Eduard Goldstücker - Leben und Werk einer herausragenden Persönlichkeit

Liebe Hörerinnen und Hörer in der heutigen Ausgabe des Kulturspiegels werden wir einer Person gedenken, deren Lebensweg sich nicht in wenige Worte fassen lässt, deren Tätigkeit genauso wenig und deren Charakter facettenreich war. Am 23. Oktober diesen Jahres verstarb in Prag Eduard Goldstücker. Wer er war, das erfahren Sie in den folgenden paar Minuten, durch die Sendung führt Sie Olaf Barth und Marcela Pozarek.

Die bekannte österreichische Journalistin und Schriftstellerin Hilde Spiel schrieb 1983 zu Goldstückers 70. Geburtstag in der Frankfurter Algemeinen Zeitung folgendes:

"Gütig, integer und weise zu sein, ist nicht das höchste Verdienst: man mag es günstigen Genen oder angenehmen Lebensumständen verdanken. Doch all dies zu bleiben, wenn man dauernd vom Sturm der Zeit gerüttelt wird, wenn jede Welle von Krieg, Verfolgung, Verbannung einen trifft, ist des Lobes wert. Ein Mann von ruhiger, philosophischer Gemütsart, der sich gleichwohl leidenschaftlich für jede mögliche Verbesserung der Gesellschaftsordnung interessiert, gerät in den Sog der gewaltigen Umwälzungen unseres Jahrhunderts. Dass er trotzdem nicht die Fassung verliert, unfähig ist des Hasses gegenüber seinen Gegnern und niemals in Versuchung kommt, sein klares Urteil durch Ressentiments trüben zu lassen, scheint geradezu übermenschlich. In diesem Sinn in Eduard Goldstücker ein Übermensch."

Hilde Spiels Porträt von Eduard Goldstücker fängt in bestechender Weise all die menschlichen Eigenschaften ein, die zu einer aussergewöhnlichen, ja herausragenden Persönlichkeit wie sie Goldstücker war, gehören. Der Germanisten Prof. Kurt Krolop, Präsident der Franz Kafka Gesellschaft kannte Goldstücker sehr lange:

Im Januar des Jahres 1999 wurde Goldstücker im sächsischen Kamenz der Lessing-Preis des Freistaates Sachsen für seine kulturpolitischen Verdienste verliehen. Zu Gotthold Ephraim Lessing hegte er ein besonderes Verhältnis, sah er doch im Jahre 1934 die Inszenierung des "Nathan des Weisen" im legendären Prager deutschen Theater und das in einer Zeit, als faschistische Parolen bereits die Runde machten. In "Nathan der Weise" steht die berühmte Ringparabel, eine Metapher für die Religions- und Gedankenfreiheit. Die drei Ringe, der richtige Ring, oder die einzig wahre Religion ist nicht mehr ermittelbar: es gibt sie nicht, denn eben da, wo sie gegen die anderen Recht zu haben behaupt, verliert sie das, was ihren Wert ausmacht. Mit Eduard Goldstücker unterhielten wir uns seinerzeit über sein Verhältnis zu Gotthold Ephraims Lessings Person:

Es wäre vermessen alle Lebensstationen von Goldstücker der Reihe nach abzuhacken, als eine glatte Chronologie der Ereignisse. Geboren wurde er am 30. Mai 1913 im nordslowakischen Dorf Podbjel, in einer armen jüdischen Familie, sein Name rührt nicht etwa von den viele Goldstücken her, die seine Familie besessen hätte, sondern ist die kaiserlich-königliche Verballhornung des alten Berufs eines Goldstickers, Bestickers von Altardecken. Eduard Goldstücker studierte an der Prager Karlsuniversität Germanistik und Romanistik. 1939 emigrierte er vor den Nationalsozialisten nach England und absolvierte in Oxford eine postgraduales Studium. Nach dem Krieg kehrte er in die Tschechoslowakei zurück, war für das Aussenministerium unter anderem als Botschafter in Israel tätig. In einem konstruierten Prozess wurde er in der stalinistischen Ära der 50-Jahre zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Nach seiner Haftentlassung und Rehabilitierung folgte seine rasche akademische Karriere. Daran erinnert sich auch Prof. Kurt Krolop:

Franz Kafka ist für Goldstückers Leben und Wirken von grosser Bedeutung, wie insgesamt die ganze Prager deutschsprachige Literatur jüdischer Autoren. Das Kafka Goldstückers literarisch liebstes Kind war, beweisen seine zahlreichen Vortragsreisen in aller Welt, die er bis ins hohe Alter auf sich nahm. So im Jahre 1998 eine japanische Kafka Tournee durch die Universitäten. Die japanischen Studenten beigeistert ihn geradezu:

Kehren wir noch kurz zurück in die Zeit des sogenannten Prager Frühlings zurück, als die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Warschauerpakt- Staaten den Traum eines demokratischen Sozialismus schnell zu Nichte machten. Als die russischen Panzer Prag besetzten, schwante es Goldstücker:

"Jetzt gehen wir alle nach Sibirien und ich als erster", hat er damals gesagt. Dazu kam es aber nicht, er emigrierte wieder nach England, wo er an der Universität Sussex lehrte. Nach dem Jahre 1989, nach der Samtenen Revolution konnte er nach Tschechien zurückkehren. Im Ausland geschätzt und geehrt, zu Hause eher geschmäht, zumal als klassischer linksliberaler Intellektueller wie Kurt Krolop ausführt.

Autoren: Olaf Barth , Marcela Pozarek
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