Dusan Klein: Filmemacher, Krimifan, Pfeifensammler und vieles mehr in einer Person (1. Teil)

Dusan Klein (Foto: CTK)

Psychodramen, Krimis, Komödien, Märchen - das alles hat der tschechische Regisseur Dusan Klein geschaffen. Zu umfassend ist sein Filmwerk, um darüber in einer Rubrik ausführlich zu sprechen. Auch lässt sich das Leben des 68-jährigen Künstlers kaum von seiner Berufstätigkeit trennen. Dennoch wollen wir Ihnen Dusan Klein als einen charismatischen Menschen näher bringen, der, ohne jemals viele Preise geerntet zu haben, in der tschechischen Filmszene zum Begriff wurde. Über verschiedene Situationen in seinem Leben erzählt er mit viel Humor, auch wenn sie angesichts der politischen Ereignisse hierzulande oft nicht lustig waren. Kommen Sie also herein, sie werden zu einem Plaudertreffen mit Dusan Klein in Heute am Mikrophon erwartet.

Dusan Klein  (Foto: CTK)
"Ich unterscheide die Menschen nicht nach ihrer Nationalität! Ich selbst stamme aus der Slowakei, habe eine Zeit lang in Mähren gelebt und lebe jetzt in Böhmen. Meine Kinder sind zur Hälfte Tschechen, zur Hälfte Slowaken, und ich weiß, dass es gute und böse Menschen hüben wie drüben gibt. Überall gibt es Idioten und kluge Köpfe, die Nationalität spielt dabei keine Rolle,"

sagt Dusan Klein als Antwort auf die Frage nach seiner Nationalität. Geboren wurde der Filmregisseur, Szenarist und Hochschulpädagoge am 27. Juni 1939 in der ostslowakischen Kleinstadt Michaovce in einer jüdischen Familie. Von 1958 bis 1963 studierte er an der Filmakademie der Musischen Künste in Prag und lebt seitdem in der tschechischen Hauptstadt. Schon mit 15 Jahren konnte er sein Talent unter Beweis stellen, als Schauspieler nämlich:

"Als Kind habe ich in Bratislava gelebt und war damals in verschiedenen Ensembles als kleiner Schauspieler tätig, auch im Rundfunk. 1953 brauchte der Regisseur Petr Weiss für seinen neuen Film "Mein Freund Fabian" einen jungen Zigeuner. Er suchte in der ganzen Tschechoslowakei, zunächst unter den Roma, später auch woanders und stieß in Bratislava auf mich. Nach den Kameraproben wurde ich für die Hauptrolle ausgewählt. Ich hatte damals große dunkle Augen und schwarze Haare."

Als Dusan Klein 1964 schon an seinem ersten Film als Regisseur arbeitete, erschien in Polen ein großer Zeitungsartikel mit der Information: Der erste Roma in Europa dreh einen Film! Wie ist dieser Film mit dem Titel "Fahrkarte ohne Rückkehr" entstanden?

"Der Film entstand während meines Studiums an der Filmakademie der Musischen Künste (FAMU). Ich wohnte damals mit dem künftigen Schriftsteller und Drehbuchautor Vladimir Körner und meinem Kommilitonen im Fach Regie, Mirek Sobota, zusammen. Bei unseren Besuchen in den Prager Kneipen kam uns in den Sinn, gemeinsam einen Film zu machen. Mit Vladimir Kerner hatte ich vieles gemeinsam, unter anderem auch eine ähnliche Familiengeschichte. Sein Vater ist ebenso wie meiner kurz vor dem Ende des Krieges als Partisan ums Leben gekommen."

Kleins erster Spielfilm war ein psychologisches Drama. Er brachte zwar für den Regisseur keinen Durchbruch in der Filmwelt, war aber trotzdem kein schlechter Start für seine künstlerische Laufbahn. Es war ihm nämlich gelungen, damalige Filmstars wie etwa Jirina Sejbalova, Jan Machacek und andere für die Hauptrollen zu gewinnen. Das war eine gute Erfahrung, sagt Dusan Klein heute. Der erste Filmstreifen brachte dem Regisseur aber auch noch etwas anderes in sein Leben.

Jirina Sejbalova war schon zu ihren Lebzeiten eine Grand Dame des tschechischen Theaters und Films. Auch aus ihrer Sicht war es eine mutige Entscheidung, die Hauptrolle im Erstlingswerk eines unbekannten Regisseurs zu übernehmen. Dusan Klein erzählt:

"Gerade als ich mich auf den Film "Fahrkarte ohne Rückkehr" vorbereite, lud mich Jirina Sejbalova in ihre Wohnung in der Pariser Straße ein, um mit mir über ihre Rolle zu sprechen. Ich wusste, dass sie mir die unangenehme Frage stellen wird: ´Herr Regisseur, wie stellen Sie sich meine Rolle vor?´ Ich war nervös vor dem Treffen und um das zu tarnen, kaufte ich mir vor dem Besuch eine Schachtel Zigaretten."

Bis dahin war Dusan Klein ein Nichtraucher gewesen, wohlgemerkt. Das gefürchtete Gespräch mit der Künstlerin entwickelte sich aber normal und so konnte Herr Regisseur auf die Zigarette verzichten. Dabei blieb es allerdings nicht. Als der Chefarchitekt der Filmateliers Barrandov, Karel Skvor, von Klein erfuhr, dass die Zigarette nur als ein Ablenkungsinstrument dienen sollte, schenkte er ihm eine Pfeife mit der Empfehlung, durch das Ritual des konzentrierten Tabakstopfens könne man viel Zeit zum Nachdenken über schwierige Fragen gewinnen.

Die Pfeife kam gut an, die zweite kaufte sich Klein dann selbst und im Laufe der Zeit kamen immer wieder neue hinzu. Der Regisseur muss längst keine Nervosität mehr tarnen, das Pfeifensammeln ist sein Hobby und das Rauchen seine Leidenschaft geworden. Eigentlich passt das auch zum Image eines Filmemachers, der so viele Krimifilme wie Dusan Klein gedreht hat. Übrigens, mögen Sie Sherlock Holmes, Herr Klein?

"Sherlock Holmes mag ich schon, weil er der erste Detektiv in der Geschichte der Weltliteratur ist. Viel mehr noch als Conan Doyle liebe ich George Simenon, der genauso wie sein Kommissar Pfeifenraucher war. Dieser Autor spricht mich mehr durch die psychologische Tiefe seiner Geschichten an. Bei Agatha Christie gibt es zuviel Konstruktion. Wenn man als Leser nicht im Kopf behält, dass ein Gärtner punkt 5.25 Uhr die Blumen gegossen hat, verliert man sich in der Handlung. Diese ist in der Regel zu kompliziert aufgebaut. Ich gebe einfacher konstruierten Geschichten den Vorzug, wie zum Beispiel den von George Simenon, der nach eigenen Worten den Charakter seiner Helden wie eine Zwiebel schälte, um den Kern zu enthüllen."

Wenn man Dusan Klein vorstellt, dann darf ebenso wie seine Vorliebe für das Pfeiferauchen auch das ruhige alte Haus im Prager Stadtteil Vinohrady / Weinberge, in dem er mit seiner Frau Sylva seit Jahren lebt, nicht unerwähnt bleiben. Das Schicksal des Hauses und seiner Bewohner war nämlich von der Ironie der Geschichte geprägt:

Prager Stadteil Vinohrady
"In der Zeit der Ersten Republik befand sich das Haus im Besitz der jüdischen Gemeinde. Seine Bewohner wurden während des Krieges in Konzentrationslager verschleppt und in ihre Wohnungen zogen Gestapo-Leute ein. Nach dem Krieg, als die Gestapo verschwand, kamen wiederum Menschen in das Haus, die aus verschiedenen KZs zurückkehrten und hier Unterkunft fanden. In dieser Wohnung lebte damals ein evangelischer Pfarrer."

Im Arbeitszimmer des Regisseurs steht ein alter Schreibtisch, an dem einst jemand von der jüdischen Gemeinde, später von der Gestapo und noch später ein evangelischer Pfarrer zu sitzen pflegten. Dusan Klein, der das alte Möbelstück von seinen Vorgängern sozusagen geerbt hat, erinnert sich an ein mit dem Tisch verbundenes Ereignis:

"Das war ungefähr im Jahr 1976, als jemand bei uns klingelte. Ich öffnete und sah eine alte Frau in Begleitung eines Kindes. Auf Deutsch bat sie mich um Erlaubnis, ihrem Enkelsohn die Wohnung zeigen zu dürfen. Sie habe in der Wohnung während des Krieges gewohnt, erklärte sie und mir ist in dem Moment absolut nichts eingefallen. Bitte, kommen Sie herein, sagte ich und wollte Kaffee für die Frau und etwas zum Trinken für den kleinen jungen zubereiten. Der Besuch kam in mein Arbeitszimmer und als die Frau den Schreibtisch sah, fing sie an zu weinen und sagte zu dem Kind: Hans, hier an diesem Schreibtisch hat dein Großvater gearbeitet. Erst in diesem Moment funkte es bei mir, dass sie von einem Gestapomann spricht. Ich blieb aber auch dann noch höflich, schließlich konnte die Frau nichts dafür und der kleine Bub noch weniger. Erst als sie weg waren, überfiel mich der Schüttelfrost bei dem Gedanken daran, was mit dem Schreibtisch alles verbunden war."

Von einem Land namens Absurdistan singt man in einem Lied, das aus Kleins Spielfilm "Geht in Ordnung, werte Genossen" stammt, der kurz vor der Wende 1989 entstand. Damals lief bereits der Countdown für das Ende des tschechischen Absurdistans auch im realen Leben. Auch dieser Film hat Zeugnis davon abgelegt. Mehr dazu, aber auch darüber, wie Dusan Klein den 21. August 1968 erlebte, danach erfolglos Arbeit in Deutschland suchte und wieder in die Tschechoslowakei zurückfand, beim nächsten Plaudertreffen mit ihm in zwei Wochen, in "Heute am Mikrophon", versteht sich.