Ein Jahr nach der Flut: In Mittelböhmen sind die Wunden noch zu sehen

Elbgemeinde Kly nach dem Hochwasser (Foto: CTK)

Vor genau einem Jahr überschlugen sich um diese Zeit in Prag und im angrenzenden Landkreis Mittelböhmen die Meldungen und Ereignisse in Bezug auf das Ansteigen der Hochwasserpegel an Moldau und Elbe. Heute, ein Jahr nach der Flutkatastrophe, ist in dieser Region der Tschechischen Republik zwar wieder so etwas wie Alltagsnormalität eingekehrt, doch die Wunden, die das Wasser geschlagen hat, sind zum Teil noch sichtbar und längst noch nicht verheilt. Hören Sie dazu einen Beitrag von Lothar Martin.

Elbgemeinde Kly nach dem Hochwasser  (Foto: CTK)
Wie hoch der Preis war, den der mittelböhmische Landstrich für das Ausufern von Moldau und Elbe bezahlen musste, dies hört sich nach den Zahlen, die der Sprecher des tschechischen Ministeriums für regionale Entwicklung Petr Dimun verkündete, wie folgt an:

"In Mittelböhmen sind vom Hochwasser 188 Ortschaften betroffen gewesen, der Gesamtschaden beziffert sich auf annähernd 14,3 Milliarden Kronen. Stark beschädigt bis zerstört waren im Mittelböhmischen Kreis insgesamt 2783 Häuser, davon 347 dermaßen, dass sie abgerissen werden mussten. Schätzungen zufolge könnten von den verbleibenden rund 2400 beschädigten Häusern noch ca. fünf Prozent zum Abriss bestimmt werden, aber dies sind halt nur grobe Schätzungen. Es könnte sich im Gegenteil auch zeigen, dass das entsprechende Haus doch noch reparabel ist."

Soweit die erschütternden Zahlen, doch wie sieht es bei den von der Flut betroffenen Menschen heute direkt vor Ort und vor allem innerlich aus. Dass der Ärger über so manche Dinge, wie sie sich vor Jahresfrist in zum Teil dramatischen Zügen abgespielt haben, immer noch nicht ganz verraucht ist, spüre ich sofort, als ich mit dem stellvertretenden Gemeindevorsteher der mittelböhmischen Elbgemeinde Kly, Jirí Král, ins Gespräch komme. Er kritisiert nach wie vor, dass die Voraussagen über das Ausmaß der dann hereinstürzenden Flut zunächst sehr unpräzise waren und dann dauernd beinahe stündlich korrigiert worden seien. Daher habe man die Katastrophe klar unterschätzt, und das in einer Zeit, in der man seiner Meinung nach doch nahezu alles simulieren könne. Dank des sehr fähigen Krisenstabs, den die Gemeinde hatte und der sowohl aus vorwiegend jungen Menschen zusammengesetzt als auch in der Tat Nonstop im Einsatz war, so Král, sei es gelungen, die wichtigsten Vorkehrungen für Leib und Leben rechtzeitig zu treffen. Und auch mit dem, was man in dem Folgejahr des Wiederaufbaues erreicht habe, sei man zufrieden, sagt mir Král. Aber es gab auch einige Veränderungen und es bleibt noch viel zu tun, verrät mir der junge Vizechef der Gemeinde:

"Was ich weiß, so ist eine Familie weggezogen. Für uns ergab sich also die Priorität, für alle vom Hochwasser betroffenen Menschen Ersatzunterkünfte zu bauen und sie nach und nach für ein wieder dauerhaftes Wohnen auszustatten. Wenn wir wieder eine etwas größere Finanzsumme zusammenhaben werden, dann werden wir uns bemühen, den am meisten zerstörten Teil der Ortschaft, der völlig unter Wasser war, in einen besseren Zustand zu versetzen als es jetzt der Fall ist."

Dass die Wunden, die das Wasser geschlagen hat und die längst noch nicht vernarbt sind, immer noch schmerzen, das verdeutlicht die Aussage, die Jirí Král zum Abschluss unseres Gesprächs machte:

"Es ist alles noch sehr frisch, es ist nur ein Jahr her und überall sind die Schäden noch zu sehen. Aber wenn die Leute hier wieder gewillt sind, daran zu arbeiten, und wenn wir uns wieder zusammentun, dann, so denke ich, werden wir wieder so anpacken, wie wir es vor einem Jahr getan haben."