Die tschechische Diplomatie – „Zuviel Platz für politische Geschäfte“
Am Rande ihrer gemeinsamen Reise zur UN-Vollversammlung in New York ließen Präsident Klaus und Außenminister Schwarzenberg durchblicken, dass sie über die Neuernennung einiger Botschafter im Streit liegen. Zumindest eine Entscheidung aber soll laut verschiedenen Quellen bereits gefallen sein: Neuer tschechischer Botschafter in den USA wird offenbar Ex-Landwirtschaftsminister Petr Gandalovič. In Prag hingegen ist das Amt des US-Botschafters nun schon seit fast zwei Jahren unbesetzt.
In der Hospodářské noviny schreibt dazu Kommentator Daniel Anýž:
„Es wurde manchmal gescherzt, dass wir es den Amerikanern ja mit gleicher Münze zurückzahlen könnten. Es ist aber eindeutig Tschechien, das auf der Achse Prag – Washington die Initiative ergreifen und Interesse an der Aufrechterhaltung der gegenseitigen Beziehungen zeigen muss. Darüber ist man sich auch im Außenministerium im Klaren, und normalerweise hätte es den Posten des tschechischen Botschafters in den USA längt besetzt, wenn es gewusst hätte mit wem.“
Es gebe derzeit keinen herausragenden und erfahrenen Diplomaten, auf den sich der Präsident und der Außenminister einigen könnten. Der Ex-Landwirtschaftsminister war zwar in der Vergangenheit mal Generalkonsul in New York, aber eigentlich sei er kein Diplomat und deshalb nur eine Notlösung. Darüber hinaus hafte der Wahl Gandalovičs ein weiterer Makel an, meint Anýž:
„Wenn er nicht aus der Führungsspitze seiner Bürgerdemokratischen Partei auf den Posten eines gewöhnlichen Abgeordneten gefallen wäre, hätte sich Gandalovič nicht um Washington beworben. Der Grund, warum es nun überhaupt zu dieser Situation kommen konnte, ist die immer noch wuchernde Politisierung der tschechischen Diplomatie. In dem System, in dem sich ein Diplomat mit seinen Fähigkeiten emporarbeiten sollte, ist zu viel Platz für politische Geschäfte. Das ganze Umfeld bringt nicht genügend professionelle Diplomaten hervor. Und das ist für ein Land, das auf die Diplomatie so angewiesen ist wie Tschechien, ein großer überflüssiger Luxus.“