"Unter Schock ins Ziel" - tschechische Augenzeugen bei Anschlägen von Boston
Für Ausdauerläufer gilt er als das Nonplusultra: der Boston-Marathon. Nach den Olympischen Spielen ist er der traditionellste aller Marathonläufe. Der 117. Jahrgang des Laufes, der am Montag ausgetragen wurde, wird aber wohl als traurigster in die Geschichte eingehen: Bei der Explosion zweier Sprengsätze im Zielbereich wurden mindestens drei Menschen getötet und über 140 Personen verletzt. Unter den Augenzeugen des Bombenanschlags waren auch mehrere Tschechen.
„Gegenwärtig stehen hier alle unter Schock, denn der heutige Tag ist der traditionelle Patriot´s Day. Es wird nicht gearbeitet, dafür sind alle Leute mehr oder weniger auf den Boston-Marathon fixiert. Es ist wirklich ein außergewöhnlicher Tag, an dem die Leute hier auf die Straßen gehen und froh gestimmt sind, dass der Frühling einkehrt. Und vor ihren Augen laufen rund 27.000 Menschen diesen Marathon. Jetzt aber gab es diese heftigen Detonationen, die bei allen einen großen Schock ausgelöst haben.“
Von den Bombenanschlägen hat Igor Lukeš zudem sehr zeitnah erfahren:„An dem Marathonlauf nahmen auch drei Freunde von mir teil, deren Leistungen ich während des Rennens verfolgt habe. Dazu habe ich mir via Computer die Aufnahmen vom Zieleinlauf angesehen. Und genau in dem Augenblick, an dem die Uhr die aktuelle Laufzeit von 4 Stunden und 9 Minuten anzeigte, kam es zu der ersten Explosion.“
Zu dieser Zeit hielten sich auch einige Tschechen in unmittelbarer Nähe der Explosionen auf. Zwei der 15 Läufer aus Tschechien, die am Marathon teilnahmen, haben ihre Eindrücke beschrieben. Einer von ihnen war Mario Junek:„Ich war 200 Meter vor dem Ziel, 100 Meter vor mir waren die zwei Detonationen. Ich habe mich auf die Straße geschmissen und bin vielleicht fünf Minuten liegengeblieben. Danach bin ich unter Schock ins Ziel gelaufen. Leider habe ich dabei auch verletzte Menschen gesehen. Die Explosionen waren im Zuschauerbereich, offenbar aber wurden auch einige Läufer getroffen, die in dem Moment gerade dort vorbei liefen.“
Svatopluk Frölich war zu diesem Zeitpunkt bereits im Ziel. Als die Bomben hochgingen, hatte er daher ganz andere Sorgen:„Meine erste Sorge galt meiner Ehefrau, die im Zielbereich gewartet hat. Als wir miteinander telefonierten und ich von ihr hörte, dass sie keine Verletzungen erlitten hat, habe ich aufgeatmet. Danach habe ich versucht, etwas vom Zielbereich wegzukommen, denn dort kam große Hektik auf – von überall kamen Rettungswagen und Polizeiautos. Es war eine traurige Szene.“
Dabei hatte sich Frölich auf seinen ersten Boston-Marathon riesig gefreut. Bis zu diesem Schockerlebnis sei es auch die beste Atmosphäre gewesen, die er je bei einem Marathonlauf erlebt habe, sagte Frölich. An der gesamten Strecke von über 42 Kilometern standen die Zuschauer Spalier und haben die Läufer frenetisch angefeuert. Eine Veranstaltung, die von über einer halben Million Menschen live verfolgt wird, wird man aber nie 100-prozentig absichern können, meint der tschechische Sicherheitsexperte Andor Šándor:„Wenn Veranstaltungen dieser Größenordnung den Leuten Freude bringen sollen, dann können die Sicherheitsmaßnahmen nicht so weit gehen, dass sich Teilnehmer und Zuschauer nicht wohl fühlen, weil der Komfort stark reduziert ist. An jeder Ecke gäbe es Sicherheitsschleusen und man dürfte auch keine Fenster öffnen. In dieser Hinsicht kann man für eine solche Veranstaltung niemals eine 100-prozentige Sicherheit gewährleisten.“