Die Regierung Zeman nach drei Jahren

Die sozialdemokratische Minderheitsregierung, die vor drei Jahren an die Macht gekommen ist und diese auf Grund des sogenannten Oppositionsvertrags mit den Bürgerlichen bis jetzt ausübt, hat das anfängliche Misstrauen der Wähler gegenüber ihr aufzufangen vermocht. Dies gelang ihr namentlich durch Erfolge in der Wirtschaftspolitik wie der Privatisierung der Banken und der Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen durch ein Programm von Investitionsanreizen. Der Verzicht auf eine tief greifende Reform des Sozial- und Rentensystems sowie das bedrohlich ansteigende Defizit der öffentlichen Finanzen sind Minuspunkte der Regierung. Mehr dazu von Rudi Hermann.

Mit nicht sehr viel Kredit in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation gestartet und von Ministerpräsident Milos Zeman selbst als Kabinett von Selbstmördern bezeichnet, hat die sozialdemokratische Minderheitsregierung nach drei von vier Amtsjahren einige Erfolge vorzuweisen, die ihr Bild in der Öffentlichkeit verbessert haben. Als Minderheitsregierung ist das Kabinett Zeman nur auf der Basis des sogenannten Oppositionspaktes mit der Demokratischen Bürgerpartei ODS handlungsfähig. Das Abkommen besagt, dass die ODS als grösste Oppositionspartei die Sozialdemokraten relativ ungestört regieren lässt, so lange gewisse Richtlinien namentlich im wirtschaftlichen Bereich eingehalten werden. Zu diesen Richtlinien gehört etwa die schrittweise Reduktion des zentralen Haushaltsdefizits. Gerade diese braucht das relativ ausgabenfreudige Kabinett Zeman nicht allzu sehr zu stören, denn die grossen Fehlbeträge sind ohnehin nicht im Zentralhaushalt, sondern in Nebenrechnungen versteckt.

Die Sozialdemokraten gaben seinerzeit das Wahlversprechen ab, die tschechische Wirtschaft aus der Rezession zu führen. Dies ist zweifelsfrei gelungen, denn im Jahr 2000 wurden mit überraschenden 2,9% realen Wirtschaftswachstums erstmals nach zwei Jahren der Schrumpfung wieder positive Zahlen geschrieben, und in diesem Jahr dürfte sich das Wachstum noch beschleunigen. Wenn eine Frage gestellt werden darf, dann diese, ob es sich nicht mindestens zum Teil um zyklisches Verhalten der Wirtschaft handelt, das ohnehin eingetreten wäre. Ein klares Verdienst der Sozialdemokraten besteht hingegen in der Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen in die Tschechische Republik dank einem Programm von Investitionsanreizen.

Als Grossinvestitionen wären etwa der Entscheid des Volkswagenkonzerns zum Bau eines Motorenwerks in Mlada Boleslav und die Investition des Elektronikunternehmens Philips zum Bau einer Fabrik für Fernesehbildschirme in der Kleinstadt Hranice na Morave zu nennen; bei beiden dürfte das Investitionsförderungsprogramm der Regierung eine Rolle gespielt haben. Und dieser Kapitalzufluss hat zweifelsohne auch eine Auswirkung auf die Wirtschaftsentwicklung. Ein weiterer Pluspunkt, den diese Regierung verbuchen konnte, ist der Abschluss der Bankenprivatisierung in Tschechien. Es ist etwas paradox, dass es die Sozialdemokraten waren, die zwei von vier halbstaatlichen Grossbanken privatisierten, eine dritte, schon in die Wege geleitete Privatisierung zu Ende führten und die vierte der früheren Staatsbanken in einer etwas abenteuerlich anmutenden und namentlich von den Bürgerlichen heftig angegriffenen Aktion wohl vor dem Bankrott bewahrten. Paradox deshalb, weil die konservativen Regierungen unter dem bürgerlichen Ministerpräsidenten Klaus früher von der Notwendigkeit der Bankenprivatisierung mit Vorliebe gesprochen, aber nur gesprochen hatten - aus Gründen, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Die Sozialdemokraten hatten gegenüber dem Entstaatlichungsprogramm der Banken hingegen zu Beginn wenig Enthusiasmus gezeigt, sich in letzter Konsequenz aber als die effizenteren Privatisierer erwiesen.

Auch Minuspunkte gibt es bei der sozialdemokratischen Regierung allerdings zu vermelden. Der entscheidendste ist wohl, dass sie eine dringend nötige Reform des Renten- und Sozialversicherungssystems nur halbherzig an die Hand genommen hat. Das Klagelied der Finanzminister, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgaben des Staates einen hohen Prozentanteil des Staatsbudgets auffressen und der Spielraum in anderen Bereichen sich damit einengt, dürfte somit so schnell nicht ein Ende haben. Und schliesslich weckt das Anwachsen des Defizits der öffentlichen Finanzen, das 1997 noch 2 Prozent des Brutto-Inlandprodukts ausmachte und heuer schon bei exorbitanten 9,4 % anlangen dürfte, das Stirnrunzeln sowohl der hiesigen Finanzexperten wie auch internationaler Institutionen.

Autor: Rudi Hermann
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