Die Stammwürze - eine bierernste Sache

Touristen hat sie irritiert, Tschechen haben sich an ihr orientiert - die Zahl 10 oder 12 mit dem Prozentzeichen dahinter auf tschechischen Bierflaschen und Zapfhähnen. Christian Rühmkorf hat mit dem Brauereimeister David Mares von der Brauerei Ferdinand über die Stammwürze und eine schleichende Veränderung auf dem tschechischen Biermarkt gesprochen.

Die Stammwürze - sie wird eigentlich in Grad gemessen. Auf tschechischen Bierflaschen ist sie mit dem Prozentzeichen angegeben. In den meisten Fällen steht da 10 Prozent oder 12 Prozent. Das irritiert oft und ist nicht zu verwechseln mit dem Alkoholgehalt. Was ist das eigentlich, die Stammwürze? Der Brauereimeister David Mares von der Brauerei Ferdinand:

"Das ist die Menge von Malz, die bei der Produktion das Bier zu Bier macht. Je mehr Malz ich verwende, desto mehr Extrakt- und Zuckerstoffe entstehen. Das Bier wird stärker, geschmackvoller und `brotiger´. Also, je mehr Malz, desto höher ist der Alkoholgehalt und desto höher ist der Grad der Stammwürze."

Wenn man sich als Nicht-Tscheche erst einmal an die Einteilung der Biersorten nach der Stammwürze gewöhnt hat, dann ist sie recht praktisch. Aber seit einiger Zeit gibt es eine Veränderung auf dem Biermarkt, wie David Mares erklärt:

"Wenn der Kunde sich die Etiketten durchliest, dann wird er in den meisten Fällen sehen, dass die Stammwürze nicht mehr angegeben ist. Es wird in der Regel nur noch angegeben, ob es sich um ein helles oder ein dunkles Schankbier handelt, um Lagerbier premium oder Spezialbier - und dahinter können sich verschiedene Grade von Stammwürze verbergen."

Eine kleine Zahl mit großer Wirkung, wie David Mares meint. Er hält den neuen Trend für schlecht:

"Ich bin damit nicht einverstanden. Dadurch wird der Kunde auf eine bestimmte Weise hinters Licht geführt. Er war jahrzehntelang daran gewöhnt, dass helles Schankbier ein so genanntes ´Desitka´, ein 10-grädiges war. Und so stand es auch auf der Flasche. Heute kann sich hinter dem hellen Schankbier durchaus ein 8,5-grädiges Bier verbergen. Und die großen Brauereien im Land halten die alten Gradzahlen überhaupt nicht mehr ein. Der Kunde kann sich leicht vorstellen, warum das so gemacht wird: Die Brauereien sparen bei den Ausgaben für die Zutaten des Biers. Denn es ist einfach billiger ein Bier mit 9,5 Grad Stammwürze zu produzieren als mit 10,5 Grad."

In den alten europäischen Ländern wird man nichts vermissen. Die Gradzahl wurde ohnehin nie angegeben. In Tschechien sieht das sicher anders aus, oder?

"Hier in Tschechien ist das in der Tat anders. Der Verbraucher hat das Bier hier nach der Stammwürze unterschieden. Und das ist meiner Ansicht nach auch richtig. Wenn sich jetzt ein Tscheche helles Schankbier kauft, dann geht er immer noch davon aus, dass es ein 10-grädiges Bier ist. Aber in gewisser Weise wird er manipuliert. Auch weil in vielen Geschäften an den Regalen immer noch 10-Grad ausgezeichnet ist, wo einfach helles Schankbier angeboten wird. Das muss aber durchaus kein 10-grädiges Bier mehr sein. Oft liegt es wesentlich darunter. Beim Bier ist jedoch die Gradzahl überaus entscheidend."

Und beim Bier hört für die Tschechen auch der Spaß auf!