Die Prager Stadtpolizei, dein Freund und Helfer?
Ich lebe wirklich gerne in Prag. Doch manchmal schäme ich mich für meine Wahlheimat. Kürzlich war es wieder einmal so weit. Was ist passiert? Meine Kollegin – nennen wir sie Jana, ihren richtigen Namen verrate ich lieber nicht – kam zu mir und fragte mich um Rat. Sie hat auf ihrem Auto einen Strafzettel gefunden - samt der Aufforderung, zu einer Aussage auf der Wache der Stadtpolizei zu erscheinen. So weit, so banal. Mit einem entscheidenden Unterschied: Jana ist nicht aus Prag. Und sie sitzt im Rollstuhl.
Vielleicht hilft ja ein Anruf bei der Stadtpolizei, dachten wir uns. Gesagt getan, doch die Antwort des Polizisten ist eindeutig: „Am Telefon gibt es keine Auskünfte. Und wer Auto fahren kann, der kann auch zu uns kommen.“
Also machen wir uns auf zur Wache der Stadtpolizei in der Nähe des Prager Hauptbahnhofs. Ein düsterer Gang, der schon lange keinen Besen mehr gesehen hat, führt in das Gebäude. „Zur Stadtpolizei“ verrät uns ein Wegweiser, der nach rechts zeigt. Und wir stehen vor 10 bis 15 steinernen Stufen. Mit vereinten Kräften kommen wir nach oben und stehen kurz darauf in der Abteilung für Ordnungswidrigkeiten. In einem schäbigen großen Raum trennt uns eine Holzwand mit behelfsmäßigen Schaltern von den Beamten. Jana sieht nur Holzfurnier, denn das matte Fensterchen ist viel zu hoch für sie. Der Beamte auf der anderen Seite des Schalter-Verschlages begutachtet das Strafmandat und konstatiert, dass Jana falsch geparkt hat. Aber sie hat doch einen europäischen Ausweis für Rollstuhlfahrer und der gilt doch auch in Tschechien, oder? Ja, aber nicht in einer Anwohner-Parkzone. Darüber haben Sie sich gefälligst zu informieren, bevor Sie ihr Auto abstellen, belehrt uns der Beamte, den man – hätte er nicht eine Polizei-Uniform an – glatt mit dem Türsteher in einem nicht besonders gut beleumundeten Lokal verwechseln könnte. Hätten wir ja gerne, doch die Recherche im Internet ergab ebenso wenig wie ein Anruf im zuständigen Stadtbezirk Prag 1. Nach längerer Debatte verliert der Herr Stadtwächter – so nennt man die Beamten der städtischen Polizei in der tschechischen Umgangssprache nicht gerade respektvoll - die Geduld und erklärt die Sache für erledigt. Ohne Strafe. "Aber das nächste Mal, da wird es teuer", gibt er uns mit auf den Weg. Klar, die Arbeit eines Polizisten ist nicht immer leicht. Erst recht nicht in einer Millionenstadt wie Prag mit jeder Menge sozialer Spannungen. Aber so lange die Prager Stadtpolizei Zeit hat Rollstuhlfahrern Strafmandate hinter den Scheibenwischer zu klemmen, kann es so schlimm nicht sein. Und dass man trotz einer alles andere als leichten und angenehmen Arbeit den Bürgern höflich und zuvorkommend begegnen kann, das zeigen jeden Tag die Beamten der staatlichen Polizei. Umso ärgerlicher ist das Verhalten der Stadtwächter in einer Stadt, in der man unbehelligt auf Zebrastreifen und Fahrradspuren parken kann, in einer Stadt, in der jedes Jahr mehrere Fußgänger totgefahren werden. In einer Stadt, in der es jede Menge Egoisten gibt, die meinen, mit ihrem dicken Geländewagen noch in die kleinste Altstadtgasse fahren zu müssen, um dort auf dem Gehweg vor dem Szenelokal zu parken. Natürlich unbehelligt, denn man hat ja „gute Beziehungen“.