Dukla Prag, die Wiederauferstehung einer Legende

In Deutschland hat der Aufstieg des Dorfklubs TSG Hoffenheim in die zweite Fußball-Bundesliga für Furore gesorgt. Eine viel unglaublichere Erfolgsgeschichte hat der Verein aus dem mährischen Ort Jakubcovice hingelegt: sieben Mal hintereinander aufgestiegen. Was aber jetzt gekommen ist, ist fast noch spektakulärer: Aus Jakubcovice wird in der neuen Saison der Traditionsverein Dukla Prag.

Ein Tor, ein knapper 1:0-Sieg, der Jakubcovice in der vergangen Saison zum Verbleib in der zweiten Liga verhilft. Doch der 11. Platz in dieser Spielklasse, das wird wohl für Jahrzehnte oder gar für ewig das Höchste sein, was in den Vereinsannalen vermerkt ist. Denn tatsächlich ist es aus mit dem Profifußball in dem mährischen Dorf. Mit beidem - mit dem Erfolg und mit dem Aus - ist der Name des ehemaligen Bundesligaprofis Günther Bittengel verbunden. Er übernahm im Winter das Trainergeschäft bei Jakubcovice Fotbal. Allerdings erhielt er auch gleich die Aufgabe, den Umzug des Vereins vorzubereiten und dann in Prag weiterzumachen.

"Die Geschichte ist ganz einfach. Der Klubbesitzer von Jakubcovice, ein gewisser Herr Hajek, hat sein Geld gemacht und übernahm die Mannschaft vor sieben Jahren in der niedrigsten Klasse. Er sagte, ok Jungs, wir spielen ein bisschen Fußball. Dann sind sie sieben Mal hintereinander aufgestiegen. Das heißt, von der niedrigsten Klasse bis in die zweite Liga. Als das passiert war, sagte er noch vor Beginn der Zweitliga-Saison: Schluss, dass ist nicht in Ordnung für ein Dorf wie Jakubcovice mit 700 Einwohnern. Das ist die letzte Saison für den Verein im Profifußball", erzählt Bittengel.

Ortswechsel, der Verein Dukla Prag. Die Sorgen waren hier in den letzten Jahren genau umgekehrt: Man allerhöchstens in der fünften Liga und trauerte vergangenen Tragen hinterher - also den Jahren 1953 bis 1983, als Dukla elf Meistertitel holte und bis ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger vordrang. Nach der Wende führten finanzielle und sportliche Probleme zum Verkauf des Armeevereins an einen Unternehmer in der mittelböhmischen Stadt Pribram. Der Fußballklub Dukla musste 2001 erst einmal wieder neu gegründet werden. Allerdings geschah dies aus Privatinitiative, man kehrte nicht wie früher unter die schützende Hand des tschechischen Verteidigungsministeriums zurück.

Jedenfalls: Dukla Prag hätte auch in der kommenden Saison nur Amateurfußball gespielt, wenn eben nicht der erwähnte Josef Hajek gewesen wäre. Der Miteigner eines der größten Steinbruch-Unternehmen in Tschechien wurde im Herbst vergangenen Jahres in Prag vorstellig. Er schlug vor, die Zweitligalizenz von Jakubcovice auf Dukla zu übertragen.

"Sein Angebot war so interessant, dass es weder taktisch klug noch richtig gewesen wäre, es auszuschlagen", sagt der Vereinsvorsitzende Marek Lukas.

Über die ausgehandelte Geldsumme schweigt sich der Vereinsboss aus. Doch unverzüglich stürzte man sich nun in den Aufbau eines zweitligatauglichen Teams. Als Coach wurde Ex-Dukla-Spieler Günter Bittengel verpflichtet und erst einmal nach Jakubcovice geschickt - im doppelten Sinn zu einer Art "Training on the Job" und um geeignete Spieler für den Umzug auszuwählen. Und Jakubcovice? Für den Wunderverein aus der Provinz war das Ende im Profifußball besiegelt. Ein Umstand, über den man in Mähren nur den Kopf schütteln kann:

"Meine Ansicht ist, dass das nicht hätte nach Prag gehen sollen. In Böhmen haben sie doch genügend Mannschaften, das Team hätte in Mähren bleiben sollen. Es ist schade, aber so ist Hajek. Er verkauft einfach so an die Prager", sagt einer der Fans.

Ein anderer meint:

"Dukla Prag hatte mal einen guten Namen, das war eine gute Mannschaft. Warum er das Team nach Prag verkauft hat? Na, da hat das Geld entschieden. Böhmen hält die Hand auf die Kassen der Tschechischen Republik. Und in Mähren muss man die Krümel vom Boden lesen. Ungefähr so ist das."

In Prag sieht man das natürlich ganz anders. Beispielsweise die noch lebenden Vereinslegenden von Dukla Prag.

"Das macht mir sehr große Freude - und nicht nur mir, sondern auch allen früheren Mitspielern aus allen Generationen", sagt Vereinsikone, Mittelfeldgenie und Europas Fußballer des Jahres von 1962, Josef Masopust.

Der 76-Jährige fügt allerdings an:

"Wir haben auch ein wenig Angst, dass das nur so eine Euphorie ist. Man muss mit einigen Problemen rechnen, die diese Möglichkeit mit sich bringt, wieder in der zweiten Liga zu spielen. Erstens: Das Jahresbudget liegt hierzulande bei rund 20 Millionen Kronen. Die Spieler, die von Jakubcovice kommen, müssen in Prag Wohnungen bekommen. Und man muss einige weitere Spieler kaufen, die die Mannschaft verstärken. Auch das kostet Geld."

14 Spieler hat Trainer Günter Bittengel aus Mähren an die Moldau mitgenommen. Aber monatelang schlug man sich mit dem Problem des Stadions herum. Duklas traditioneller Spielort, das Stadion "Juliska" im Prager Stadtteil Dejvice, gehört nämlich weiterhin der Armee. Nach zähen Verhandlungen konnte im Juni ein Vertrag mit dem Verteidigungsministerium über die Nutzung des Stadions auch für Zweitligaspiele unterschrieben werden. Erst nachfolgend gab dann der Fußballverband sein Placet für die Übertragung der Lizenz an Dukla. Und die Finanzen?

"Für die kommende Saison rechnen wir mit einem Budget von bis zu 15 Millionen Kronen, das uns Herr Hajek sicherstellt. Zugleich führen wir Gespräche mit mehreren Firmen über ihre Beteiligung als Sponsoren", sagt Marek Lukas.

Oder mit anderen Worten: Nur die unmittelbare Zukunft ist geklärt, mittelfristig sind die Finanzen aber noch nicht gesichert.

Eine weitere Unbekannte ist das Image des Vereins: Dukla Prag galt zu sozialistischen Zeiten als protegierter Klub. Während Marek Lukas noch eine gewisse Aversion gegen Dukla Prag sieht, sagte allerdings Josef Masopust im Interview für Radio Prag:

"Wir haben in der Zeit, als der Verkauf von Jakubcovice nach Prag an die Öffentlichkeit kam, viele Briefe bekommen. In denen stand, man wüsste gerne, dass das auch klappt und man würde sich auf das erste Spiel bei Dukla Prag freuen."

Derzeit gibt es vier Prager Vereine im Profifußball: Sparta, Slavia, Zizkov und Bohemians. Dukla wäre ein fünfter, und Sie sagen: Der hat Platz?

"Bestimmt, weil die meisten Zuschauerzahlen bei Derbys waren."

Es könnte auch sein, dass Dukla in die erste Liga aufsteigt...

"So hoch sollte man bestimmt erst in vier, fünf oder sechs Jahren denken."

Selbst das wäre schnell...

"Auch das wäre schnell. Dazu kann ich aber sagen: Vielleicht lebe ich noch, wenn Dukla wieder in der ersten Liga spielen wird. Das wäre wirklich ein Traum."

Im Übrigen: Das erste Spiel in der zweiten Liga trägt Dukla Prag am Samstag, den 4. August, um 10.30 Uhr vormittags aus. Der Gegner ist Opava / Troppau.

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen