Die Zeitschrift Ejhle: Humor und Satire im Namen der deutschen Propaganda

Ejhle 01.01.1944,  „...sagt der Hund: Was sehen die Leute bloß immer an mir?!“

In der Zeit der deutschen Besatzung Tschechiens spielte die Propaganda eine wichtige Rolle. Für die deutsche Kriegsmaschinerie war die tschechische Industrie wichtig – daher sollten die tschechischen Arbeiter von jeglichem Widerstand abgehalten werden und produktiv bleiben. Allerdings glaubten die Tschechen zu Beginn des Jahres 1944 nicht mehr an einen Sieg der Deutschen. Um den Einfluss auf die Arbeiterschaft nicht zu verlieren, gingen die Besatzungsbehörden einen besonderen Weg und riefen eine Satirezeitschrift ins Leben.

Ejhle 01.01.1944,   „...sagt der Hund: Was sehen die Leute bloß immer an mir?!“
„Eine humoristische, 14-tägig herausgegebene Zeitschrift für lebendigen Humor, gute Laune und zeitgemäße Satire. Ein guter Gefährte für die wenige wohlverdiente Zeit der Entspannung, der die Zeit der Erholung nach der Arbeit bunt macht.“

So beschreibt sich die Redaktion der Karikaturzeitschrift „Ejhle“ in der ersten Ausgabe vom 01. Januar 1944 selbst. Durch Humor und Satire also sollten die Menschen propagandistisch beeinflusst werden. Allerdings war gerade die Satire ein zweischneidiges Schwert. Das Publikum lachte nämlich häufig an den „falschen“ Stellen und mochte die „falschen“ Charaktere. Trotzdem versuchten die deutschen Besatzungsbehörden in Tschechien, vor allem durch Satire, die Bevölkerung zu beeinflussen. In einer aktuellen Studie sind zwei junge Historiker, der Tscheche Petr Karlíček und der Deutsche Volker Mohn, dem Treiben der Propagandamaschinerie nachgegangen. Volker Mohn:

Volker Mohn
„Satire war aus Sicht des deutschen Propagandaministeriums nur schwer zu steuern. Daher setzten die Propagandaplaner in Deutschland vor allem auf „deutschen Humor“: Das waren meistens harmlose Witze, die sich im Gegensatz zur Satire über nichts lustig machten und auf scharfe Kontraste verzichteten. Die Menschen sollten vor allem vom Kriegsalltag abgelenkt werden. Im Protektorat konnte dieses Konzept aber nicht aufgehen.“

Die treibende Kraft hinter „Ejhle“ war Karl Hermann Frank. Der Staatsminister des Protektorats und SS-Obergruppenführer war sich bewusst, dass zu Beginn des Jahres 1944 kein Tscheche mehr mit normalen Propagandamitteln für Deutschland zu gewinnen war – auch nicht mit „deutschem Humor“. Also dachte er sich einen anderen Weg aus, wie der Historiker Mohn weiß:

Karl Hermann Frank
„Frank wusste, dass in den Dreißiger Jahren mehrere tschechische Karikaturhefte große Auflagen erreicht hatten: Deren Erfolgsrezept versuchte er nun in seinem Sinne zu kopieren: Konkret ging es um bissige Satiren über Politiker wie Edvard Beneš. Einige dieser Karikaturen finden sich später in fast identischer Form in „Ejhle“ wieder. Erfolgreich waren diese Blätter aber auch mit unpolitischen Witzen – zum Teil sehr chauvinistischer und lasziver Art. Genau darauf setzte auch Frank: In „Ejhle“ war nur ein kleinerer Teil der Witze offen propagandistisch. Die meisten waren stattdessen nur beigemengt, um viele Leser zum Kauf zu animieren. Übrigens ließ Frank auch mehrere tschechische Redakteure früherer Karikaturhefte in die Redaktion von Ejhle holen.“

Allerdings sollten unter keinen Umständen die Personen der Redaktion bekannt werden und vor allem sollte die deutsche Beteiligung an der Zeitschrift geheim bleiben. Volker Mohn erklärt, warum:

Ejhle 01.01.1944: „In Anbetracht der Tatsache,  dass verbürgte Nachrichten aufgetaucht sind,  dass Beneš Präsident irgendwelcher Vereinigter Staaten wird,  schlagen wir eine Universalwährung vor - schau mal einer an - ihr Groschen...“
„Wie gesagt: Den deutschen Propagandaplanern ging es vor allem darum, dass möglichst viele Tschechen die Zeitschrift freiwillig lesen. Wenn auf den ersten Blick offensichtlich gewesen wäre, dass es sich um ein Produkt der deutschen Propagandamaschinerie handelte, wären die Verkaufszahlen sicher sofort in den Keller gegangen. „Ejhle“ sollte deshalb unter allen Umständen wie eine „normale“ tschechische Zeitschrift wirken: Dafür wurde eigens eine tschechische Briefkastenfirma für den Vertrieb geschaffen.“

Die Artikel und Zeichnungen waren entweder nicht unterschrieben oder nur mit Kürzeln versehen. Auch wenn sich nicht alle Zeichner und Texter feststellen lassen, kennen die Historiker heute doch einige Personen:

„In mehreren Fällen lässt sich nachweisen, wie die deutschen Propagandaplaner tschechische Karikaturisten für „Ejhle“ rekrutierten. In einigen Fällen handelte es sich um Zeichner von Karikaturzeitschriften der Dreißiger Jahre. Wir sind bei unseren Recherchen auch auf die Spur der zwei tschechischen Hauptverantwortlichen gekommen: Die meisten Zeichnungen stammen von Dobroslav Haut. Der hatte in den Dreißiger Jahren jahrelang beim renommierten Melantrich-Verlag mit dem bekannten Zeichner Josef Lada zusammengearbeitet – und kopierte nun dessen Zeichenstil. Haut kam im Mai 1945 unter ungeklärten Umständen zu Tode. Außerdem konnten wir den Autor der meisten satirischen Texte in Ejhle identifizieren.“

Gestapo
Die Karikaturen griffen Probleme auf, die zum Alltag der Bevölkerung gehörten und in anderen Zeitschriften zensiert worden wären. So wurde die Lebensmittelknappheit aufs Korn genommen, der Schwarzhandel und die vielfältigen Möglichkeiten, sich vor dem Arbeitseinsatz zu drücken. Für die Beschaffung der Themen und Motive dienten mehrere Quellen:

„Zum Teil wurden die Karikaturen einfach kopiert. Die Vorlagen stammten aus alten tschechischen Karikaturheften, und auch aus ausländischen Zeitschriften. Außerdem forderte man gezielt die Leser auf, ihre Vorschläge einzusenden. Das wurde offenbar von den Lesern auch angenommen. Karikaturen über aktuellere Entwicklungen wurden in der Regel neu angefertigt. Daneben hatten die Macher von „Ejhle“ eine sehr spezielle Quelle: Die Gestapo beobachtete ohnehin sehr genau, welche Witze gerade in Umlauf waren. Die Redaktion von „Ejhle“ suchte sich aus den Berichten der Gestapo diejenigen Witze aus, die man gerade noch für tragbar hielt – und druckte sie wiederum in Ejhle ab.“

Tschechische Exilregierung in London  (Foto: Archiv des Außenministeriums)
Natürlich wurden aber in den Karikaturen auch andere Botschaften vermittelt, denn schließlich diente das Blatt vor allem der deutschen Propaganda:

„Sehr häufig nahm das Blatt die tschechische Exilregierung in London und die Alliierten aufs Korn. Viele Zeichnungen passten sich den antisemitischen und antibolschewistischen Kampagnen an, die zu diesem Zeitpunkt von deutscher Seite ohnehin forciert wurden. Besonders fällt aber auf, dass „Ejhle“ kurz vor Kriegsende erstaunlich offen bestimmte Entwicklungen karikiert: Die Redaktion machte sich über die Aktivitäten von Partisanengruppen lustig oder stellte sich vor, was in Böhmen und Mähren nach der Befreiung durch die Rote Armee passieren würde.“

Ejhle 01.01.1944: „So stellten sich die Macher von Ejhle die Ankunft der Roten Armee in Prag vor.“
Die Protektoratsbehörden gingen aber nicht nur beim Inhalt ungewöhnliche Wege, sondern auch beim Vertrieb. Die Zeitschrift wurde nicht nur über Abonnentenlisten und an Zeitschriftenkiosken verkauft. Besonders effektiv war die Verteilung über die Firmen und Industriebetriebe. Dort wurde das Blatt in den Kantinen ausgelegt, wodurch die Zielgruppe, die Arbeiter, direkt angesprochen werden konnten. Aber wie erfolgreich war die Zeitschrift? Dazu der Historiker Mohn:

„Die Besatzungsbehörden beobachteten sehr genau, wie die Zeitschrift letztendlich von den Tschechen angenommen wurde. In internen Berichten sprechen die deutschen Propagandaplaner von einem großen Erfolg des Blattes – gerade weil viele tschechische Arbeiter es freiwillig gekauft und gelesen haben. Kritische Stimmen gab es scheinbar von tschechischen Arbeiterinnen, denen die Karikaturen mit obszönen sexuellen Anspielungen zu weit gingen. Das sind aber wie gesagt interne Einschätzungen. Wie das Blatt tatsächlich angenommen wurde, ist schwierig zu beurteilen.“

Petr Karlíček
Die Produktion und Auslieferung des Blattes lief noch bis April 1945, also bis kurz vor Kriegsende. Während andere Zeitungen längst kein Papier mehr zur Verfügung hatten, erschien „Ejhle“ noch immer in hoher Auflage. Was aber passierte nach Kriegsende mit den Machern der Zeitschrift? Petr Karlíček und Volker Mohn haben auch dazu Forschungen angestellt:

„Auf jeden Fall gab es nach Kriegsende scheinbar keine systematischen Ermittlungen gegen die Macher von „Ejhle“. Ohnehin kannte man ja nur wenige Mitarbeiter mit vollem Namen. Dennoch: Es gab mehrere Spuren, die die Behörden hätten verfolgen können. Das ist nicht geschehen. Stattdessen tauchen mehrere der unpolitischen Zeichnungen aus „Ejhle“ nur wenige Jahre wieder auf – und zwar in kommunistischen Karikaturblättern. Zwar arbeiteten nicht mehr die gleichen Personen für die neuen Blätter – Inhalte wurden aber sehr wohl übernommen.“

Ejhle Juli 1944: Alibimann
Falls wir nun ihren Forscherdrang geweckt haben sollten und sie mehr über dieses ungewöhnliche Kapitel der deutschen Propaganda wissen möchten: Der Artikel der beiden jungen Historiker Karlíček und Mohn ist im Jahr 2011 in der Nummer 51 der Bohemia, der Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder erschienen. Aber auch die Zeitschrift „Ejhle“ lässt sich im Depot der Tschechischen Nationalbibliothek einsehen.