"Die Kraft des Dialogs": Daniel Herman an der Spitze des Instituts für das Studium totalitärer Regime
Am Montag tritt der neue Leiter des Instituts für das Studium totalitärer Regime Daniel Herman sein Amt an. Der frühere katholische Priester und Sprecher der Tschechischen Bischofskonferenz wird somit der vierte Direktor sein, der seit der Gründung des Instituts vor zwei Jahren an dessen Spitze stehen wird. Warum dieser Posten so ein Schleudersitz ist und mit welchen Herausforderungen Daniel Herman konfrontiert werden wird, erfahren Sie von Robert Schuster in der folgenden Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz
Für viele Beobachter kam die Wahl Daniel Hermans zum neuen Direktor des Instituts für das Studium totalitärer Regime unerwartet. Einerseits fiel die Entscheidung des Aufsichtsrats sehr klar aus, nämlich fünf zu zwei Stimmen zu dessen Gunsten. Insbesondere aber der Umstand, dass Herman im Gegensatz zu einigen anderen seiner insgesamt acht Mitbewerber kein Historiker ist, war überraschend.
Bedeutet also die Berufung Hermans einen Neubeginn bei der in den letzten Monaten stark in die Schlagzeilen geratenen Institution? Einen Neuanfang sollte es schon einmal geben, nämlich vor anderthalb Monaten. Damals wurde der Historiker Jiri Pernes zum Direktor gewählt und versprach alles anders und besser zu machen. Doch schon nach wenigen Tagen geriet Pernes wegen einiger umstrittener Personalentscheidungen in die Kritik. Wenig später schwächten Enthüllungen über Pernes´ Verstrickungen mit dem kommunistischen Regime zusätzlich seine Position. Als er aber noch zusätzlich mit mehreren Plagiatsvorwürfen konfrontiert wurde, berief ihn der Aufsichtsrat ab, und es wurde ein neues Auswahlverfahren eingeleitet.Um Ähnlichem vorzubeugen, hat der neue Institutsdirektor Daniel Herman bereits im Vorfeld erklärt als Priester vor der Wende eine Loyalitätserklärung gegenüber dem Staat unterschrieben zu haben, ohne die er nicht die Möglichkeit gehabt hätte als Geistlicher tätig zu sein.
Über seine Ziele erklärte Daniel Herman unmittelbar nach seiner Wahl im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk:
„Ich will die Situation im Institut zunächst von innen her kennen lernen, denn ich komme ja von außen. Ich glaube an die Kraft des Dialogs. In meinem bisherigen Leben habe ich mehrfach die Erfahrung machen können, dass diese Zugangsweise funktioniert. Schon während meiner Vorbereitung auf das Auswahlverfahren habe ich viele Meinungen eingeholt, manchmal waren sie konträr, aber dennoch hatten sie etwas gemeinsam. Und auf diese Gemeinsamkeiten will ich bauen. Die Ausrichtung des Instituts ist von Beginn an sehr gut, jetzt geht es darum, dass das Institut seine Aufgabe erfüllt.“
Worin sieht Daniel Herman selber die Ursachen dafür, dass das Institut für das Studium totalitärer Regime in jüngster Zeit immer wieder in Schwierigkeiten geriet?
„Da ist sicherlich eine Reihe von Faktoren mit im Spiel. Ich denke, einer davon hängt mit einer gewissen verringerten Fähigkeit der tschechischen Gesellschaft zusammen, der eigenen Vergangenheit in die Augen zu schauen, sich mit ihr auseinander zu setzen. Anhand der Erfahrungen aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, bin ich der Überzeugung, dass diese Auseinandersetzung möglich ist. In den zwanzig Jahren, die seit dem Fall des Kommunismus vergangen sind, konnte sich eine neue Generation etablieren. Das ist eine gute Gelegenheit sich - ohne heftige Emotionen - mit dieser Vergangenheit zu beschäftigen und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, damit sich so etwas nie mehr wiederholt. Es geht also um die Bereinigung des historischen Gedächtnisses der Gesellschaft, was nicht leicht ist. Darin sehe ich die Ursachen, warum im Institut selber diese Probleme entstehen konnten.“Wird Daniel Herman versuchen auch neue Schwerpunkte bei den Themen zu setzen, mit denen sich das Institut bislang befasst hat?
„Sehr wichtig ist ein Projekt, welches sich zum Ziel setzt, den so genannten Dritten Widerstand zu dokumentieren, also alles, was mit dem Widerstand gegen das kommunistische Regime zusammenhängt. Ich will nicht verhehlen, dass einer der Gründe dafür auch die knappe Zeit ist, die noch verbleibt, denn viele Akteure der damaligen Ereignisse und wichtige Zeitzeugen sind schon häufig in einem hohen Alter. Mit ihrem Tod könnten deren wertvolle Erinnerungen und Erfahrungen für immer verloren gehen. Das wird sicherlich eine der Prioritäten werden.“
Die Erwartungen, die an Daniel Herman gestellt werden, sind hoch. Einerseits wird positiv bewertet, dass er eine wichtige persönliche Erfahrung in sein Amt mitbringt. Schließlich bekennt er sich zu den jüdischen Wurzeln seiner Familie, die teilweise von den Nazis ermordet wurde. Aber auch als katholischer Geistliche, der noch in der Zeit des Kommunismus gewirkt hat, hat Erfahrung mit einem unterdrückerischen Regime.
Dennoch steht die Frage im Raum, ob es nicht ein Problem ist, dass Herman kein Historiker ist? Wird darunter seine Autorität und somit auch jene des Instituts, nicht leiden? Darüber unterhielten wir uns im Folgenden mit Michal Pehr vom Masaryk-Institut der Akademie der Wissenschaften. Pehr gehört zu der Generation der jungen Historiker, denen sich – im Einklang mit der Zielsetzung des neuen Direktors - mit dem verstärkten Akzent auf die Aufarbeitung der Vergangenheit während der deutschen Besatzung und der Zeit des Kommunismus, ein neues und breites Betätigungsfeld eröffnen würde. Seine Reaktion auf die Bestellung Daniel Hermans fällt dennoch ein wenig reserviert aus:
„Zum Direktor des Instituts sollte zweifelsohne jemand ernannt werden, der über die Fähigkeiten eines Managers verfügt, gleichzeitig sollte er aber auch, wenn möglich, Experte sein bei jenen Themen, mit denen sich das Institut beschäftigt. Ich will natürlich die Fähigkeiten von Herrn Heman im Vorfeld nicht in Zweifel ziehen. Zudem ist es guter Brauch jemanden Neuem hundert Tage Zeit zu lassen, damit er sich mit der ganzen Materie vertraut machen kann. Es steht außer Zweifel, dass das Institut mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen hat, wobei die bisherige Interimsleitung begonnen hat diese allmählich zu lösen. Es bleibt also die Hoffnung, dass auch unter der Leitung von Daniel Herman dieser Kurs fortgesetzt wird.“
Ist die ganze Auseinandersetzung rund um das Institut für das Studium totalitärer Regime nicht auch ein Konflikt unterschiedlicher Generationen von Historikern? Es ist schon auffallend, dass hinter den größten Enthüllungen des Instituts, die in der Öffentlichkeit das meiste Aufsehen erregten, in den meisten Fällen junge Historiker zu finden waren? Hören Sie dazu noch einmal den Michal Pehr vom Masaryk-Institut der Akademie der Wissenschaften:
„Das ist gar nicht so sehr ein Generationenkonflikt, als ein Konflikt über das Konzept des Instituts, seine Aufgaben und das, was man von so einer Institution erwarten soll. Es stimmt, dass nach außen hin es so aussieht, als ob sich da unterschiedliche Historiker-Generationen gegenüber stehen würden. Ich persönlich empfinde das allerdings nicht so und verstehe das Ganze als einen Konflikt über die grundsätzliche Ausrichtung des Instituts und die Frage wie über die Zeit der Nazibesatzung und des Kommunismus geforscht werden soll.“