Die Moldau, die Menschen und die Möwen

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Auf einer Strecke von 31 Kilometern begleitet sie Prag: die Moldau. Dabei umrundet sie 10 Inseln und fliesst unter 18 Brücken hindurch, so auch z.B. unter der Karlsbrücke, eine der ältesten Steinbrücken Europas. Melanie Thun hat sich auf eine Moldaufahrt begeben.

Stimmengewirr erfüllt das Sonnendeck des Schiffes TomᚠBata. Anhand von Sprachfetzen kann man erahnen, woher die Passagiere auf dem Schiff stammen: So versucht eine Frau aus den Niederlanden, ihr Baby zu beruhigen, Engländer lesen einander aus dem Reiseführer vor und Japaner strecken die Beine aus. Mit einem kaum hörbaren Brummen legt das Schiff ab. Sein Ziel: die Sehenswürdigkeiten der Stadt Prag. Der Vorteil einer Moldaufahrt wird nach wenigen Metern deutlich: Langsam gleitet Prags steinerne Historie an einem vorbei, ohne das man lange Wege auf dem Kopfsteinpflaster zurücklegen muss. Viele Passagiere lassen die alten Gemäuer wie im Traum an sich entlangziehen. Eine Zufriedenheit, die aber nicht immer der Fall ist, so Zdenìk Fric, Organisator des Schiffes:

Die Leute haben verschiedene Wünsche, die sehr ungewöhnlich sein können. So hatten wir Passagiere, die Pirat spielen wollten. Alle solche Sachen. Andere wollten schwimmen. Springen ins Wasser - das kann natürlich auf dem Schiff nicht sein.

Doch den Passagieren heute reicht der Anblick der Karlsbrücke völlig. Während Menschenmassen auf ihr schlendern, gleiten wir zwischen zwei Pfeilern der Brücke hindurch - zum Ärger der Möwen. Die haben es sich auf Pollern vor der Brücke bequem gemacht und scheinen uns mit einem skeptischen Kreischen verscheuchen zu wollen. Ohne Erfolg - stattdessen beginnt unser Schiff hinter der Karlsbrücke mit einem Tanz auf dem Wasser. Erst wendet es sich nach links und stoppt. Kaum einer kann der offensichtlichen Aufforderung, doch bitte jetzt ein Foto zu machen, widerstehen. Dann kommt die Drehung nach rechts und erneut stehen die Maschinen still. Bitte jetzt die Burg fotografieren! Neben uns schleichen andere Schiffe wie die Schnecken über die Moldau und führen den gleichen Tanz auf: So kann nachher die ganze Welt die gleichen Fotos ins Album kleben. Doch erst steht noch eine Begegnung mit den Möwen bevor: Wieder fahren wir unter der Karlsbrücke hindurch und wieder stimmen die Möwen ihre Protesthymne an, dass nur ihnen die Moldau gehört. Ein Blick auf das bräunliche Moldauwasser gibt ihnen eigentlich recht, doch trügt - so Zdenìk Fric, Organisator des Schiffes - der äussere Schein:

Wir sagen, das ist physisch schmutzig, aber chemisch ist es sauber. Da sind sehr viele Fische, die angeln hier Fische jeden Tag. Das ist kein Problem.

Doch die Passagiere auf dem Schiff fallen wieder in Trance und lassen eine Brücke nach der nächsten über sich hinweggleiten. Nach knapp einer Stunde wartet dann wieder die harte Realität des Prager Kopfsteinpflasters.

Autor: Melanie Thun
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