"Die mächtigste Frau in der Männerwelt"
Wenn wir die tschechischen Tageszeitungen vom Mittwoch aufschlagen, lacht uns in jeder Ausgabe Angela Merkel entgegen. Die offiziellen Stimmen beschränken sich jedoch bisher meist auf Glückwünsche. Der tschechische Premierminister Jiri Paroubek erhofft sich, dass die tschechisch-deutschen Beziehungen auch weiterhin zukunftsorientiert bleiben. Die Kommentare der tschechischen Medien fasst Bara Prochazkova zusammen.
"Es gibt keinen Grund zu denken, dass die Wahl von Angela Merkel zur Kabinettschefin ein Ergebnis der Gleichberechtigungspolitik ist. Zum Erfolg in der Männerwelt haben ihr nicht der weibliche Charme, die weibliche Intuition oder irgendwelche anderen typisch weiblichen Eigenschaften geholfen. Eher im Gegenteil. Sie musste sich in ihrer Kariere den männlichen Politikstil zu eigen machen. Sie musste mehr Mann sein, als ihre Kollegen. Gerade die Aufmerksamkeit, die der Tatsache gewidmet wird, dass Deutschland nun eine Kanzlerin hat, zeigt, dass es sich um keine Selbstverständlichkeit sondern um eine Ausnahme handelt. Der Einfluss von Frauen auf weltpolitische Entscheidungen wird nach der Wahl der Kanzlerin nicht höher sein, sondern weiterhin gegen Null tendieren."
Lubos Palata von der Tageszeitung Lidove noviny sowie Zita Senkova von der Mlada fronta Dnes bemerken, dass Angela Merkel eine gewisse Nähe zu Tschechien hat. Angela Merkel hat in ihrer Jugend als Hospitantin im Institut für Chemie an der Prager Akademie der Wissenschaften gearbeitet, sie versteht tschechisch und hat für ihre tschechischen Freunde eine Nähmaschine über die Grenze geschmuggelt. Merkel werde es aber schwieriger haben, als ihre Vorgänger im Kanzleramt, sind sich beide Kommentatoren einig. Aber Angela Merkel habe es eigentlich nie leicht gehabt, kommentiert Zita Senkova:
"Protestantin in einer Partei, die von katholischen Männern dominiert wurde und eine Reformpolitikerin, die in drei Jahren aus einer von Spendenskandalen belasteten Partei eine Regierungspartei machte. Im Finale ums Kanzleramt musste sie tiefe Erniedrigungen und Intrigen überstehen. Aber auch jetzt findet sie keine Ruhe. Es erwarten sie in der politischen Vernunftehe mit der SPD noch weitere Kämpfe mit dem Koalitionspartner. Angela Merkel wurde zur Kanzlerin gewählt, jetzt muss sie auch eine Kanzlerin werden."