„Die Ukrainer spüren die internationale Unterstützung.“ Redakteurin zum Aufenthalt im Kriegsgebiet

Kunsttherapie für Soldaten

Vor kurzem kehrte Magdaléna Fajtová aus der Ukraine zurück. Sie arbeitet als Redakteurin bei den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. In die Ukraine hatte sie unter anderem Hilfsmittel für Kinderzentren und Krankenhäuser gebracht, die zumeist ihre Kollegen gespendet haben. Martina Schneibergová hat mit Magdaléna Fajtová über ihre Ukraine-Reise gesprochen.

Vor ein paar Wochen weckte ein Zettel meine Aufmerksamkeit, der am Eingang des Cafés im Rundfunkhaus hing. Darauf stand eine kurze Information von einer Redakteurin, die die Vorbeieilenden um Hilfe bat. Sie reise bald in die Ukraine, wo sie einige Kinderzentren und Psychiatrie-Kliniken besuchen werde. Dort werde auch Kunsttherapie angeboten. In den Zentren mangele es jedoch an sämtlichen Hilfsmitteln wie Farbstiften, Wasserfarben oder Papier, hieß es. Diese wolle die Redakteurin darum in die Ukraine mitnehmen. Wie sich später herausstellte, reagierten verhältnismäßig viele der Rundfunkkollegen auf die Bitte. Das Auto sei mit einigen Kartons mit Farben und weiterem Material vollgepackt gewesen, wie Magdaléna Fajtová nach ihrer Rückkehr aus der Ukraine verriet. Was war der eigentliche Beweggrund für die Reise?

Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

„Ich fuhr mit meinem Kollegen Ondra Soukup in die Ukraine, weil der ständige Berichterstatter des Tschechischen Rundfunks, Martin Dorazín Urlaub hatte. Der Rundfunk muss aber jemanden haben, der täglich über die Ereignisse aus der Ukraine berichtet.“

Kunsttherapie mit Farben aus Prag

Die Hilfsmittel, die die beiden Redakteure in die Ukraine mitnahmen, waren von Anfang an für einige Institutionen bestimmt. Sie sei angenehm überrascht gewesen, wieviel Material von den Kollegen zusammengetragen wurde, merkt Fajtová an:

Die ukrainischen Krankenhäuser sind voll von Soldaten und Zivilisten mit Kriegsverletzungen. | Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

„In den Krankenhäusern und Psychiatriezentren in der Westukraine werden Menschen aus dem Osten des Landes behandelt, wo täglich gekämpft wird und es täglich Luftangriffe gibt. Unter den Patienten sind auch Soldaten, die dort nach einer Verletzung gepflegt werden. Eine der Formen, wie ihnen geholfen wird, ist die Kunsttherapie. Den Zentren mangelt es jedoch an finanziellen Mitteln. Sie haben sich sehr über die Farben und das andere Material, das wir aus Prag mitbrachten, gefreut.“

Für Magdaléna Fajtová, die sich sonst auf die Balkan-Länder spezialisiert, war das ihr erster Besuch in der Ukraine.

„Es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, das Land vor dem Krieg zu besuchen. Aber ich bin froh, dass ich nun die Gelegenheit hatte hinzufahren. Ich hatte zudem Glück, dass wir uns für die Region von Lwiw entschieden, wo die Gefahr nicht so groß ist wie in der Ostukraine.“

Trotzdem habe sie mehrmals Luftalarm erlebt. Das erste Mal sei es ein Fehlalarm gewesen. Aber gleich in der zweiten Nacht flogen Raketen auch über das Haus, in dem sie untergebracht war, berichtet Fajtová:

Krieg in der Ukraine | Foto:  Igor Smagliy

„Die Russen reagierten vermutlich auf die Angriffe auf ihre Schiffe im Schwarzen Meer und unternahmen Luftangriffe auf die ganze Ukraine. Ich hörte die Raketen über uns und war sehr erschrocken. Wir schauten uns im Kellerraum in unserem Haus um, wo man sich verstecken könnte. Dieser war aber nicht gerade groß. Mein Kollege hatte Luftalarme zuvor schon mehrmals erlebt, darum sucht er nicht sofort nach einem Luftschutzraum. Wir kehrten damals also in die Wohnung zurück, und ich versteckte mich im Badezimmer. Das hatte man mir geraten, denn dort gibt es keine Fenster. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rakete gerade auf dein Haus fällt, sei gering, sagte man mir. Aber eine größere Gefahr stelle die Druckwelle dar, weil sie die Fenster zerstört. Und Menschen, die in einem Raum mit vielen Fenstern schlafen, werden durch die Scherben verletzt.“

An diesem Tag seien bei den Luftangriffen in Pokrowsk einige Menschen gestorben, wie sich Fajtová erinnert. Und viele wurden verletzt.

Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

„Am meisten ärgerte ich mich über das Gefühl, als ich aufatmete und mir sagte, es ist vorbei. Da wurde mir erst klar, dass auch nebenan etwas passierte und dies nicht bedeutete, dass die Gefahr vorbei sei. Es war nur eine Erleichterung, dass die Rakete nicht mich getroffen hatte. Es tat mir leid, dass das meine erste Reaktion war. Kann sein, dass es natürlich ist und jeder so etwas erlebt.“

Magdaléna Fajtová besuchte in der Westukraine unter anderem ein Krankenhaus und ein Kinderzentrum, in dem Kinder von geflüchteten Familien aus der Ostukraine untergebracht sind. Sie sei aber auch auf einer Farm gewesen, merkt sie an:

„Es war eine Farm, wo Menschen mit Behinderung und Geflüchtete aus der Ostukraine Käse produzieren. Das war für mich einfach ein großes Stück Schönheit in einem Land, in dem es immer passieren kann, dass man ums Leben kommt. Ich befand mich in der Natur, schaute mir an, wie der Käse entsteht, und bewunderte viele junge Tiere auf der Farm. Dort lebt man, als ob es keinen Krieg gäbe.“

Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

Und wie sieht das Leben in der Stadt Lwiw aus? Fajtová dazu:

„Dort geht das Leben normal weiter. Ich weiß nicht, inwieweit dahinter eine gewisse Müdigkeit steckt oder auch die Bemühung, ganz normal zu leben. Der Mensch kann nicht ununterbrochen im Stress sein. Mich hat immer am meisten beruhigt, wenn ich bei Alarm in der Stadt war und Mütter mit kleinen Kindern sah, die nicht in einen Luftschutzraum eilten. Später erfuhr ich, dass es auch präventive Alarme gibt und die Bewohner wissen, um was für einen Alarm es sich gerade handelt. In Lwiw kann man überall einen sicheren Ort finden, in jedem Restaurant gibt es diese Möglichkeit. Es ist schwer zu wissen, dass einem Gott sei Dank gerade selbst nichts passiert ist, aber anderen Menschen nur etwa 200 Kilometer entfernt schon.“

Tagtäglich Zeugen von Schmerz und Leiden

Magdaléna Fajtová hatte während der Besuche in den Krankenhäusern, Kinderzentren und Psychiatrie-Kliniken die Möglichkeit, mit dem Personal zu sprechen. Sind diese Menschen nicht erschöpft?

Laut Psychologen hilft das Spielen Kindern bei der Stressbewältigung. | Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

„Ich denke, dass die Verzweiflung und die Angst, die sie erleben, sich in Misstrauen oder auch Depression verwandeln können. Dies kann Folgen für ihr weiteres Leben haben. Denn sie sehen täglich so viel Schmerz und Leiden  und begegnen so vielen jungen Menschen, die im günstigeren Fall schwer verletzt überleben, ohne Hand oder ohne Beine. Und sie begleiten auch viele Sterbende. Dies wirkt sich auf die Menschen aus.“

Fajtová fügt jedoch an, sie habe zugleich eine große Hoffnung erlebt:

„Ich bin davon überzeugt, dass die Ukrainer die Unterstützung spüren, die ihnen von anderen Ländern gewährt wird. Das haben sie mir sehr oft gesagt. Sie dankten mir für sämtliche Hilfe, die Tschechen der Ukraine zukommen lassen. Ich fühlte mich sehr beschämt, denn das ist auch schön und es freut mich, dass sie das so wahrnehmen. Gleichzeitig sage ich mir, dass es vielleicht mit der Hilfe noch besser sein könnte. Bei den Menschen in der Ukraine ist die Motivation entscheidend, sich gegen das Übel zu verteidigen. Diese treibt sie voran.“

Illustrationsfoto: Petr Bušta,  Tschechischer Rundfunk

Die Redakteurin hat während ihres Aufenthaltes in der Ukraine auch mit Soldaten gesprochen.

„Jeder von ihnen setzte sich mit einem Verlust oder dem Leiden anders auseinander. Die  Soldaten haben nur ein einziges Ziel – obwohl sie müde sind und wissen, dass es lange dauern wird. Das Ziel ist zu siegen.“

Stärkeres Interesse für ukrainische Kultur und Geschichte in Tschechien

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat auch in Tschechien ein stärkeres Interesse für die ukrainische Geschichte geweckt. Das kann Magdaléna Fajtová nur bestätigen:

„Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich über Städte schreibe, über deren Existenz ich früher nichts wusste. Viele Menschen haben angefangen, sich für das Land zu interessieren und nach mehr Informationen zu suchen. Ich hoffe, dass auch das Interesse für die Kultur und die Geschichte steigt. Ich denke, dass die Ukraine viel zu bieten hat.“

Die Ukrainer wünschen sich den Worten von Magdaléna Fajtová zufolge sehr, dass der Krieg endet. Auch wenn sie in einer Region leben, in der die Todesgefahr durch Angriffe nicht groß ist, schränke der Krieg das Leben der Menschen stark ein, so die Redakteurin.

Kunsttherapie für Soldaten | Foto: Magdaléna Fajtová,  Tschechischer Rundfunk

„Sie können nicht in Ruhe leben. Sie können ihre Kinder nicht zur Schule schicken und sicher sein, dass ihnen nichts passieren wird. Bei meinem Aufenthalt dort wurde mir klar, dass ich zu Hause schlafen gehen kann und nicht daran denken muss, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Ich denke nicht 24 Stunden lang an den Krieg, aber die Menschen in der Ukraine tun dies. Mein Wunsch, dass der Krieg beendet wird, ist durch die Reise noch stärker geworden.“

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