Die tschechische Trikolore - eine Flagge, die es nicht mehr geben dürfte, wird 85

Ales Brozek mit der tschechischen Nationalflagge (Foto: CTK)

Ein Staatssymbol feiert Geburtstag. Am Mittwoch sind genau 85 Jahre vergangen, seit die Nationalversammlung der damaligen Tschechoslowakei das weiß-rote Banner mit dem charakteristischen blauen Dreieck am 30. März 1920 zur tschechoslowakischen Nationalflagge erklärte. Von einer Fahne, die es nicht mehr geben dürfte und ihrem Schöpfer ohne Gesicht berichtet Thomas Kirschner.

Ales Brozek mit der tschechischen Nationalflagge  (Foto: CTK)
Die Tschechoslowakei war schon knapp eineinhalb Jahre alt, bevor sie sich im März 1920 eine eigene Nationalflagge gab. Bis dahin wehten über der Republik die historischen Farben des Königreiches Böhmen: Weiß über Rot - nicht nur eine Erinnerung an das österreichische Rot-Weiß-Rot, von dem man sich gerade gelöst hatte, sondern auch exakt das Banner des Nachbarlandes Polen, zu dem wegen Konflikten um die Grenzziehung ein angespanntes Verhältnis bestand, erläutert Ales Brozek, Leiter der Nordböhmischen wissenschaftlichen Bibliothek in Usti nad Labem / Aussig, der sich bereits seit Jahrzehnten mit der Geschichte der tschechoslowakischen Flagge befasst:

"Es war also notwendig, eine dritte Farbe hinzuzufügen, und das war Blau - so ergab sich zugleich die rot-weiß-blaue slawische Trikolore. Und es war Jaroslav Kursa, der den Einfall hatte, das Blau nicht als Streifen, sondern als Winkel oder Dreieck einzufügen."

Auf den Archivbediensteten im Innenministerium Jaroslav Kursa (1875-1950) als Schöpfer der tschechoslowakischen und heutigen tschechischen Flagge haben sich die Forscher unter mehreren Aspiranten erst vor wenigen Jahren einigen können. Sein Nachlass liegt, wie es sich für einen Archivar gehört, wohlgeordnet vor. Etwas Wichtiges fehlt allerdings, um den Vater der tschechischen Fahne entsprechend feiern zu können, so Brozek: ein Foto.

Ales Brozek und tschchische Staatssymbole  (Foto: CTK)
"Das ist gerade das Traurige: Eine Fotografie von Kursa ist in dem Nachlass nicht vorhanden. Danach suche ich schon seit einigen Jahrzehnten - leider bislang erfolglos."

Dafür lebt Kursa in der von ihm entworfenen Fahne weiter - und das, obwohl es die eigentlich schon nicht mehr geben dürfte. Denn als sich Tschechien und die Slowakei 1993 trennten, war im Vorfeld vereinbart worden, dass keiner der beiden neuen Saaten die tschechoslowakischen Staatssymbole weiter benutzen darf. Woran sich der damalige tschechische Nationalrat schlichtweg nicht gehalten hat. Zum Ärger der Slowaken, aber zur Freude der Tschechen, denen auch weiter die vertraute Trikolore mit charakteristischen blauen Winkel voranweht. Und das nun schon seit 85 Jahren.