Die angenehm düsteren Landschaftsmalereien: Familie Piepenhagen in der Nationalgalerie
Seine Werke haben viele bekannte Persönlichkeiten bewundert, unter ihnen der Böhmerwalddichter Adalbert Stifter. Er hat den Maler auch auf seinem Sommersitz Jenerálka am Stadtrand von Prag besucht. In Prag hat sich der gelernte Knopfmacher Piepenhagen, der aus Soldin in Preußen stammte, 1811 niedergelassen. Neben seinem Handwerk widmete er sich sein ganzes Leben lang der Landschaftsmalerei und ist international bekannt geworden. Die künstlerische Begabung haben auch zwei seine Töchter geerbt. Eine Auswahl aus dem Werk der Familie Piepenhagen kann man zurzeit in einer Ausstellung in der Prager Nationalgalerie bewundern.
Burgruinen im Mondschein, Winterlandschaften, Felsen über tiefen Tälern, durch die ein einsamer Wanderer pilgert. Dies sind einige der Landschaftsmotive, die der Vater und die beiden Töchter Piepenhagen gern gemalt haben. Die Mitglieder der Familie Piepenhagen haben während des ganzen 19. Jahrhunderts gemalt. Denn August Bedřich Piepenhagen wurde 1791 geboren. Seine Tochter Charlotta starb 1902. Piepenhagen stammte aus Soldin bei Frankfurt an der Oder und war gelernter Knopfmacher und Posamenter. Er war sowohl in seinem Beruf, als auch in seinem Hobby – der Malerei – sehr erfolgreich. Das Handwerk lernte er bei seinem Vater. Als Wandergeselle begab er sich in die Schweiz. In Zürich lernte er den Maler Johann Heinrich Wuest kennen und studierte kurze Zeit bei ihm. Dann erst begann Piepenhagen zu malen. Im Grunde genommen sei aber Piepenhagen ein Autodidakt gewesen, meint die Kunsthistorikerin Naděžda Blažíčková-Horová, die die Ausstellung in der Nationalgalerie vorbereitet hat. Während der kurzen Zeit in der Schweiz habe er nur das Grundlegende von der Malerei lernen können, meint sie:
„Nach Prag ist Piepenhagen als Knopfmacher gekommen. Er wurde als Geselle beim Knopfmacher Jan Rissbitter in dessen Werkstatt im Haus Zur eisernen Tür in der Altstadt angestellt. Als sein Arbeitgeber starb, heiratete Piepenhagen die Witwe. Sein ganzes Leben lang leitete er die damals in Prag berühmte Posamentwerkstatt. Zudem hat er gemalt. Er und sein Freund, der Maler Josef Navrátil, haben vor allem die handwerkliche Seite der Malerkunst beachtet. Piepenhagen bemerkte einmal zu seiner Arbeit als Knopfmacher und als Maler Folgendes: ´Die Kunst sucht nach dem Brot, aber findet es im Handwerk.´ Obwohl Piepenhagens Knopfwerkstatt prosperierte, ist er schnell auch zu einem gefragten Maler geworden, dessen Werke gut verkauft wurden. Er beteiligte sich an den Ausstellungen des tschechischen Künstlervereins ‚Krasoumná jednota’ und konnte sich über Mangel an Kunden nicht beklagen.“Piepenhagen war ein romantischer Maler und gehörte noch zu den Künstlern, die sich die Landschaft ausgedacht hatten. Seine Tochter schrieb in ihren Memoiren, dass er in seinem Sommersitz Jenerálka hinter dem Fenster sogar Moos angepflanzt hat. In diesem Stück Moos habe sich der Maler die Landschaft vorgestellt, sagt Naděžda Blažíčková-Horová:
„Es war eine ideale, keine reale Landschaft. Piepenhagen flüchtete sich in seine Träume. Dieser Romantiker nutzte ständig einige beliebte Motive für seine Gemälde – beispielsweise den Pilger, der in die Ferne eilt. Dieses Bild stellte für den Maler die Verbindung des Künstlers mit der Natur dar. Seine Töchter haben das Werk nur im Stil des Vaters weiter fortgesetzt. Piepenhagen war ein Maler, der nie die Landschaft draußen gemalt hat.“
Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1850 war der Maler mit seinen Töchtern oft auf Reisen. Er besuchte Deutschland, Belgien und Frankreich, was seine Zeichnungen belegen.
„Auf den Reisen hat er viel gezeichnet. Allein in der Nationalgalerie gibt es an die 250 Zeichnungen. Es sind kleine Skizzen, auf denen er verschiedene Motive notierte, die er später in die Landschaft auf seinen Gemälden übertrug. Eine solche Landschaft mit allen diesen Motiven hat es jedoch in der Wirklichkeit nie gegeben.“Die Zeichnungen waren für den Maler eine Art Musterblätter. Diese Musterblätter mit verschiedenen Landschaftsmotiven verschickte er durch die Vermittlung seiner Bekannten und Freunde an die Kunden. Einer der Freunde, der dem Maler dabei half, war auch der Böhmerwalddichter Adalbert Stifter. Die Kunden wählten das gewünschte Motiv und präzisierten nur das Format des Bildes, und Piepenhagen lieferte ihnen dann das fertige Gemälde.
Piepenhagen hatte vier Töchter, zwei von ihnen, Charlotta und Louisa, haben auch gemalt. Wenn man sich die Ausstellung anschaut, stellt man fest, dass sich die Motive der beiden Malerinnen von den Motiven ihres Vaters nicht unterschieden. Vor allem die Gemälde von Charlotta Piepenhagen waren sehr gefragt und wurden teuer verkauft. 1879 verkaufte sie ihre fiktiven Landschaftsmalereien für 2000 Gulden. Diese Summe überschritt die übliche Summe, für die Werke anderer Maler verkauft wurden. Zu der Zeit hätten jedoch andere Maler völlig realistische Landschaftsbilder gemalt, sagt die Expertin:„Es war nicht einfach, die Ausstellung aus dem Werk von August Bedřich Piepenhagen und seinen Töchtern Charlotte und Louisa zusammenzustellen. Die Grundlage für die Präsentation bildeten die Zeichnungen und etwa 460 Ölgemälde, die die Nationalgalerie besitzt. Mehrere Werke wurden von anderen Institutionen sowie von Privatpersonen ausgeliehen. Bei den Vorbereitungen haben wir festgestellt, dass es sehr viele Gemälde von Piepenhagen eben in den Privatsammlungen gibt und dass sie ein gefragter Artikel für die Sammler nicht nur im 19. Jahrhundert waren, sondern dass sie immer noch sehr gefragt sind.“
Von den tschechischen Malern der Zeit war Piepenhagen vor allem mit Josef Navrátil sehr befreundet. Navrátil besuchte oft Piepenhagens Sommersitz auf dem Gut Jenerálka bei Prag. Heute gehört der Ort zum sechsten Stadtbezirk. Die beiden Maler entstammten demselben Milieu, meint die Kunsthistorikerin:„Sie bezogen beide den so zusagen ´bürgerlich-handwerklichen´ Standpunkt im Unterschied zu einem anderen romantischen Maler der Zeit, Antonín Mánes. Mánes bewegte sich mit seinen aristokratischen Mäzenen in einem anderen Umfeld als Piepenhagen und Navrátil. Sie fanden die meisten Kunden in den bürgerlichen Kreisen und blieben dem Milieu, aus dem sie stammten, treu. Piepenhagen sowie Navrátil konnten sehr gut davon leben, was sie in ihren Werkstätten herstellten. Nebenbei haben beide gemalt, unabhängig vom Kundeninteresse. Trotzdem waren sie sehr gefragt. Sie malten nur das, was ihnen Spaß machte. Die beiden Künstler haben sich gegenseitig beeinflusst. Eine Zeit lang ließen sie sich durch die holländischen Maler des 17. Jahrhunderts inspirieren. Sie liebten das Motiv des Schiffsbruchs, der bei Van Ruisdael und Van der Neer auftaucht. Es ist interessant, die Gemälde, die 200 Jahre später als die holländischen Werke entstanden sind, mit den Vorbildern zu vergleichen.“
Zu den passionierten Bewunderern Piepenhagens gehörte der Böhmerwalddichter Adalbert Stifter. Er hat Piepenhagen zweimal im Sommersitz Jenerálka besucht. Durch den Sommersitz des Malers war Stifter jedoch enttäuscht, wie man aus seinen Erinnerungen erfahren kann.„Die Freundschaft zwischen den beiden Künstlern entstand, soviel ich weiß, nachdem Stifter einige Gemälde von Piepenhagen gesehen hatte. Stifter hat seine Landschaftsmalereien das ganze Leben lang bewundert. Für den Katalog haben wir einen langen Brief von Stifter ausgesucht, in dem er Piepenhagens Werke lobt. Stifter war aber nicht nur Schriftsteller, sondern er malte selbst auch. Und da kann man sagen, dass ihn eben Piepenhagen beeinflusst hatte.“
Die Ausstellung aus dem Werk von August Bedřich Piepenhagen und seinen Töchtern Charlotta und Louisa ist im Georgskloster auf der Prager Burg bis Ende April 2010 zu sehen.