Ein Hauch von Geschichte
Sie gehören zum kollektiven Gedächtnis Europas: Die Bilder des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro vor den Logos ihrer Entführer. Schleyer war 1977 von der RAF entführt und ermordet worden, Moro 1978 von den Roten Brigaden. Dieser Tage tauchten beide wieder einmal in den tschechischen Zeitungen auf.
Der Prag-Korrespondent einer Schweizer Tageszeitung merkte neulich an, dass die Tschechen alles und jedes auf ihre Geschichte beziehen. Der Kollege hat Recht: Die Schlacht am Weißen Berg aus dem Jahr 1620 wird beim alltäglichen Wirtshaustratsch zum Kern der tschechischen Identität. Präsident Václav Klaus bekommt mit einem Hinweis auf die Beneš-Dekrete aus dem Jahr 1945 Zustimmung dafür, dass die EU-Grundrechtecharta aus dem Jahr 2000 in Tschechien künftig nicht gelten soll.
Und so gut wie noch jedem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten und Präsidenten der letzten 20 Jahre wurden familiäre Wurzeln in Böhmen oder Mähren nachgewiesen – einschließlich Barack Obama.Wird hier das historische Geltungsbedürfnis eines kleinen Landes laut? Oder ist Tschechien mit seiner geopolitischen Lage tatsächlich so etwas wie ein Kreuzungspunkt der Weltgeschichte? Wahrscheinlich ist an beidem etwas dran. Aus vielen Reaktionen wissen wir jedenfalls, dass auch für Sie, also unsere Hörerinnen und Hörer, die tschechische Geschichte zu den interessantesten Kapiteln unseres Programms gehört – auch wenn wir Barack Obama dabei nicht gleich zum Tschechen machen.