“ habe er über 20 Menschen gezählt, sagte er.

„Wir haben in unserer Gemeinde auch eine vietnamesische Familie. Von ihr können die Besucher lernen, wie Frühlingsrollen zubereitet werden. Ich glaube, das ist eine gute Idee, so etwas anzubieten. Natürlich kann man sich auch alle Räumlichkeiten und eine Kunstausstellung anschauen. Für Kinder haben wir zudem eine Lego-Ecke eingerichtet. Und nicht zuletzt organisieren wir in unserem Haus ein Escape-Spiel. Das Interesse ist sehr groß.“

Franziskus-Kirche im Prager Stadtteil Chodov  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Haus der Brüderkirche war zudem eine Ausstellung über die Geschichte der Religionsgemeinschaft zu sehen. Auch weitere Prager Gebetshäuser organisierten Vorträge, die entweder die Architektur des Sakralgebäudes oder allgemeinere Themen betrafen. Professor Tomáš Halík ist Soziologe, Religionsphilosoph und katholischer Priester. Nach seinem Vortrag in der vollen Franziskus-Kirche im Prager Stadtteil Chodov erntete er langen Beifall. Das Thema „Kirche und Gesellschaft“ hatte großes Interesse geweckt. Nach der Diskussion war Tomáš Halík bereit zu einem Gespräch darüber, wie sich die „Lange der Nacht der Kirchen“ hierzulande bewährt hat und was sie den Suchenden bringen kann.

„In Tschechien gibt es nicht sehr viele Gläubige, die sich einhundertprozentig mit der Kirche identifizieren. Aber es gibt sehr viele Suchende. Wir als Kirche sollten für die Suchenden da sein. Das soll aber keine Mission sein, um die Suchenden in die bestehenden institutionellen oder mentalen Strukturen der Kirche zu pressen. Wir sollten die Strukturen öffnen und mit Respekt einen Dialog mit den Suchenden aufnehmen. Ich bin davon überzeugt, dass die ,Lange Nacht der Kirchen‘ eine sehr positive Initiative ist. Die Inspiration stammt von jener Szene im Evangelium, als die Jünger Jesus fragen: ,Meister, wo wohnst du?‘ Und er sagte: ,Kommt und seht!‘ Das ist das, was wir heute machen: Wir laden Menschen ein, in die Kirchen zu kommen, sich umzuschauen und mit den Leuten zu sprechen. Dies sind eine Herausforderung und eine Inspiration für einen Dialog. Auch die Kirche hat dabei die Gelegenheit zu erfahren, was sie den Suchenden anbieten kann, was für die Außenstehenden interessant ist. Die Initiative stammt aus Österreich, und für uns bietet sie eine sehr wichtige Erfahrung.“

Kirche St. Johannes Nepomuk am Felsen  (Foto: Martina Schneibergová)
In der deutschsprachigen Pfarrei in Prag bei St. Johannes Nepomuk am Felsen wurde am Freitagabend viel musiziert. In einer kurzen Pause zwischen zwei Konzerten sagte Pfarrer Martin Leitgöb:

„Ich muss zugeben: Ich bin immer erstaunt, dass das Konzept der ,Langen Nacht der Kirchen‘ so gut funktioniert. Ich kenne es noch aus meiner Zeit in Österreich. Ich war schon bei der allerersten ,Langen Nacht der Kirchen‘ in Wien dabei. Für mich bietet das eine Gelegenheit, die Tore der Kirche ganz weit aufzumachen. Ich meine, dass dies die Menschen gerade in der sehr säkularen Gesellschaft Tschechiens gut anspricht. Was mir heute sehr stark aufgefallen ist: Wenn man so herumschaut, sieht man fast nur fröhliche, zufriedene Gesichter, man sieht Menschen, die sich gut miteinander unterhalten, die gut miteinander ins Gespräch kommen. Das ist für mich ebenfalls die ,Lange Nacht der Kirchen‘ – nicht nur Frömmigkeit, sondern auch die Menschen miteinander in Beziehung zu bringen.“