Die politischen Parteien und die EU - Teil 1: Die Freiheitsunion
In der letzten Woche vor dem EU-Beitritt Tschechiens haben wir für Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, eine Mini-Serie zu den politischen Parteien vorbereitet. Von Montag bis Freitag hören Sie jeden Tag ein Portrait einer der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien und ihrer Haltung zur Europäischen Union. Wir beginnen mit der kleinsten Regierungspartei, der liberalen "Freiheitsunion" (Unie svobody). Das Wort hat Gerald Schubert:
"Ich habe vorgeschlagen, nicht in diese Regierung einzutreten und bei den Abstimmungen im Abgeordnetenhaus nur die Dinge zu unterstützen, die den Beitritt zur EU und den Kampf gegen Korruption betreffen."
Marvanovas Ansinnen fand in der Freiheitsunion damals nicht genügend Unterstützung. Die sozialliberale Koalition wurde aus der Taufe gehoben und regiert seither mit einer Abgeordnetenmehrheit 101 zu 99. Die gemeinsame positive Grundhaltung in Fragen des EU-Beitritts darf hier ruhig als eine Klammer gesehen werden, die dieser wackeligen und ansonsten auch ideologisch breit gefächerten Koalition doch relative Stabilität verleiht. Gerade die Freiheitsunion, die als klassische wirtschaftsliberale Partei in vielen Fragen eine völlig andere Haltung einnimmt als die Sozialdemokratische Partei von Regierungschef Vladimir Spidla, hat sich, nicht zuletzt im Interesse der gemeinsamen Europapolitik, als kompromissbereiter Koalitionspartner erwiesen. Wenn auch - und hier liegt die Krux - immer wieder rebellische Abgeordnete die Stabilität der Regierung ins Wanken bringen.
Der Chef der liberalen Abgeordnetenfraktion, Karel Kühnl, verbindet die Europäische Union auch mit einer intensiveren Zusammenarbeit der kleineren Staaten Mitteleuropas. Als ehemaliger Emigrant in Österreich war er von den in den letzten Jahren schwelenden bilateralen Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern auch persönlich enttäuscht. In letzter Zeit aber wimmelt es ja nur so von Versprechen, künftig vermehrt aufeinander zugehen zu wollen. Sind diese Versprechen auch glaubwürdig? Karel Kühnl:
"Die Glaubwürdigkeit, wirklich zur Zusammenarbeit bereit zu sein, muss sich nun in der Europäischen Union zeigen. Und ich bin absolut davon überzeugt, dass sich zeigt, dass wir, die mitteleuropäischen, kleineren Länder, viele gemeinsame Interessen haben, und dass wir zwangläufig zusammenarbeiten werden. In eigenem Interesse. Ich bin also optimistisch, und ich glaube: wenn wir einmal am gleichen Tisch sitzen, dann werden all diese Verkrampfungen, die aus der Vergangenheit herrühren, verschwinden."