DTIHK-Umfrage: Deutsche Unternehmen planen ein langfristiges Engagement in Tschechien
Tschechien liegt mitten in Europa und ist daher ein ziemlich attraktiver Wirtschaftsstandort. Aber das ist nicht der alleinige Grund, weshalb schon über 2000 deutsche Firmen hierzulande ihre Zelte aufgeschlagen haben. Radio Prag beleuchtet den Standort Tschechien mit Hilfe einer von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer durchgeführten Konjunkturumfrage.
Seit Dienstag liegen in Tschechien die Entwürfe der Regierung zu einer umfassenden Reform der öffentlichen Finanzen auf dem Tisch. Ihre Schwerpunkte sind die einheitliche Einkommenssteuer von 15 Prozent für alle physischen Subjekte sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um fünf Prozent. Der Einschätzung des Ökonomen der Raiffeisenbank Ales Michl zufolge aber schieße die Reform gerade mit diesen Maßnahmen an ihrem Ziel vorbei:
"Also ich denke, man beschreitet damit einen Pseudoweg. Als Bürger habe ich sicher nichts gegen eine Steuersenkung einzuwenden, als Ökonom aber muss ich sagen, dass damit das wichtigste Problem der tschechischen Wirtschaft nicht gelöst wird, und zwar das wachsende Defizit des Staatshaushalts. Ergo: Auf der einen Seite senken wir die Steuern, auf der anderen Seite lösen wir nicht unser langwieriges Problem."
Hinter die Fassade geschaut
Im Zeitalter der Globalisierung gibt es kaum noch Groß- und mittelständische Unternehmen, die nicht zumindest in eines ihrer Nachbarländer expandiert haben. Auch deutsche Firmen machen da keine Ausnahme. Sehr attraktiv für sie ist dabei der Standort Tschechien. Weshalb, dazu sagte der Abteilungsleiter Unternehmenskommunikation bei der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Prag, Jan Immel:
"Die Unternehmen, die hier investieren, die kommen vor allem nach Tschechien, weil sie das Nachbarland als Absatzmarkt schätzen, und weil sie von Tschechien aus andere Absatzmärkte in der Region Mittel-Ost-Europa erschließen können. Tschechien hat eben diesen geografischen Vorteil zu Deutschland: Man ist schnell hier, die Infrastruktur und die Fremdsprachenkenntnisse sind relativ gut. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, aber die Nähe zu Deutschland ist und bleibt ein ausschlaggebender Faktor. Das macht es für viele Unternehmen attraktiv, hier zu investieren."
Bei einer zu Beginn des Jahres schon zum dritten Male von der Handelskammer durchgeführten Konjunkturumfrage wurden aber noch weitere Kriterien genannt, die deutsche Firmen der Tschechischen Republik positiv zu Gute halten. DTIHK-Geschäftsführer Bernhard Bauer gab sie vor Medienvertretern bekannt:"Bei der Bewertung der besten Standortkriterien zeigt sich, dass die EU-Mitgliedschaft im Urteil der Unternehmen weiterhin sehr positiv gesehen wird. Zudem fällt auf, dass sich die Inlandsnachfrage nach Auffassung der Unternehmen gut entwickelt. Sie wird ebenfalls als positiv bewertet."
Seit dem EU-Beitritt Tschechiens im Mai 2004 sind selbst deutsche Kleinunternehmer verstärkt daran interessiert, den tschechischen Absatzmarkt zu erschließen. Daher, so Immel, habe das deutsche Firmenverzeichnis der Handelskammer bereits eine vierstellige Zahl erreicht:
"In der aktuellen Version unseres Verzeichnisses haben wir derzeit zirka 1300 Unternehmen. Nicht alle Unternehmen, die wir befragen, möchten in diesem Verzeichnis gelistet werden. Wir gehen davon aus, dass es in etwa 2500 deutsche Unternehmen in Tschechien gibt."
Immel wusste jedoch sogleich hinzuzufügen:
"Ich muss gleichwohl dazu sagen, dass es auch andere Erhebungen gibt. Vor einigen Wochen wurde in der Zeitung, ich glaube im Blatt ´Hospodarske noviny´, die Zahl von 11.000 deutschen Unternehmen in Tschechien genannt."Diese von der Tageszeitung "Hospodarske noviny" in den Raum gestellte Zahl gelte es jedoch erst noch zu verifizieren, zumal in ihr sicher auch jene Firmen erfasst seien, die keine aktive Geschäftstätigkeit ausüben. Zum Beispiel eine Gesellschaft, deren Geschäftswelt es ist, Immobilien zu verwalten, schränkte Immel ein und bekräftigte:
"Wir sprechen deshalb von ungefähr 2500 wirklich aktiven Unternehmen hier in Tschechien."
Es wird also von rund 2500 Unternehmen aus Deutschland ausgegangen, die in Tschechien geschäftlich aktiv sind. Aber sind diese Firmen mit ihrer Geschäftslage in Tschechien auch rundum zufrieden? Dazu äußerte DTIHK-Geschäftsführer Bauer gegenüber Journalisten:
"Eine deutliche Mehrheit der Unternehmen, nämlich 70 Prozent der deutschen Unternehmen, bezeichnet die eigene Geschäftslage als gut. Bis zum Jahresende 2007 rechnen etwa 55 Prozent mit noch besseren Geschäften."
Die guten Aussichten können jedoch nicht den Blick davor verklären, dass es auch in Tschechien Bereiche gibt, die eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit behindern bzw. ihrer weiteren Entfaltung im Wege stehen:"Wie schon im Vorjahr belegen das Steuersystem bzw. die Arbeit der Verwaltung die hinteren Plätze im Urteil der Unternehmen. Die Unternehmen sehen nicht, dass Korruption und Kriminalität wirkungsvoller bekämpft wurden. Daher bildet dieses Kriterium das Schlusslicht."
Es gibt jedoch noch ein anderes Problem, das den deutschen Firmen in Tschechien immer mehr zu schaffen macht, weiß Jan Immel:
"Das Kernproblem derzeit ist die Verfügbarkeit von Arbeitskräften."
Und um dieses Problem zu verdeutlichen, lässt Immel Zahlen sprechen:
"Bei der Vergütungsstudie, die wir im Jahr 2005 festgestellt haben, haben 23 Prozent der Unternehmen gesagt, dass die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ungenügend ist. Bei unserer Studie im Herbst 2006 haben bereits 44 Prozent der Unternehmen gesagt, dass die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ungenügend ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei dem Ausbildungsniveau der verfügbaren Arbeitskräfte, wenngleich dort der Negativtrend nicht ganz so ausgeprägt ist. Im Jahr 2005 sagten 14 Prozent der Unternehmen, dass das Ausbildungsniveau ungenügend ist. Im Jahr 2006 waren es bereits 22 Prozent der Unternehmen."
Die nicht in ausreichendem Maße gesicherte Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie die hinter den Entwicklungen zurückgebliebene Qualifizierung sind also die zwei Kriterien, die den Unternehmen derzeit am meisten Kopfzerbrechen bereiten. Deshalb mahnte Immel an:
"Das ist sicherlich ein Punkt, bei dem insbesondere die Politik gefragt ist. Durch sie müssen nun die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass die Ausbildung in Tschechien modernisiert und erweitert wird. Denn es muss hierzulande eine Ausbildung geben, die dem Bedarf der Unternehmen entspricht."
Nicht zuletzt dank der deutschen Unternehmen wird die Arbeitsplatzsituation in Tschechien auch in den nächsten Jahren stabil bleiben, immer vorausgesetzt, dass die Arbeitnehmer den Anforderungen der Arbeitgeber entsprechen. Bernhard Bauer jedenfalls konnte als ein Ergebnis der von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer durchgeführten Konjunkturumfrage abschließend konstatieren:
"55 Prozent der befragten Unternehmen planen zusätzliches Personal einzustellen. Das ist der höchste Wert in den vergangenen Jahren, und dies unterstreicht, dass die befragten Unternehmen langfristig in Tschechien planen."