Die Krux mit der guten Beschäftigungslage: Arbeitskräftemangel in Tschechien
Tschechien hat mit knapp über fünf Prozent mit die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa. Und die Wirtschaft brummt weiter. Allein deswegen ist es auch kein Wunder, dass die Arbeitgeber über einen Mangel an Arbeitskräften klagen. Doch die Gründe dafür sind vielfältig.
„Der tschechische Arbeitsmarkt leistet zurzeit Großartiges und die Menschen hier finden im Großen und Ganzen immer eine Arbeit. Man kann sagen, dass jeder, der arbeiten will, auch eine Beschäftigung findet. Und das nicht nur im Raum Prag oder Pilsen, wo die Erwerbslosenquote bei unter vier Prozent liegt.“
Doch die gute Beschäftigungslage am Arbeitsmarkt bringt auch Probleme mit sich, vor allem für die Arbeitgeber. Es wird immer schwerer, geeignete Arbeitskräfte für ihre Unternehmen zu finden. Das liegt jedoch meist nicht nur am Unterangebot an Fachkräften, sondern oft an den Chefs selbst. Lukáš Kovanda:„Die einzige Lösung wäre, auch wenn sie den Arbeitgebern nicht gefällt, die Löhne zu erhöhen. Die Chefs haben sich in den vergangenen sieben Krisenjahren - also von 2008 bis 2014 - angewöhnt, dass sie die Herren des Arbeitsmarktes sind. Die Leute klopften bei der Arbeitssuche an deren Tür und nahmen jede Stelle. Die Arbeitgeber mussten dazu nicht die Löhne erhöhen oder andere Vergünstigungen anbieten.“
Heute seien die Arbeitnehmer halt wählerischer, fügt Kovanda noch hinzu.
Markéta Schormová von der tschechischen Industrie- und Handelskammer sieht dabei noch ein weiteres Problem. An sich kämen auf die über 100.000 offenen Stellen knapp 390.000 Arbeitssuchende. Doch ganz so einfach ist es nicht, beide Dinge zusammenzubringen:„Es besteht hier ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen offenen Stellen und vorhandenen Arbeitskräften. Da kommen mehrere Faktoren zusammen: Unzureichende Qualifikationen und Fähigkeiten oder der fehlende Wille, für die Arbeit umzuziehen. Dazu ist besonders die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen schwierig. Die Statistiken zeigen ja, dass die Menschen eigentlich nicht vermittelbar sind, wenn sie mehr als ein Jahr arbeitslos sind.“
Eine Möglichkeit, die fehlenden Fachkräfte doch noch zu bekommen, ist ein Zuzug von qualifiziertem Personal aus dem Ausland. Vor allem aber Menschen aus Drittstaaten sind insbesondere aus bürokratischer Sicht für die Arbeitgeber mehr Fluch als Segen. Auch den jüngsten Bemühungen der Regierung zum Trotz, die gerade mehr Ukrainer nach Tschechien locken wollte. Dazu Markéta Schormová:„Falls ein Arbeitgeber jemanden aus einem Drittstaat anstellen möchte, muss er zunächst sicher sein, dass für die Stelle kein Tscheche vorhanden ist. Zudem sind dafür Fristen festgesetzt durch die geltenden Gesetze, die ebenso eingehalten werden müssen. Für jeden Unternehmer ist jedoch jeder Tag im Geschäftsleben entscheidend für Gewinn oder Verlust. Die Beschäftigung von Arbeitskräften aus einem Drittstaat ist tatsächlich keine Frage von Tagen, sondern von Monaten.“
Doch gerade die Beschäftigten aus Drittstaaten arbeiten als ungelernte Kräfte und für weniger Geld als die Einheimischen, wie auch ein Unternehmer aus der Baubranche, der an dieser Stelle Jewgenij genannt werden möchte, bestätigt:„Tschechen wollen oft nicht auf dem Bau arbeiten. Und wenn doch, dann nur auf Positionen für Fachkräfte, die schon besetzt sind. Größtenteils sind die Einheimischen auch die, die Fachkenntnisse mitbringen.“