Die Wiener Tschechen zwischen 1945 und 2000: Neue Aufarbeitung einer unbeachteten Epoche

Jiri Grusa, Anna Starek, Richard Basler (Foto: Autor)
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Was die Population betrifft, so war die drittgrößte tschechische Stadt zur Zeit der Donaumonarchie die damalige Haupt- und Residenzstadt Wien - übrigens nach Prag und Chicago. Die tschechische Minderheit in Wien bestand aber natürlich auch nach dem Ende der Monarchie weiter. Vor allem die Zeit seit 1945 gilt aus dieser Sicht jedoch als relativ schlecht erforscht. Eine entsprechende Publikation soll hier in wenigen Wochen Abhilfe schaffen. Bereits am vergangenen Freitag fand an der Diplomatischen Akademie in Wien eine Fachkonferenz zum Thema statt. Gerald Schubert war dabei:

Akademie-Direktor Jiri Grusa,  Anna Starek,  Richard Basler  (Foto: Autor)
"Die tschechische Volksgruppe in Wien zwischen 1945 und 2000" soll das dreibändige Werk heißen, dessen erster Teil bereits Mitte November erscheinen wird. Einen ersten Vorgeschmack auf die Publikation brachte am Freitag in Wien eine Konferenz, die von der dortigen Diplomatischen Akademie, vom Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich, vom Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut und von der Tschechischen Botschaft veranstaltet wurde.

Zur bisher recht dünnen und unübersichtlichen Quellenlage, die sozusagen den Anreiz für die Publikation gegeben hat, meint Richard Basler, der stellvertretende Obmann des Kulturvereins der Tschechen und Slowaken in Österreich:

"Das, was es bis jetzt gibt, ist einfach zu wenig. Die Zeitperiode muss aufgearbeitet werden. Es muss auch der Bevölkerung in Österreich gezeigt werden, dass die tschechische Volksgruppe auch nach 1945 aktiv war und 1938 nicht plötzlich ausgestorben ist."

Richard Basler  (Foto: Autor)
Eines der größten Probleme, sagt Basler, bestand im Sichten der einschlägigen Archive. Meist sind es Privatpersonen, die diverse Materialien ungeordnet in Kellern oder auf Dachböden lagern und so dem Risiko aussetzen, früher oder später einfach zu verschwinden. Und selbst dort, wo ein Nachlass eines Wiener Tschechen, der sich beispielsweise im Kulturleben oder in der Politik verdient gemacht hat, an eine österreichische Institution übergeben wird, ist noch nichts gerettet. Denn die entsprechenden Bestände sind natürlich meist auf Tschechisch abgefasst und geraten im deutschsprachigen Umfeld leicht in Vergessenheit.

Unter Mithilfe von Experten gelang es dennoch, einen breiten Überblick über die Entwicklung der Wiener Tschechen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenzustellen. Was sind die Schwerpunkte? Richard Basler:

"Ein Thema sind natürlich die Vereine. Hier war es für uns in der Regel am leichtesten, an die Materialien zu kommen. Da wir zum Glück eine Musikwissenschaftlerin unter uns haben, wird auch die Entwicklung der Musik der Wiener Tschechen behandelt. Weiter wird darauf eingegangen, ob die Wiener Tschechen eine eigene Sprache entwickelt haben. Und wenn ja: Was wären die Merkmale des Wiener Tschechischen?"

Dazu kommen noch andere Themen, wie etwa das Theater der Wiener Tschechen oder allgemeine Fragen rund um Migration, Integration und Assimilation.


Radio Prag wird Sie natürlich auf dem Laufenden halten. Wenn das Buch erscheint, werden wir eine Ausgabe unserer Sendreihe "Schauplatz" ganz diesem Thema widmen.