Die Tschechoslowakei und der Terrorismus
Bereits vor über einer Woche kamen Gerüchte auf, islamistische Terroristen hätten sich in Tschechien biologische Kampfstoffe besorgt. Zuvor hatte man auch vermutet, Terroristen seien noch vor der Wende in tschechoslowakischen Flugschulen für Verkehrsmaschinen ausgebildet worden. Bisher hat sich keines dieser Gerüchte bestätigt. Wo liegt die Ursache all dieser Gerüchte? Olaf Barth berichtet.
Eines ist klar: Das totalitäre Regime, dass vor 1989 in der Tschechoslowakei herrschte, war ein umtriebiger Förderer internationaler Terrorgruppen. So konstatiert es das tschechische Amt zur Dokumentation und Aufklärung kommunistischer Verbrechen - kurz UDV. Ganz besonderer Beliebtheit erfreute sich der hierzulande produzierte Plastiksprengstoff Semtex. Die Gründe: Er ist schwer feststellbar und außerordentlich wirksam.
Nach Libyen habe man z.B. 900 Tonnen dieses terroristischen Lieblingsspielzeugs geliefert, erklärt Jan Frolik, Direktor des Archivs im tschechischen Innenministerium. Um ein Verkehrsflugzeug, z.B. eine Boeing zu sprengen, seien bereits 30 Gramm ausreichend, fügt Frolik hinzu.
Doch nicht nur mit Waffen- und Sprengstofflieferungen hat man die Terroristen aller Länder erfreut, sie wurden auch ausgebildet. Dies sei in einem besonderen Ausbildungszentrum in Brno/Brünn geschehen, das den offiziellen Titel "Institut für ausländische Studien an der Hochschule des Staatssicherheitsdienstes" trug. Dort seien u.a. Terroristen aus Palästina, Kambodscha und Afghanistan trainiert worden, versichert der Archivar des Innenministeriums.Bisher sei aber, laut Frolik, noch keiner der für den von der ehemaligen Tschechoslowakei ausgehenden Terror Verantwortlichen verurteilt worden.
Der Vizedirektor des UDV, Pavel Bret, meint, es ginge auch nicht primär darum, die Problematik auf die strafrechtliche Ebene zu verlagern, sondern vielmehr darum, dass sich die tschechische Gesellschaft über die terroristischen Aktivitäten des ehemaligen Regimes bewusst werde.
Und der tschechische Historiker Vilem Precan weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass die Stigmatisierung Terrorismus auch von der Perspektive des Betrachters abhänge (ZITAT): "Die tschetschenischen Kämpfer sind für die russische Regierung Terroristen. Ähnlich sieht die chinesische Regierung die Tibetaner, die ihre Religionsfreiheit und ihre Nationalität verteidigen."
Bei aller Empörung über die tschechoslowakischen Verfehlungen jener Zeit, darf man auch nicht vergessen, dass heutige "Könige des Terrors" wie Saddam Hussein und Osama bin Laden von den USA zunächst massiv unterstützt wurden, bevor sie dann zu "Staatsfeinden Nr. 1" avancierten.
Ob eben jene, in der Tschechoslowakei ausgebildeten Terroristen möglicherweise sogar in Verbindung mit den Anschlägen in den USA stehen, wollten wir von Jan Frolik, dem Chefarchivar des Innenministeriums, wissen.
Dieser antwortet zunächst:
"Dies sind operative Informationen, die ich nicht weitergeben darf..."
Fügte dann aber an:
"Bis zum Sommer des Jahres 1990 haben wir Listen dieser Personen und alle diesbezüglichen Unterlagen an die Geheimdienste weitergegeben, die in ständigem Austausch mit internationalen Nachrichtendiensten stehen. Hinzu kommt noch der zeitliche Aspekt, es sind in der Zwischenzeit mehr als zehn Jahre vergangen."