"Die Instabilität bleibt" - der Politologe Bohumil Dolezal zu den Wahlen 2006
Die beiden großen Parteien außergewöhnlich stark und zugleich ein Patt zwischen den politischen Lagern: Was ist von dem Wahlergebnis in Tschechien zu halten? Thomas Kirschner sprach mit dem Politologen Bohumil Dolezal von der Prager Karluniversität.
"Die Zukunft der Regierung ist sehr unsicher - das ist allerdings kein großen Unterschied im Vergleich zu dem, was hier vorher war: Die letzte Koalition war auch sehr schwach, und davor gab es eine Minderheitsregierung mit der nicht offiziellen Unterstützung der stärksten Oppositionspartei - der so genannte Oppositionsvertrag. Das heißt also, die Instabilität ist nichts Neues, sie setzt sich nur fort, aber das ist selbstverständlich nichts Gutes für die Tschechische Republik. Etwas paradox ist, wie Sie erwähnt haben, dass beide großen Parteien dabei zugleich die besten Ergebnisse ihrer Geschichte erreicht haben."
Derzeit am wahrscheinlichsten ist eine Dreier-Koalition aus ODS, KDU-CSL und Grünen. Abgesehen davon, dass es eben fast die einzige reale Möglichkeit ist: Was kann diese Koalition im Inneren zusammenhalten?"In erste Linie ist hier die Frage wichtig, ob die Grünen es schaffen, geeint zu bleiben, denn die Partei ist einem sehr starken Druck von Seiten der Sozialdemokraten ausgesetzt, das steht außer Zweifel. Der zweite Punkt ist, dass die Vorstellungen der Grünen von denen der ODS in gewissen Fragen, vor allem in der Außenpolitik, grundverschieden sind. Ich glaube, es wird sehr schwer sein, da einen Kompromiss zu finden - einen Kompromiss zwischen dem Euroskeptizismus und den engen Bindungen an die USA bei der ODS einerseits und dem Europäismus und Antiamerikanismus bei den Grünen."
Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen und Erklärungen im Wahlkampf liegt ja auch noch die Möglichkeit einer großen Koalition auf dem Tisch. Die hätte dann allerdings eine geradezu erdrückende Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Halten Sie eine große Koalition für möglich und für wahrscheinlich?
"Ich hoffe, dass es dazu nicht kommen wird, dann das würde bedeuten, dass die Opposition völlig marginalisiert wird. Glücklicherweise sind die Spannungen zwischen den beiden großen Parteien so stark, dass es verhältnismäßig schwierig sein dürfte, diese Spannungen jetzt so zu überwinden, dass eine große Koalition möglich wird."Wenn wir uns die Wahlergebnisse der anderen, kleinen Parteien anschauen, dann muss man feststellen, dass sich die Wähler diesmal ganz eindeutig von den Parteien abgewandt haben, die den Umfragen zufolge von vornherein keine Chance hatten, ins Parlament zu gelangen. Ist das ein Anzeichen für ein neues Wählerverhalten in Tschechien?
"Ich glaube, die Leute haben heute pragmatischer gewählt als in der Vergangenheit. Ich muss aber sagen, dass die kleinen Parteien daran auch mit selbst Schuld tragen, denn es ist ihnen nicht gelungen, den Wählern eine echte interessante Alternative zu dem zu bieten, was die im Parlament vertretenen Parteien propagieren."
Zum Schluss noch eine Frage zu den Sozialdemokarten: Die haben einerseits mit mehr als 30 Prozent der Stimmen ein herausragendes Ergebnis eingefahren, andererseits aber voraussichtlich die Regierungsverantwortung verloren. Wie schätzen Sie das ein: Haben die Sozialdemokraten die Wahl gewonnen oder verloren?"Ich glaube, Sie haben verloren, und vor allem Premierminister Paroubek hat verloren. Denn so wie es jetzt aussieht, ist eine Minderheitsregierung der Sozialdemokraten mit kommunistischer Unterstützung nicht möglich. Es wird letztlich davon abhängig sein, ob es Paroubek nicht gelingt, zwei Grünen-Abgeordnete für diese Konstellation zu gewinnen, aber das ist nicht wahrscheinlich, weil die Grünen nur voraussichtlich acht Abgeordnete im Parlament haben werden - und bei acht Leuten findet sich ein Dissident schwieriger als bei 25. Ich glaube für Paroubek ist das Ergebnis kein Triumph, sondern allenfalls eine erfolgreiche Niederlage."