Die beleidigten Politiker im schlechten Kino

Prager Magistrat

Obwohl seit den Kommunalwahlen bereits drei Wochen vergangen sind, ist es in einigen Städten immer noch unklar, wer regieren wird. Alle tschechischen Tageszeitungen kommentieren in ihrer Freitagausgabe die Koalitionsverhandlungen in der Hauptstadt Prag.

Prager Magistrat
Denn obwohl die konservative TOP 09 dort die Kommunalwahlen mit 30,3 Prozent der Stimmen klar gewonnen hat, schienen die unterlegenen Bürgerdemokraten (ODS) in den letzten Tagen eher bemüht, eine große Koalition mit den Sozialdemokraten zu bilden. Zudem ließ die Prager ODS verlauten, die TOP 09 habe sie beleidigt, als sie auf eine enge Verflechtung bestimmter Unternehmerkreise mit der ODS im Prager Magistrat hingewiesen hat. Martin Komárek schreibt in der Tageszeitung Mladá fronta Dnes:

Bürgerdemokraten verhandeln in Prag auch mit Sozialdemokraten  (von links: Jiří Dienstbier Junior,  Karel Březina und Boris Šťastný). Foto: ČTK
„In einer Stadt mit einem 50 Milliarden Kronen-Budget zu regieren, ist eine große Beute. Jeder Posten im Stadtrat ist Gold Wert. Aber er enthält auch ein Risiko. Im Prager Magistrat mit seinem so stark ruinierten Ruf kann man als Politiker auch sehr leicht ruiniert werden. Aber die Politiker sind da, um diese Risiken einzugehen. Große Koalitionen der ODS mit der ČSSD sind überall außer in Prag aus langfristiger Sicht nicht klug, aber man kann sie entschuldigen (…) Wenn es aber die rechten Parteien in Prag nicht schaffen, sich zu einigen, beweisen sie nur ihre politische Unfähigkeit.“

Daniel Kaiser nennt in der Lidové noviny den Kampf um den Prager Magistrat ein „schlechtes Kino“. Er fragt:

„Ist es möglich, dass über die Regierung in einer Stadt mit einem 50 Milliarden Kronen-Budget solche Zufälligkeiten entscheiden? Der eine beleidigt den anderen, und der andere ist während der einigen Tage, die bis zum Ende der Verhandlungen bleiben, nicht imstande, die angebliche Beleidigung zu übergehen (…) Premier Nečas und der ODS-Führung macht das massenhafte Schließen von großen Koalitionen in großen Städten Sorgen. Die Bereitwilligkeit der Parteikollegen, mit der ČSSD auch dort Koalitionen zu schließen, wo es nicht notwendig wäre, schwächt die Autorität des Premiers und schadet seinem Reformimage.“

Václav Klaus  (Foto: www.vlada.cz)
Ondřej Neumann von der Hospodářské noviny schenkt seine Aufmerksamkeit den Aussagen von Präsident Klaus. Die geplante Verfassungsbeschwerde der Sozialdemokraten gegen die Art, wie das Kabinett im legislativen Notstand die Spargesetze im Unterhaus durchsetzte, nannte Klaus „das Ende der Demokratie“. Dagegen bricht die Welt nach Meinung von Klaus wegen einer großen Koalition von ODS und ČSSD nicht zusammen. Der Kommentator:

„Übersetzt also: Wenn Sie sich gegen eine zweckmäßige Deutung der Verfassung wehren, bestatten sie damit die Freiheit. Wenn Sie aber den Willen der Wähler ignorieren, wenn Sie alles, was Sie vor den Wahlen versprachen, nicht einhalten, dann ist alles in der besten Ordnung. So sprach der erste Bürger der Republik.“