Die Prager U-Bahn heute und morgen
Vor kurzem hat die Prager Metro ihren 35. Geburtstag gefeiert. Am 9. Mai 1974 wurde der erste Abschnitt der roten Linie C zwischen den heutigen Stationen Florenc und Kačerov eröffnet. Wir haben darüber in unserem „Kapitel aus der Tschechischen Geschichte“ berichtet. Heute zählt das knapp 60 Kilometer lange Netz drei Linien mit 57 Stationen. Über den heutigen Betrieb und die Zukunft des Verkehrsmittels im Prager Untergrund erfahren Sie mehr in unserem "Schauplatz":
1978 wurde das erste Teilstück der grünen Linie A eröffnet, ab 1985 ging die gelbe Linie B in Betrieb. Die gelbe Linie war es auch, die als erste auf ihrer kompletten Länge fertig gestellt wurde: Am 8. November 1998 wurde das letzte Teilstück zwischen Českomoravská und Černý most eröffnet. Exakt 25 Kilometer und 704 Meter misst die umgangssprachlich „Beetschko“ genannte Linie, 41 Minuten dauert die Fahrt vom östlichen Stadtrand quer durch das Zentrum bis in den äußersten Westen von Prag. Somit ist die Line B die längste im Prager Netz.
Seit einem Jahr ist auch die rote Linie C auf ihrer gesamten Länge in Betrieb. Am 8. Mai 2008 wurden die drei Stationen bis Letňany eröffnet. 22,4 Kilometer ist die „Ceetschko“ lang. Die Verlängerung der Linie an den nördlichen Stadtrand ist das bisher umstrittenste Vorhaben des Prager U-Bahn-Baus: Fährt man von der Endstation Letňany an die Oberfläche, steht man inmitten von Rapsfeldern. Ein großangelegtes Busterminal und ein Park-and-Ride-Platz sollen für die nötige Fahrgastfrequenz sorgen. Dennoch hat man wenige Monate nach der Erweiterung beschlossen, jeden zweiten Zug in der bisherigen Endstation Ládví enden zu lassen. Kaum war er auf der Linie B abgeschafft, kehrte der bei den Pragern äußerst unbeliebte so genannte „pásmový provoz“ – wörtlich übersetzt - „Abschnittsbetrieb“ - wieder zurück. Diesmal auf der Linie C. Der Prager Verkehrsstadtrat Radovan Šteiner verteidigt die Entscheidung:
„Fahrgastzählungen haben eine derzeit schwächere Auslastung auf diesem Abschnitt ergeben. Die Stadtentwicklung im Bereich Letňany steht erst am Anfang. In zehn Jahren wird die Siedlungsdichte viel größer sein. Um einen wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten, müssen wir die Beförderungskapazität der Nachfrage anpassen.“
Die Linie C sei die Linie mit dem dichtesten Intervall in Prag: In der Hauptverkehrszeit fahre zwischen Háje und Ládví alle eineinhalb Minuten ein Zug, nach Letňany komme man also trotz des kritisierten Abschnittsbetriebes alle drei Minuten, so Šteiner.
Auch der Generaldirektor der Prager Verkehrsbetriebe DPP, Martin Dvořák, erwartet in Zukunft eine Steigerung der Nachfrage:
„Ich war erst kürzlich auf einer Inspektion vor Ort. Wie ich festgestellt habe, war der Park-and-Ride-Platz zu 80 Prozent belegt, und auch die umliegenden Straßen waren voller geparkter Autos. Zudem enden alle Busse aus den umliegenden Dörfern an der Station Letňany. Die Station hat also durchaus ihre Berechtigung, auch wenn der Wohnungsbau in der Umgebung noch auf seinen Boom wartet. Die Fahrgastzahlen haben sich genau nach unseren Erwartungen entwickelt.“
Noch nicht fertig gebaut ist die grüne Linie A. Die letzte Erweiterung gab es im Jahr 2006, als die Station Depo Hostivař eröffnet wurde. Dabei nutzte man die bestehende Gleisverbindung zum Metro-Depot und zur Zentralwerkstätte und richtete in einer der Werkshallen die Station ein. Angeschlossen ist auch dort ein großes Bus-Terminal für die Erschließung der Vororte. Und wie in Letňany ist auch auf diesem Abschnitt die Nachfrage schwach. In der Stoßzeit endet deshalb jeder zweite Zug eine Station früher, in der bisherigen Endstation Skalka.
Mehr Fahrgastpotenzial verspricht die vor wenigen Tagen im Gemeinderat beschlossene Verlängerung der Linie A – von den Pragern „Aatschko“ genannt – am anderen Ende.„In einer ersten Etappe bauen wir vier neue Stationen: von der bisherigen Endstation Dejvická nach Motol. Wir haben schon die Baugenehmigung, also können wir jetzt die Arbeiten ausschreiben und im Herbst mit dem Bau beginnen“, so Verkehrsbetriebe-Direktor Dvořák. Ab 2013 soll das größte Prager Krankenhaus, die Uni-Klinik in Motol dann mit der U-Bahn erreichbar sein. Im Endausbau soll die Strecke bis zum Flughafen in Prag-Ruzyně führen. Die Finanzierung für dieses Projekt ist allerdings noch nicht gesichert. Somit steht auch das genaue Datum der Eröffnung in den Sternen, vor 2018 scheint dies wenig realistisch. In ferner Zukunft könnte auch der von Anfang an geplante Weiterbau am östlichen Ende Realität werden: Von der Station Strašnická ginge es über die Gartenstadt – Zahradní město – zum Bahnhof Hostivař. Jeder zweite Zug würde dann wie bisher im Depo Hostivař oder in der Skalka enden, die übrigen den neuen Abschnitt bedienen.
Weit konkreter sind die Planungen für den Bau einer völlig neuen Linie, wie der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém erläutert:
„Die neue Linie D Náměstí Míru – Pankrác – Písnice ist deshalb sehr bedeutend, weil sie bisher schlecht erschlossene Siedlungen im Prager Südosten erschließen wird. Und sie wird auch für die in diesem Bereich überlastete Linie C eine Erleichterung bringen.“
Die Planungen für die Strecke sind zwar bereits weit fortgeschritten, doch auch für dieses Projekt fehlt bisher das Geld. Dennoch soll bereits 2016 der erste Abschnitt in Betrieb gehen.
„Prag als zwölftreichste Region Europas kann für den Bau der U-Bahn keine EU-Gelder in Anspruch nehmen. Mit einer Ausnahme: 290 Millionen Euro, die Prag im Rahmen des tschechischen EU-Beitritts bekommen hat. Die verwenden wir für den Ausbau der Linie A.“
Oberbürgermeister Bém will daher den Staat verstärkt in die Pflicht nehmen, der bisher nicht zum U-Bahn-Bau beiträgt. Statt viel Geld für eine Abwrackprämie für alte Pkw auszugeben, solle der Finanzminister lieber in den Ausbau der Prager Metro investieren. Dies brächte weit mehr Vorteile für die Umwelt, so Bém.
Um die Kosten zu senken, will die Stadt Prag beim Bau der Linie D neue Wege gehen. Teile der Strecke sollen oberirdisch geführt werden, und dank moderner Technik will man auch die Betriebskosten niedrig halten, wie Verkehrsstadtrat Radovan Šteiner erklärt:
„Wir haben lange überlegt, ob wir auch die neue Linie nach den bisherigen sowjetischen Parametern bauen sollen. Also tief unter der Erde, so, wie es damals auch aus Gründen des Zivilschutzes und vor dem Hintergrund eines möglichen Atomschlages nötig war.“
Tatsächlich sind die Stationen der Linien A und B im Prager Stadtzentrum mit schweren Stahltoren und speziellen Lüftungssystemen ausgerüstet, um im Kriegsfall als Luftschutzbunker zu dienen.
„Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass die Vorteile einer so genannten Leicht-Metro überwiegen. Wir haben einige Studien ausarbeiten lassen, auch von Experten aus Deutschland und Frankreich. Frankreich hat die größten Erfahrungen mit solchen automatischen Leicht-Metros. In Deutschland hat Nürnberg vor kurzem die erste fahrerlose U-Bahn in Betrieb genommen. Wir stehen in engem Kontakt zur Nürnberger Verkehrs-AG und lassen uns beraten.“Im Gegensatz zu Nürnberg oder Paris will man in Prag aber die bestehenden U-Bahn-Linien nicht auf fahrerlosen Betrieb umstellen. Dazu wären die Investitionen zu hoch. Und wohl auch die Widerstände von Seiten der Gewerkschaft, wie Verkehrsbetriebe-Chef Dvořák anmerkte.
Doch neben der Erweiterung des U-Bahn-Netzes investieren die Verkehrsbetriebe auch in den Straßenbahnbetrieb. 1995 und 2003 wurden neuen Schnellstraßenbahnstrecken im Süden der Stadt eröffnet.
„Zurzeit läuft gerade die groß angelegte Erneuerung des Wagenparks. Wir kaufen nicht nur neue Straßenbahnen, sondern bauen auch ältere Fahrzeuge zu modernen Niederflurwagen um. Gleichzeitig sanieren wir laufend die vorhandenen Strecken. Aber wir haben auch einige Projekte für Neubauten oder Streckenverlängerungen. Wir müssen mit der Stadt über die Finanzierung verhandeln. Es geht nur um eines: Geld, Geld, Geld.“
Eine Stilllegung von Straßenbahnstrecken im Zuge des Metro-Ausbaus sei hingegen nicht geplant, so der Generaldirektor der Prager Verkehrsbetriebe Martin Dvořák gegenüber Radio Prag.